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World Wide Wahl

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Ha, da habe ich mir aber ein Ei gelegt! Für diese Folge wollte ich mal ganz entspannt von meinem Schreibtischstuhl aus recherchieren, um für den September ein wenig Klarheit zu schaffen. Neuste Mission: Partei-Inhalte auf den Fraktions-Websites checken. Das Internet ist schließlich der Ort, an den ich mich als erstes begebe, wenn ich irgendetwas wissen will. Da ist es doch naheliegend, dass ich dort auch herauszufinden versuche, wen ich im Herbst wählen soll.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Ich beginne mit der CDU. Nach einem kleinen Imagefilmchen über Menschen, die zuversichtlich in einen neuen Tag starten, klicke ich mich durch die Menüpunkte. Alles sehr modern gelayoutet und übersichtlich. Es gibt sogar eine Mediathek und viele Hörproben. Da hat sich jemand richtig reingehängt, das hat ein bisschen was gekostet. Liebe CDU, heute machst du es mir leicht, dich zu mögen, und dein Credo „Mitmachen statt meckern“ gefällt mir.

Bei der SPD sieht die Sache ebenfalls gut aus – die Seite ist strukturiert, bei den Texten hat sich jemand Mühe gemacht, sie verständlich und in angemessener Länge zu formulieren. Ich komme schnell zu Inhalten, zum Beispiel zum deutschen Wohnungsdrama in Großstädten. Die SPD möchte ein Gesetz, das verbietet, bei Wiedervermietung den alten Preis um mehr als zehn Prozent zu steigern. Den Makler muss der Vermieter übernehmen. Guten Tag, Herr Steinbrück – be my guest! Bei meiner Miete wird mir jeden Monat aufs Neue schwindelig hier in München. Überhaupt gefällt mir auf der SPD-Seite ziemlich vieles. Ich surfe noch eine ganze Weile rum, bis mir einfällt, dass ich meine Aufnahmefähigkeiten vielleicht ein bisschen geschickter einteilen sollte. Auf zur FDP!

Auch die haben das Gewese um Social Media bemerkt, allerdings nur bedingt verstanden. Es gibt hier wirklich für jedes Sharing einen Button und man kann offenbar so ziemlich alles runterladen, was jemals irgendein FDP-Mensch erdacht, konzipiert, geschrieben oder diskutiert hat. Aber will ich das überhaupt? Ich möchte doch konkrete Aussagen und nicht mein Zimmer mit Ausdrucken von Beschlüssen und Grundsatzpapieren zukleistern! Was sagen die Gelben eigentlich zur Wohnungsmisere? Sie möchten den Wohnungsbau vorantreiben, damit das Angebot nicht im Gefälle zur Nachfrage steht. Okay, jetzt muss ich klein beigeben, etwas am Angebot zu ändern, klingt einleuchtender als ein Gesetz, das den Mietpreis reguliert; das wäre in Deutschland kaum durchsetzbar. Da fällt mir auf: Bei der CDU war ich so abgelenkt von der eleganten Aufmachung, dass ich nicht so recht in den Inhalten rumgewühlt habe. Also noch mal zurück. Was meinen die denn zur deutschen Wohnsituation? Auf Anhieb finde ich nichts, auch nicht mit der Suchfunktion. Nach zehn Minuten gebe ich erfolglos auf. Ohne diese Kolumne hätte ich es wahrscheinlich schon nach einer getan.

Ich wechsle zu den Grünen, auch hier optisch alles ganz hübsch. Die Grünen verstehen sich als Randgruppenpartei mit Randgruppenthemen und Randgruppenmeinungen. Bei meinem Recherchethema Wohnungsbau setzen sie weniger auf Mietregulierung denn auf Energie-Effizienz. Finde ich gut, meine Nebenkosten sind nämlich auch ein Arschloch. Eigentlich würde ich gern mehr lesen, denn das Layout ist hier richtig super. Wahrscheinlich Berufskrankheit des Journalisten, deshalb Schluss damit und weiter zur Linken. Was ich dort sehe, erschreckt mich wirklich: Tausende verschiedene Schriften, Seiten-Konzipierungen und Navigationsoptionen. Die Auswahl der Designelemente ist so sexy wie Wadenwickel. Inhaltlich dreht sich gerade alles um Steuerhinterziehung, in reißerischem Blabla, die Texte sind eigentlich aussagelos. Zur Wohnungsnot finde ich nichts, hat sich wahrscheinlich zu gut in der Textwüste versteckt. Meine Aufmerksamkeit hat schon ganz schön gelitten. Da sind aber noch die Piraten, die ja immer damit rumtun, wie toll sie Inter-Netz können. Aber ich kapituliere vor der cloudschen Schlagwortdichte, über Wohnungen und Mietpreise finde ich nichts Nicht-Schwammiges.

Ein bisschen erschöpft wird mir klar: Was die FDP gesagt hat, war für mich am sinnvollsten. Bei dem Gedanken, die zu wählen, bekomme ich ein bisschen Nesselsucht. Aber kann ich eine Partei wie die SPD wählen, nur weil mir ihre Parolen besser gefallen? Auch wenn die unrealistisch sind? Dann vielleicht lieber zu den Grünen, die fühlen sich irgendwie echt an, ohne Selbstherrlichkeit. Wenigstens für heute. Mal sehen, was in zwei Wochen ist.


Text: michele-loetzner - Illustration: katharina-bitzl

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