Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Kontostand: minus 50.000

Teile diesen Beitrag mit Anderen:


Juri, 23, kommt aus der Nähe von Stuttgart und hat gerade seine Bachelorarbeit im Fach „Politics and Public Management“ an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen geschrieben. Für sein Studium hat er einen Kredit über 26.000 Euro aufgenommen:

Als ich zu Hause erzählt habe, dass ich an der Zeppelin Universität studieren will und wie viel das kostet, hat meine Mutter erst einmal mit den Augen gerollt und gefragt: „Musst du das wirklich machen? Es gibt doch auch normale Unis.“

Die ZU war nicht einmal meine erste Wahl, sondern die Humboldt-Universität in Berlin. Das hat aber wegen des NCs nicht geklappt. Ich hatte auch Zusagen aus Passau, München und Tübingen. Nach der Absage aus Berlin habe ich auf mein Bauchgefühl gehört.

Ich komme nicht aus wohlhabenden Verhältnissen. Meine Eltern sind geschieden, meine Mutter ist Krankenschwester. Bei mir war von vornherein klar, dass sie das nicht finanzieren können.

Ich habe einen Termin bei der Sparkasse vereinbart, die ein Finanzierungsmodell mit der ZU anbietet. Man kann den Kredit über die vollen Studiengebühren, die Hälfte oder drei Viertel davon aufnehmen. Ich bin leider nicht Bafög-berechtigt, darum habe ich das Geld für die kompletten Studiengebühren aufgenommen: 24.000 Euro für drei Jahre Bachelorstudium, dazu kamen noch 2.000 Euro für einen Aufenthalt in den USA. Durch ein Stipendium bekomme ich jeden Monat 150 Euro von der Konrad-Adenauer-Stiftung, und meine Eltern geben mir noch etwas Geld für die Miete und für das, was ich zum Leben brauche. 

Während des Studiums sind mir meine Schulden nicht die ganze Zeit im Kopf herumgeschwirrt. So richtig ist mir der Batzen Geld erst vor ein paar Wochen bei einem Termin bei der Sparkasse klar geworden. Die haben mir alle Zahlen vorgelegt, und ich habe mich gefragt, wie ich das schaffen soll. Statt die Zeit nach der Uni zu genießen, habe ich Schulden, bis ich 30 bin. Ich habe ausgerechnet, dass ich sieben bis zwölf Jahre brauche, wenn ich jeden Monat 250 bis 300 Euro abstottern kann. Nach dem Studium habe ich zwei Jahre Zeit, bis ich anfangen muss, das Geld zurückzuzahlen. Wenn ich von Anfang an gut verdiene, kann ich auch früher loslegen. Nur: Wenn man Politik oder Kultur studiert hat, bekommt man eher nicht die Jobs mit den richtig tollen Einstiegsgehältern. Politik oder Kultur sollte man vielleicht lieber an einer Uni studieren, an der es nichts kostet.

Ich muss jetzt aber mit der Entscheidung leben. Ob es das Geld wert war, weiß ich erst in fünf Jahren. Im Moment bereue ich es noch nicht. Es gab wenige Unis mit einem interdisziplinären Anspruch, an denen man Grundlagen in Wirtschaft, Kultur, Medien und Politik vermittelt bekommt. Außerdem haben wir eigentlich keine Vorlesungen, sondern nur Seminare, wir sind nur 20 bis 30 Studenten. Ich war in der Schule eher faul, in einem Audimax mit 500 anderen würde ich untergehen. Beim Auswahlgespräch habe ich schon gemerkt, dass hier viele Leute sind, die etwas bewegen wollen, auch außerhalb des Studiums. Diese Leute hätte ich an einer anderen Uni nicht kennengelernt.  

Immerhin habe ich direkt nach der Uni einen Job bekommen: Seit April arbeite ich im Wahlkampfteam von Angela Merkel in Berlin. Ich versuche jetzt, etwas Geld zurückzulegen und mit der Rückzahlung zu beginnen. Bis ich nach Berlin gezogen bin, habe ich wieder zu Hause bei meiner Mutter gewohnt, um das Geld für die Miete zu sparen.

Insgesamt ist es natürlich ein Risiko und ein bisschen verrückt, so viel Geld auszugeben, aber man haut im Leben viel mehr Geld für viel größeren Schwachsinn raus.


Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Nicole, 21, aus Straubing, studiert im dritten Semester Bauingenieurwesen an der FH in Deggendorf. Weil sie kein Bafög bekommt, hat sie einen Kredit über 15.000 Euro aufgenommen:

Ich bekomme kein Bafög, weil meine Eltern dafür zu viel verdienen. Trotzdem können sie mir das Studium nicht finanzieren. Meine Mama arbeitet in einem Altenheim in der Verwaltung und mein Papa ist Lagerist. Sie brauchen zwei Autos und müssen jeden Monat Kosten für ihr Haus decken. Sie verdienen nicht die Welt – und doch ist es so viel, dass ich kein Bafög bekomme. Das ist so ein Schwachsinn!

Wenn ich von Straubing jeden Tag nach Deggendorf gependelt wäre, hätte ich keinen Kredit gebraucht, ich wollte aber nicht mehr bei meinen Eltern wohnen. Mit Kindergeld und einem Nebenjob hätte ich mir das auch so leisten können, meine Eltern geben mir auch 200 Euro im Monat dazu. Aber dann hätte ich extrem sparsam leben müssen, das wollte ich nicht. Ich habe mir also eine Wohnung in Deggendorf gesucht und mich über Studienkredite informiert.

Das Angebot der KfW war das erste, das ich gefunden habe. Ich war überrascht, wie einfach und schnell das geht. Man beantragt einen Studienkredit über die Bank, bei der man auch sonst Kunde ist, und unterschreibt. Die wollten nicht einmal meinen Personalausweis sehen.

Beim ersten Banktermin haben wir ausgerechnet, dass ich 650 Euro im Monat brauche, insgesamt haben wir die Darlehenssumme auf 15.000 Euro festgelegt. 

15.000 Euro Schulden im Nacken sind kein gutes Gefühl, aber ich sehe das so: Ich bin nicht einfach nur Papas Tochter und muss mir mein Studium selbst finanzieren. Mein Freund hat auch einen Studienkredit aufgenommen, der schämt sich ein bisschen dafür. Nach dem Studium müssen wir dann beide eine Weile unsere Schulden abstottern. Wir wollen später mal zusammen ein Haus bauen, da muss ich schon oft daran denken. Aber es macht nicht glücklich, wenn man immer grübelt. 

Ich kann die Summe jedes Jahr wieder neu bestimmen. Seit ein paar Monaten arbeite ich nebenbei als Werkstudentin bei Lidl im Lager. Ich habe ausgerechnet, dass ich nicht mehr so viel zusätzlich brauche, darum bekomme ich seit April nur noch 350 Euro im Monat. Mit dem, was ich bei Lidl verdiene, reicht das.

Mit dem Tilgen kann man jederzeit beginnen, aber spätestens eineinhalb Jahre nach dem Studium muss man damit anfangen und mindestens 50 Euro im Monat zurückzahlen. Das wären aber nur die Zinsen. Ich hoffe, dass ich etwa 300 im Monat abstottern kann, ich will das so schnell wie möglich durchziehen. Die Jobchancen als Bauingenieurin sind gut, ich gehe davon aus, dass ich nach dem Studium einen anständigen Job bekomme.

Nach der Uni haben viele Schulden. Wenn man Bafög bekommt, ist es ähnlich, nur dass man dann nur die Hälfte und keine Zinsen zahlen muss. Studienkredite sind eine gute Möglichkeit, der Zinssatz liegt momentan bei zwei bis drei Prozent. Ich glaube, dass das mehr Studenten in Anspruch nehmen würden, wenn es mehr wüssten.



Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Benedikt, 19, aus Aachen, studiert im sechsten Trimester Jura mit Nebenfach BWL an der EBS Law School in Wiesbaden. Sein Studium finanziert er über einen Bildungsfonds. Nach dem Master muss er knapp 50.000 Euro zurückzahlen:

Eigentlich startet man nach dem Studium mit 0 Euro auf dem Konto ins Berufsleben. Bei mir sind es minus 49.900.

In der neunten Klasse wusste ich schon, dass ich einmal Jura studieren will. Zwischendurch habe ich überlegt, ob nicht doch BWL besser ist. Auf einer Abiturmesse habe ich von der EBS Law School gehört, die gerade neu gegründet wurde. Die kombinieren das Jurastudium mit Staatsexamen mit einem BWL-Studium. Ich dachte sofort: Das ist meine Traumuni!

Mein Vater ist auch Jurist und hat in Köln studiert. Ich habe ihn zum Tag der offenen Tür mitgenommen. Er war erst skeptisch, aber dann sagten meine Eltern, wenn es mir Spaß macht, solle ich es machen. Sie sagten aber auch, dass sie das nicht vollständig finanzieren können.

Ich habe erst an einen Studienkredit gedacht, dann aber von einem Stipendium gehört, das die Ehemaligen der EBS jedes Jahr an zehn bis 15 Studenten vergeben. Man bekommt einen Mentor und wenn nötig finanzielle Unterstützung über einen Bildungsfonds. Ich habe mich beworben und es hat zum Glück geklappt.

Normalerweise kriegen die EBS-Studenten jedes Trimester eine Rechnung über 3.700 Euro, insgesamt gibt es zwölf Trimester. Das Masterstudium in BWL kostet noch mal 5.500 Euro, alles zusammen also 49.900. Die Rechnungen bekomme ich auch, nur überweist der Bildungsfonds den Betrag. Dieses Geld zahlt im Moment ein Ehemaliger der EBS in den Fonds ein. Wenn ich meine Schulden später zurückzahle, wird davon ein neuer Student finanziert – das nennt sich „umgekehrter Generationenvertrag“. 

Mit dem Tilgen muss ich nach dem zweiten Staatsexamen beginnen, wenn ich als Anwalt oder Richter arbeiten darf. Sobald ich mehr als 3.500 Euro im Monat verdiene, muss ich 13,85 Prozent meines Bruttomonatsgehalts überweisen. Solange ich keinen oder einen weniger lukrativen Job habe, muss ich gar nichts zurückzahlen. Wenn ich das Studium abbreche, muss ich alles mit Zinsen zurückzahlen – unabhängig von meinem Gehalt.

Freunde von meiner alten Schule in Aachen fragen immer, was für verrückte, reiche Leute an einer Uni sind, die so viel kostet. Wenn man mich vor drei Jahren gefragt hätte, hätte ich auch so gedacht. Es gibt hier zwar ein paar, die sehr wohlhabend sind und alles von ihren Eltern bekommen, aber der Großteil finanziert sich das Studium mit irgendwelchen Darlehen. Viele denken, dass man an einer privaten Uni 40.000 Euro zahlt und dafür einen Master mit einer guten Note bekommt. Das geht bei Jura aber gar nicht, weil man ein Staatsexamen macht, genau wie die Studenten an anderen Unis. Unsere Ausbildung ist vielleicht besser, weil wir in kleineren Gruppen studieren. Die Lernatmosphäre und der Zusammenhalt sind viel besser, man kann enger mit den Professoren zusammenarbeiten und bekommt eine individuelle Betreuung. In unserem Jahrgang sind wir 75 oder 80 Leute. An den Unis in Mainz und Frankfurt kenne ich Jurastudenten, die zum Teil mit 400 Studenten im Hörsaal sitzen. Wir haben auch einen hohen Praxisbezug, lernen Anwälte und Richter kennen und können auf das Alumni-Netzwerk zurückgreifen.

Wenn ich jedes Trimester die Rechnung bekomme, grüble ich jedes Mal wieder und denke darüber nach, was da alles auf mich zukommt. Jedes Trimester 3.700 Euro dazu, das stapelt sich immer höher, und 50.000 Euro, das ist schon viel. Im Moment motiviert mich das aber eher als dass es eine Belastung ist. Für einen guten Job in Jura braucht man mindestens neun Punkte im Staatsexamen; das ist mein Ziel. Wenn ich Glück habe und gleich richtig gut verdiene, bin ich meine Schulden schnell los. In einer internationalen Wirtschaftskanzlei in Frankfurt bekommt man schon mal 100.000 Euro Einstiegsgehalt. 



Text: kathrin-hollmer - Fotos: dpa, privat

  • teilen
  • schließen