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„Vintage, nicht retro“

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Der Verpeilte

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


So bereitet er sich vor: Eigentlich hat er sich schon im März vorgenommen, endlich mal Kisten zu packen, aber am Tag X wird dann doch alles in Ikeatüten gestopft. Der Malertisch ist natürlich auch nicht am Start, wird halt alles auf den Boden gestellt. Macht auch nix. Wechselgeld? Ach komm, geht auch ohne!
Das wird verkauft: Angesprungene Tassen, herrenlose Handykabel (da gibt’s doch viel Geld, oder?), eingelaufene T-Shirts, löchrige Chucks, Konzertbecher von Robbie Williams und alles, was irgendwie im Blickfeld war.
Sein Proviant: Eine angebrochene Flasche Spezi. Hoffentlich kommt bald der Klaus mit der Leberkässemmel, den er vorhin angerufen hat.
Sein Outfit: Das gleiche wie gestern. Hat jemand ’ne Plastiktüte als Regenjackenersatz?
Das sagt er: „Das war mal echt teuer!“
Sein perfekter Flohmarkt: Der Hinterhofflohmarkt in seinem Stadtviertel. Weiter hätte man die Ikeatüten auch nicht tragen können. Außerdem ist es da wurscht, wann man aufbaut und Luftballons kann man bestimmt von den Nachbarn zocken.
Dort findest du ihn sonst: Rote Sonne oder 089-Bar, Hauptsache geöffnet bis zum Morgengrauen.



Der Künstler

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


So bereitet er sich vor: Jedes Teil wird fein säuberlich in Knallfolie gepackt und in große Obstkisten verstaut. Liebevoll hat er die gestern Nachmittag auch noch angemalt, schließlich kann man die zum Schluss möglicherweise auch noch verchecken.
Das wird verkauft: Alles, was es sonst auch in seinem Dawanda-Shop gibt – Bilder, bemalte Fliesen, selbstbedruckte Leinenbeutel. Aber natürlich auch all die Sachen, die jetzt echt keiner mehr trägt: Shirts mit royalblauem Farbverlauf, Jeans mit Jackson-Pollock-Print und diesen Poncho von der Südamerika-Rundreise. Aber für den will er auch einen angemessenen Preis.
Sein Proviant: Essen ist überbewertet, sagt Kate Moss, seine Heldin. Deshalb gibt es Bitter Lemon Light und Vodka aus dem Flachmann.
Das sagt er: „Natürlich ist das Vintage, nicht retro!“
Sein perfekter Flohmarkt: Der Nachtflohmarkt, schon allein, weil einer seiner DJ-Kumpels dort immer auflegt. Außerdem hat er sich mit der ganzen Clique verabredet, in der Hoffnung, ein paar Perlen zu swappen. Der Leon verkauft sicher ein paar Sachen aus Covent Garden, die er nicht mehr trägt.
Dort findest du ihn sonst: Am Königsplatz in der Abendsonne oder im Museumsshop vom Brandhorst.



Der Planer

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


So bereitet er sich vor: Schon letztes Jahr hat er sich den Termin für die Theresienwiese im Kalender markiert und das Auto der Eltern klar gemacht. Am Vorabend fährt er zusammen mit seinem Mitbewohner zum Festplatz, lädt keuchend alles aus und baut den Tisch vorsorglich schon mal mit Plastikplane abgedeckt auf. Natürlich übernachtet er im Schlafsack, die ersten kommen ja schon um fünf Uhr morgens. Und falls es wieder so heiß wird, hat er sich von Tante Traudl den Marlboro-Sonnenschirm geliehen.
Das wird verkauft: Alte Lautsprecher, ein Telefunken-Radio, Berge von Outdoor-Klamotten und die Schätze von Opas Dachboden. Überhaupt alles, was er finden konnte. Der ganze Aufwand soll sich schließlich lohnen. Von dem Geld will er nämlich in den Dolomiten wandern.
Sein Proviant: Zwei Thermoskannen Tee für nachts, zwei große Flaschen Wasser für tags, drei Leberwurststullen, eine Tüte Weingummis.
Das sagt er: „Der McDonald’s am Goetheplatz macht heute das Geschäft des Jahres. Da steht man bestimmt ewig an.“
Sein perfekter Flohmarkt: Die Theresienwiese, eh klar. Obwohl man mit Riem schon auch mal liebäugeln könnte.
Dort findest du ihn sonst: In der Bibliothek des Historicums. Allerdings in dem kleinen Altbauteil bei den Toiletten im dritten Stock, weil man da die Fenster aufmachen kann.



Der Perlentaucher

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


So bereitet er sich vor: Wichtigstes Equipment ist sein alter Schulbanknachbar oder noch besser: die beste Freundin. Wer sonst soll auf die paar Habseligkeiten auf seinem Campingtisch achten, wenn er „nur mal kurz rumschauen“ geht? Eigentlich ist sein Verkaufsstand nur ein Vorwand, um schon möglichst früh die anderen Anbieter zu inspizieren und den unnützen Tand, den er beim letzten Mal gekauft hat, loszuwerden.
Das wird verkauft: In einem Wort: Krimskrams. Angefangen von kleinen Dalmatiner-Hundefiguren bis hin zu großen Kupfer-Obstschalen, dazwischen alte Werbegeschenke und verunglückte Geburtstags-Gaben. Halt so Sachen, die sein ästhetisches Empfinden in der Wohnung „echt massiv stören“.
Sein Proviant: Eine Flasche Fiji-Wasser, kein Essen – später geht der Perlentaucher ja eh noch mit seinem Kumpel ins Le Florida, als Wiedergutmachung fürs Aufpassen.
Das sagt er: „Ich komm’ gleich wieder.“
Sein perfekter Flohmarkt: Die Parkharfe am Olympiapark – jedes Wochenende neue Anbieter, hurra!
Dort findest du ihn sonst: Tagsüber im Café Kubitscheck, abends im Milla oder Le Florida. Es sei denn, im Strom spielt eine seiner Lieblings-Bands.



Der Geschäftemacher

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


So bereitet er sich vor: Tapeziertisch, Campingtisch, Campingstuhl? Check! Wechselgeld in Scheinen und Münzen? Lieber nochmal Münzrollen von der Bank geholt, check! Poliertücher, Regenjacke, Sonnencreme? Check! Allen Kram bei Verwandten und Freunden abgeholt, den sie loswerden wollen? Check! Sprinter gemietet? Check!
Das wird verkauft: Restposten, Neues, Altes, Gekauftes, Geschenktes, Geliehenes (ups!) und alles, was zu teuer oder umständlich im Ebay-Versand wäre.
Sein Proviant: Nüsse in der linken, Zigaretten in der rechten Hosentasche.
Das sagt er: „Komm, für ’nen Fünfer geb’ ich dir das Schlüsselband auch noch mit dazu.“
Sein perfekter Flohmarkt: Riem, kein Zweifel. Hier zwischen hunderten anderen Verkäufern fühlt er sich zuhause. Außerdem kriegt man auf dieser Massenveranstaltung garantiert alles los und abends ist so ein Plausch an der Würschtlbude fast romantisch.
Dort findest du ihn sonst: Am Stammtisch der Giasinga Buam oder montags beim Partygriechen Paros in der Kirchenstraße zum Weinfest. Wein so viel man will für 6 Euro fix? Hallöchen!




Text: michele-loetzner - Illustrationen: Marie-Claire Nun

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