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Frühling in Ås

Text: timniklas

Es wird Frühling in Norwegen und Frühling ist schön, besonders nach fast einem halben Jahr bitterer Kälte und der noch aufdringlicheren Dunkelheit. Fühling in Norwegen stinkt nur leider. Und wie.



Seit circa 2 Wochen sind tagsüber immer mindestens 5 Grad plus, außerdem geht die Sonne, im ziemlich exakten Gegenteil zum Herbst, jetzt jeden Tag deutlich später unter, viel deutlicher als es etwa in Deutschland zu spüren ist. Das hat, zumindest den südlichen Teil von Norwegen, in dem ich lebe, innerhalb weniger Wochen von einer Eiswüste, in der die einzig wahrnehmbare Farbe (oder Nicht-Farbe?) für lange Zeit ein maximal braun-grün-graues Weiß war, in ein urzeit-alterlich anmutendes Moorland verwandelt und das stinkt. Auf den jetzt jeden Tag weniger schneebedeckten Feldern steht, auch weil keins von ihnen wirklich eben ist sondern in seinem Auf und Ab an das Voralpenland erinnert, teilweise einen halben Meter (ja!) hoch das Wasser, besonders an Wegen und Straßen. Dazwischen halten sich große, jetzt vollkommen mit Wasser gesättigte Eisfelder, die auch deshalb noch da sind, weil es abends, sobald die Sonne dann mal untergegangen ist, sehr schnell immeroch sehr kalt wird.



Die Fußwege - ein Kapitel in Norwegen für sich – verhalten sich in ihrer Trittfestigkeit und Konsistenz sehr ähnlich, sicher auch da Landwirtschaft und Zivilisation in Norwegen noch eng beeinander liegen, zumindest räumlich, meistens grenzen die grade erwähnten Felder direkt an die selten betonierten Fußwege an. Ginge es nach der Werbepropaganda der vier großen Nahrungsmittelmarken, die Norwegen monopolartig nach Produkten unter sich aufgeteilt haben, befindet sich das gesamte Land noch immer im Zeitalter vier großer, von den amish people inspirierter Familienverbände, die beschlossen haben ihre glückliche Subsistenzwirtschaft mit den etwas mehr als 5 Millionen Einwohnern Norwegens zu teilen. Um im Gegenzug zu einem nicht unbedeutenden Prozensatz an dem vom Öl buchstäblich aus dem Boden gestampften Wohlstand teil zu haben. Das stinkt auch, vielleicht sogar mehr als die Böden, zumal Massenproduktion von Nahrungsmitteln und industrialisierte Viehzucht in Norwegen genauso präsent sind wie etwa in Europa oder den USA, zu Land und zu Wasser. Aber das ist ein anderes Thema, zurück zum stinkenden Boden.



Der, bzw. seine Bewohner wie Bakterien und Mikroorganismen, bekommen jetzt natürlich viel zu wenig Luft um effektiv zu arbeiten, weil das Wasser viel zu langsam abfließt. Viele Gullis sind komplett vom Eis verstopft, außerdem ist die Menge Wasser, die im Schnee gespeichert war und jetzt flutartig flüssig wird, enorm.



Effektiv arbeiten hieße Sauerstoff zu veratmen, weil der aber längst verbraucht ist und kein Neuer bis in den Boden und damit zu den Kleinsten der Kleinen durchdringt, schalten diese um und veratmen, was sonst so da ist, mit dem Ergebnis dass abwechselnd Methan, Stickstoff- oder Schwefelverbindungen die aufgetaute Nase betäuben. Ein Gerucht, der sehr an die vielgepriesene, ja gar so gesunde Landluft aus dem bereits kurz erwähnten Voralpenland erinnernt. Was dort die Bauern mit der Gülle ihrer sicherlich glücklichen, freilaufenden Kühe schaffen, passiert hier im Norden ganz ohne Zutun der örtlichen Bauernverbände. Allerdings stehen die schon mit ihren Sattelzügen voller Odel bereit, wie mir ein einheimischer Freund kürzlich sagte, als uns eine weitere Ladung süßer, wohlbekannter Düfte beim Verlassen des Hauses traf, "ahhhh, spring!".



Wie gesagt, es wird Frühling, mit Sonne, Hormonen und langen Abenden und ein bisschen Gestank. Aber wen kümmert das schon, das bisschen Gerucht verzieht sich schließlich spätestens eine Briese später als man es gerochen hat. Und schon bald flattert das blaue – gelbe Band im süßen Blütenduft und lässt einen vergessen, wie lang ein Winter sein kann, hier in Norwegen.






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