Aus meinem Tagebuch # 130406
Ich lief durch den Wald. Atmete tief in die schmerzenden Lungen ein. Um mich herum alles dunkelgrau, tief grau, blaugrau, bleiern grau, stahl grau, grauschwarz, grau in all seinen Facetten. Der Weg gerade aber links und rechts vom Dickicht gesäumt. Ein Weg wie für fliehende Königstöchter - eine gute Kulisse für Schauerfilme. Ich dachte an die Leute, die mich immer davor warnten, was mir nicht alles im Wald widerfahren könnte. Ich dachte an all die Geschichten von Mördern und Kinderschändern. Innerlich musste ich bei dem Gedanken laut aufseufzen. Was soll mir bitte schlimmeres passieren, als das, was ich jetzt fühle, dachte ich. Da sollte mir doch lieber ein unbekannter, ein dunkler Mann, ja, gar ein Verrückter daherkommen. Und mich ablenken. Er soll sich bitte anschleichen. Langsam von hinten mit den schlimmsten Absichten. Und am besten mit einer Axt. Und so, dass ich nichts merke. Er soll mich erlösen. Egal wie.
Erlöse mich von der Verzweiflung, dachte ich. Leider halfen diese Gedanken nicht, sie betäubten nicht meinen Schmerz. Ich fühlte mich weiterhin sicher. Sicher, weil mir kein Aussenaxtmensch was ankonnte. Ich wusste, dass mir keiner was ankonnte. Kein Axtmörder, kein Kinderschänder und kein Triebtäter, der seine Begierden an mir nur abreiben versuchte. Der glitte an mir ab, wie an Teflon. Glitte mit mir zusammen in den dunklen Wald hinab. In das Dickicht. Und dann hätten wir beide wirklich Angst.
Denn ich habe den Innenaxtmörder in mir.