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Akustische Weltreise

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Die Diplom-Designerin Danja Mathari steckt neben der Kunst viel Zeit in ihre zweite Leidenschaft: die Musik. Seit 2005 singt die gebürtige Berlinerin mit verschiedenen Bands wie Egotronic und Frittenbude und ist Teil des Künstlerkollektivs Tengu Basement. "Soundcultures" nennt sich ihr Projekt, das sie 2009 im Rahmen ihrer Diplomarbeit begonnen hat. Inzwischen ist es Danjas ganz persönliche Art geworden, ein fremdes Land zu entdecken. Sie dokumentiert ihre Begegnungen mit Musikern und ihre Unterhaltung mit Menschen rund um das Thema Musik. Aus den Audio-Aufnahmen und field recordings entstehen in Deutschland neue Songs. Im Interview erzählt die 29-Jährige, warum Musik wichtig ist, um ein Land kennenzulernen.

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Illustration: Julia Schubert

Danja Mathari plant dieses Jahr eine Reise nach Island, um dort die Musik zu entdecken.

jetzt.de: Viele Leute kaufen sich einen Reiseführer, wenn sie einen fremden Ort bereisen wollen und suchen sich die kulinarischen Besonderheiten oder Sehenswürdigkeiten heraus. Du interessierst dich stattdessen für den Klang und die Musik. Warum?
Danja: Die Musik eines Landes verrät viel über die Kultur und die Menschen dort. Viele Traditionen eines Landes und auch der Ausdruck der Menschen sind in der Musik verankert. Über die Musik entwickeln sich außerdem Gespräche. Genauso, wie man sich auch über Essen oder Architektur unterhalten kann. Die Musik ist meine große Leidenschaft, deshalb habe ich mich entschlossen, die Orte so zu entdecken.

Wie genau funktioniert „Soundcultures“?
Es geht um den Versuch, durch die alten, musikalischen Traditionen mehr über ein Land zu erfahren. Bei meiner Ankunft stelle ich mir die Frage, wie die Orte klingen und mache field recordings. Das heißt, ich laufe umher und nehme zum Beispiel den Klang der Straßen in Tunesien auf. Dazu habe ich ein kleines Aufnahmegerät dabei. So versuche ich, mir mein eigenes Bild von einem Land zu machen. Gleichzeitig kann ich verschiedene Länder durch ihren Klang vergleichen. Tunesien klingt zum Beispiel völlig anders als Island. Die Aufnahmen nehme ich mit nach Deutschland und arbeite mit Freunden an meiner eigenen Interpretation dieser Reise. Es entstehen also zusätzlich zu den Dokumentationen auch eigene Lieder, die ich als Sängerin umsetze.

Wie bereitest du eine solche Reise vor?
Es ist Teil des Projektes zu gucken, wen man in dem Ort schon kennt oder zu fragen, ob jemand vielleicht Freunde dort hat. Ich habe immer ein paar Adressen, die ich schon im Vorfeld kontaktiere oder vor Ort. Manchmal überlasse ich es aber auch dem Zufall. Über diese tausend Ecken trifft man immer auf spannende Leute. Die Planung beginnt ungefähr zwei Monate im Voraus. Das ist zwar etwas kurzfristig, aber sonst würde ich mich in der Planerei verlaufen.

Wie finanzierst du die Reisen?
Damals hatte ich mir für mein Diplom etwas Geld zusammen gespart und so konnte ich die Reisen finanzieren. Für die nächste Reise will ich über Crowdfunding Geld sammeln. Island ist zu teuer, als dass ich mir das einfach für zwei Leute leisten könnte. Ich muss ja schließlich immer jemanden dabei haben, der meine Begegnungen dokumentiert.

Wie lange bist du an einem Ort unterwegs?
In Rumänien waren wir jetzt vier Tage. In Island werden es auch vier bis fünf Tage. Abends bin ich immer ganz müde, weil ich so viel herumgerannt bin.
 
Wonach suchst du die Orte aus, die du bereist?
Das mache ich spontan, aber ich suche nach Kontrasten. Mein nächstes Ziel im Mai ist Island. Danach würde ich auf keinen Fall nach Norwegen fahren wollen, sondern zum Beispiel nach Litauen. Ich war noch nie in Litauen und kenne das Land nicht. In Island weiß ich auch gar nicht, ob es da traditionelle Musik gibt. Aber gerade das kann auch sehr reizvoll sein: gar nicht zu wissen, was einen erwartet. Vielleicht stellt sich auch heraus, dass Island kein interessanter Ort für das Projekt ist.

Beschränkst du dich während deiner Reisen auf bestimmte Genres?
Am liebsten würde ich mich gar nicht beschränken, aber man muss dem Ganzen natürlich einen kleinen Rahmen geben, auch deshalb, weil ich immer sehr wenig Zeit habe und weil nicht so viel Geld in dem Projekt steckt. Deshalb muss man sich aussuchen, nach was man genau suchen möchte.

Lernt man Menschen anders, intensiver kennen, wenn man mit ihnen über Musik spricht?
Ja, auf jeden Fall. Man hat ein Thema, über das man sprechen kann. So entwickeln sich auch andere Gespräche abseits der Musik. Aber Musik verbindet. Ich wüsste zum Beispiel nicht, worüber ich sonst mit Leuten in einem fremden Land sprechen sollte. Klar kann man sich in ein Café setzen und irgendwann entsteht ein Gespräch mit dem Nachbarn. Aber durch die Musik ist die Intensität, mit der man sich kennenlernt, eine ganz andere.

Wie geht es mit den Aufnahmen weiter? Werden sie zu einer großen Dokumentation zusammengefasst?
Wenn sich so viele Leute für das Projekt interessieren, könnte irgendwann eine große Sammlung an Liedern entstehen. Dann werde ich vielleicht auch ein Album herausbringen. Das wäre für mich und hoffentlich auch für alle anderen eine schöne Sammlung. Ich verkaufe die Lieder aber nicht. Es ist ein internationales Projekt, und wenn ich auch mit Leuten aus anderen Ländern etwas mache, möchte ich, dass die Songs allen kostenlos zur Verfügung stehen. Deshalb kann man sie sich auf meiner Internetseite kostenlos herunterladen. Wenn ich mal eine EP verkaufe, ist da noch meine persönliche Arbeite dabei, indem ich zum Beispiel die CD-Cover gestalte. Aber Geld verdiene ich damit trotzdem nicht, sondern decke dadurch eher die Materialkosten ab.
      
Du hast schon verschiedene Länder im Rahmen des „Soundcultures“-Projekt bereist. Welches gefiel dir bisher am besten?
Soundtechnisch fand ich Polen am spannendsten, weil ich diesen Goralen Gesang in den Bergen sehr interessant finde und Tunesien, weil die Instrumente und die arabische Musik mir sehr gut gefallen.

Was sind deine nächsten Pläne? Welche Länder möchtest du auf jeden Fall noch bereisen?
In diesem Jahr würde ich gerne noch Island und Litauen bereisen. Im vergangenen Jahr war ich im mittleren Osten und habe dort als DJane und Sängerin gearbeitet. So hatte ich die Möglichkeit, zwei Wochen in Kuwait herumzulaufen. Dabei habe ich festgestellt, dass sie in Kuwait ihre Traditionen sozusagen begraben haben. Man findet da an jeder Ecke Celine Dion und Pizzahut, aber die ursprüngliche Musik nicht mehr. Am letzten Tag, den ich dort verbracht habe, kam ein Musiker aus Kuwait zu mir ins Hotel, den ich schon vorher kontaktiert hatte. Er war so begeistert, dass ich mich für die traditionelle Musik interessierte. Von der Regierung wird diese Musik nämlich anscheinend untergraben. Ich würde gerne noch einmal nach Kuwait, wenn ich mehr Zeit und Geld habe, um herauszufinden, was dort mit der Musik passiert ist.



Text: feline-gerstenberg - Foto: o. H.

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