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"Die Hochschule hat uns nie gesagt, dass es nicht weitergeht."

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Fünf Semester lang hat die 23-Jährige Annika an der privaten Fachhochschule Arnstadt-Balingen in Thüringen Kunsttherapie studiert. Doch schon seit der Gründung 2005 hatte die Hochschule finanzielle Probleme. Nun ist sie seit dem 28. Februar geschlossen. Im Interview erzäht Annika, wie sie die vergangenen Wochen erlebt hat und wie es für sie und die anderen Studenten weiter geht.

jetzt.de: Annika, wie hast du die finanzielle Lage der Hochschule erlebt?
Annika: Von Anfang an gab es ein Problem mit der Finanzierung. Es fehlte Geld, aber das wurde nie wirklich öffentlich gemacht. Es hieß es immer, die FH stände kurz vor der Insolvenz oder es könnte passieren, dass sie Insolvenz anmelden müsste. Aber es war nie akut ein Thema.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

In Arnstadt-Balingen werden in Zukunft keine Studenten mehr malen - ihre FH musste schließen.

Wann wurde das erste Mal über die Probleme gesprochen?
Ab November 2012 wurde es ernster. Ein Investor aus der Schweiz hat sich eingeschaltet. Unklar war allerdings, wann er zahlen würde. Unser Geschäftführer Manfred Füchsel versuchte uns zu beruhigen und sagte, dass der Investor zahlen würde, schließlich sei der Vertrag ja unterschrieben. Mehr haben wir nicht gehört.

Wie ging es dann weiter? Wie lange wurdet ihr hingehalten?
Im Januar gab es eine Vollversammlung, in der gesagt wurde, dass es zwar schlecht aussehe, wir uns aber keine Sorgen machen müssen. Ende Januar, kam der Insolvenzverwalter. Er klärte uns darüber auf, wie es weiter gehen könnte, falls es zu einer Insolvenz kommen würde. Etwas später bekamen wir eine E-mail, in der wir darum gebeten wurden, unsere Wohnungen vorsorglich zu kündigen. In einer zweiten E-mail wurden wir darum gebeten, unsere Atelliers zu räumen. Daraufhin wurde die Insolvenz angemeldet. Seit dem ersten März ist schließlich kein Studienbetrieb mehr möglich, weil kein Geld da ist.

Wie hast du darauf reagiert?
Es war ein totaler Schock. Ich habe es bis heute auch noch nicht richtig begriffen. Ich bin traurig darüber, Arnstadt verlassen zu müssen, weil ich mich hier innerhalb der fünf Semester gut eingelebt habe und mich sehr wohl fühle. Und ich bin enttäuscht, dass uns Studenten von keiner Seite aus Hilfe zukommt.

Das heißt, seit Ende Februar studierst du nicht mehr und musst auch die monatlichen Studiengebühren nicht mehr zahlen, oder?
Wir müssen noch Studiengebühren für März zahlen, obwohl es die Hochschule schon quasi nicht mehr gibt. Das sind 229 Euro. Zwar hätten wir uns auch früher schon freiwillig exmatrikulieren lassen können. Aber dann hat man keinen Anspruch mehr auf BAföG und auf Schadensersatz könnte man auch nicht klagen.

Wie war es, als du die letzten Male in die Hochschule gegangen bist?
Das war schon ein komisches Gefühl. Auch als wir die Ateliers ausgeräumt haben. Man hat da ja schon fast gewohnt. Es waren immer sechs bis sieben Leute, die sich ein Atelier geteilt haben. Da hatte jeder seinen Platz und es gab dort auch eine kleine Teeküche und Sofas standen dort herum.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Annika muss jetzt in Ottersberg weiterstudieren.

Was hat dir an der FH besonders gut gefallen?
Insgesamt hat es mir hier sehr gut gefallen. Die künstlerischen Fächer waren alle super. Vor allem, weil die Hochschule so klein ist. Man hatte Kontakt zu den Dozenten und Professoren und kannte sie, das finde ich bei einem Kunststudium wichtig. Es war alles familiärer als an anderen Hochschulen oder Universitäten.

Wie geht es jetzt für dich weiter?
Ich werde jetzt an der FH in Ottersberg studieren. Das ist die einzige Alternative. Denn ansonsten muss man Kunsttherapie als Ausbildung machen oder es nicht anthroposophisch studieren und hat dadurch später Nachteile im Berufsleben.

Was kommt außer den höheren Mieten jetzt finanziell auf dich zu?
Die Lebensunterhaltskosten sind in Ottersberg viel höher. Hier in Arnstadt konnte man sich das mit BAföG irgendwie leisten. Außerdem wurde uns ja erst im Januar gesagt, dass wir unsere Wohnungen kündigen sollten. Mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten sitze ich jetzt im April auf zwei Monatsmieten - in Ottersberg und Arnstadt. Wie sollen wir Studenten das machen?

Gibt es auch Studenten, die das nicht finanzieren können?
Es gibt Studenten, die zwar kein BAföG bekommen, aber deren Eltern sie trotzdem nicht finanziell unterstützen können. Sie haben deshalb einen Kredit aufgenommen. Wir haben eine Exmatrikulation bekommen, auf der "ohne Abschluss" steht. Wenn sie nicht weiter studieren, müssen sie von jetzt auf gleich den ganzen Kredit zurück zahlen. Das sind ungefähr 8000 Euro.

Wird diesen Leuten Hilfe angeboten?
Das Ministerium hat gesagt, dass sie den Studenten helfen wollen und wir Unterlagen einreichen sollten. Wir haben die Mehrkosten zusammen gestellt und sie ihnen geschickt. Wir erhalten aber keine Informationen zurück.

Fühlst du dich von der Hochschule und der Regierung im Stich gelassen?
Das Thüringer Kultusministerium hatte sich auch eingeschaltet. Dann gab es ein Gespräch mit der Weimarer Bauhaus Universität, dass wir dort vielleicht angegliedert werden könnten. Für die Verhandlungen haben sie ewig gebraucht und uns nie wirklich bescheid gegeben, sondern uns nur hingehalten. Auch von der Hochschule haben wir bisher noch keinen offiziellen Bescheid über die Schließung bekommen. Das ging alles nur noch über den Insolvenzverwalter. Die Hochschule hat uns nie gesagt, dass es nicht weitergeht. Sie haben sich nie entschuldigt. Wir hatten ja fünf Jahre lang einen guten Kontakt und auf einmal lassen sie uns fallen.


Text: feline-gerstenberg - Foto: webdevel / photocase.com

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