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Herausforderungen

Text: Luckyone

Ich sitze mit einer Kollegin beim Kaffee trinken. Wir diskutieren ein recht ernstes, berufliches Thema und ich bin in meinem Element. Reden kann ich, soviel steht fest. Plötzlich klingelt ihr Telefon und ich sehe Deinen Namen auf dem Display. „Dein Timing ist ja echt unglaublich“, denke ich bei mir. Sie ignoriert Deinen Anruf und spricht weiter. Wenige Sekunden später klingt mein Telefon, wieder Dein Name im Display. Ich gehe ran und ohne Deine Begrüßung abzuwarten, vertröste ich Dich auf später und sage, wir beide würden Dich zurückrufen. „Aber bitte nacheinander!“, ist Deine Aussage, begleitet von diesem Schmunzeln in Deiner Stimme, bei dem ich mir immer so gut Dein Gesicht vorstellen kann. Bei deinen Worten läuft mir ein wohlig warmer Schauer über den Rücken.

Ich lasse mir Zeit mit dem Rückruf, weil ich mir wieder einmal nicht erklären kann, warum Du angerufen hast. Unser Gespräch beginnt seltsam, Du fragst mich über mein Wochenende aus und ob ich Spaß beim Shoppen mit den Mädels hatte. Ich frage mich woher Du das weißt. Du hättest mich gesehen, wolltest mich aber nicht ansprechen, um mich nicht in eine blöde Situation zu bringen. Einen Moment lang gruselt es mich förmlich, weil ich mich frage, in welchem unbeobachteten Moment Du mich dort wohl erwischt hast. Es war ein rundum schöner Tag, wir haben so unglaublich viel gelacht und waren uns selbst genug. Ich hatte mich richtig gut gefühlt, weil ich nicht ständig an Dich gedacht habe. Jetzt fühle ich mich irgendwie beobachtet von Dir und verfluche Dich ein Stück weit dafür, dass Du mir nicht mal meinen Mädelsnachmittag gönnen konntest, ohne Dich einzumischen.

Wir wechseln das Thema und quatschen über Gott und die Welt. Ich frage mich immer und immer wieder: Warum? Warum hast Du noch gleich angerufen? Ich dachte der Plan wäre uns aus dem Weg zu gehen, weil ich eine positive Komplikation in Deinem Leben bin, die Du nicht gebrauchen kannst. Das waren Deine Worte – was ist denn daraus bloß geworden? Du kommst auf unsere Lunch-Verabredung zu sprechen und mein Inneres beginnt entspannt aufzuatmen. „Deswegen hat er angerufen!“, sagt mein kleines inneres Sein ein wenig oberlehrerhaft zu mir, „er wollte Dir nur höflich absagen.“ Ja, das klingt plausibel, Glück gehabt, das Leben ist also doch noch stringend logisch. Nur sagst Du leider nicht ab, stattdessen fragst Du
mich nach einem Kaffee. Jetzt. Hier. Mein Inneres warnt mich tadelnd davor, mein armes kleines Herz dieser Folter auszusetzen. Alles geht sehr schnell in meinem Kopf, ich wäge die halbe Stunde das Gefühl  haben nach Hause zu kommen, gegen das Gefühlschaos im Nachhinein ab und versuche eine Entscheidung zu treffen. Ich biete meinem inneren kleinen Sein eine ausgiebige Joggingeinheit im Nachgang an und wir werden uns einig, also sage ich ja.

Du siehst gut aus, ist mein erster Gedanke. Du siehst irgendwie anders aus, aber wirklich gut. Du schenkst mir dieses strahlende, verschmitzte Lächeln, welches sich in Deinen Augen widerspiegelt. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich glauben, dass Du Dich aufrichtig freust mich zu sehen. Aber warum solltest Du?! Du spendierst mir einen Kaffee und wieder habe ich dieses Gefühl, welches ich bei jedem privaten Gespräch mit Dir habe: Für einen Moment ist die Welt in Ordnung, alles fällt von mir ab, ich atme langsam wieder aus. Jedes Mal wieder ein erhabenes Gefühl, wie schaffst Du das bloß? Ich schüttele das Bedürfnis ab, auf Dich einzuprügeln und Dich anzuschreien, ob Du vielleicht irgendwann auch mal merkst, dass uns beide offenbar etwas verbindet. Stattdessen setzen wir uns.

Wir plaudern und Du machst seltsame Andeutungen, die in meinem Kopf eine große Wirkung haben und in der Realität wahrscheinlich nichts bedeuten. Ich versuche zwischen den Zeilen zu lesen, aber ehrlich gesagt verschwimmt alles ständig vor meinem geistigen Auge. Es sind diese diversen Kleinigkeiten, die ich an Dir so anziehend finde und die es mir sehr schwer machen, Dir meine volle Aufmerksamkeit zu schenken. Da sind z. B. Deine Hände. Du hast wunderschöne Hände, lange Finger, die es verstehen sich elegant zu bewegen. Der Gedanke, diese Hände auf meiner Haut zu spüren, kommt mir in den Sinn… Nein, nein, nein, nein, nein. Ganz falsche Richtung!!! Ich wende mich wieder unserem Gesprächsthema zu und versuche mich zu konzentrieren, als mir plötzlich in den Sinn kommt, dass Du tatsächlich ein sehr charismatischer Mann bist… Du wirkst intelligent und eloquent, selbstsicher und vertrauenswürdig. Und dann Deine Stimme, sie klingt sehr markant in meinen Ohren, ich höre sie gerne, zumal ich mittlerweile die Feinheiten in Deiner Kommunikation erkennen kann. Ich kann hören, ob Du gerade nervös bist, über etwas nachdenkst, nach den richtigen Worten suchst, Dich auf sicherem Terrain bewegst… es ist schön, das herauszuhören, es wirkt so vertraut.

Wir beide müssen wieder an die Arbeit. Während wir Richtung Aufzug gehen, sagst Du, du wärst ein einfach gestrickter Typ. Ich kann gar nicht so schnell darüber nachdenken, wie mein kleines, inneres Sein laut und deutlich „nein, bist Du nicht!“ erwidert. Du guckst mich ein wenig verwundert an und verlangst nach einer Erklärung. Nun ja, recht hat es ja. Ich verstehe Deine Gedankengänge tatsächlich nicht. Du wolltest mich aus Deinem Leben streichen, um an Deiner gegenwärtigen Beziehung zu arbeiten. Stattdessen stehen wir jetzt und hier voreinander und Du siehst gar nicht so aus, als würdest Du es schlimm finden. Das überfordert mich, ich verstehe es einfach nicht… zugegeben. Was ich für eine Person bin, fragst Du im Gegenzug. Ich bin eine Herausforderung und dazu stehe ich. Du liebst ja Herausforderungen, sagst Du und ich bin mir nicht sicher, ob das eine überlegte oder spontane Aussage von Dir war. „Naja, diese spezielle auf jeden Fall nicht.“, entgegne ich Dir und bin das erste Mal heute schlichtweg entwaffnend ehrlich zu mir. „Dazu sage ich jetzt besser nichts… nein, dazu sollte ich lieber schweigen.“, antwortest Du mir darauf hin und wir stehen voreinander und verabschieden uns. Du reichst mir die Hand und ich weiß nicht wieso. Jedes Mal, wenn ich Dich berühre – und das kommt sehr selten vor – kann ich fühlen, wie alles in meinem Körper sich anspannt. Auch das ist ein erhabenes Gefühl, wenn auch ein sehr sehr seltenes.

Beim anschließenden Joggen frage ich mich, was dort heute passiert ist… nur bin ich unfähig mir das selber zu erklären. Ich würde alles dafür geben, wenn ich nur verstehen könnte, was genau gerade in Dir vorgeht. Vielleicht finde wir es ja raus, morgen bei unserem Mittagessen. Vielleicht will ich es auch lieber gar nicht wissen. Wieder kommt dieses Gefühl in mir hoch, vor dem ich mich wirklich fürchte: Hoffnung. Die  Hoffnung auf das Happy End, welches es nicht geben wird, das hast Du ja unmißverständlich klar gemacht. Und trotzdem bleibt die Frage: Was bewegt Dich da gerade in Deinem Kopf und vorallem in Deinem Herzen?

Fortsetzung folgt…

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