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Mit fremden Federn geschmückt

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Bis Ende letzter Woche gab es in der Hipster-Welt ein Gesetz, auf das sich alle einigen konnten: Michelle Williams kann nichts, aber auch gar nichts falsch machen. Mit jeder ihrer Rollen zeigt sie, was für eine großartige und mutige Schauspielerin sie ist – immerhin war sie mit 32 Jahren schon drei Mal für den Oscar nominiert. Gleichzeitig scheint Williams auch extrem auf dem Boden geblieben zu sein: Sie lebt als allein erziehende Mutter einer Tochter im coolen New Yorker Stadtviertel Brooklyn und hatte nach dem Tod ihres Lebensgefährten und des Vaters ihrer Tochter Matilda Heath Ledger im Jahr 2008 zwei Beziehungen zu zwei ebenfalls ausgesprochen sympathischen Herren: Spike Jonze und zuletzt Jason Segel.  

Bis Ende letzter Woche war Michelle Williams also so etwas wie die unangefochtene Königin der Großstadt-Hipster. Bis im Internet Bilder eines Fotoshootings auftauchten, das Williams für Jefferson Hacks „AnOther Magazine“ aufgenommen hatte. Für eine Modestrecke stellt sie verschiedene Ikonen der Vergangenheit dar – für Aufregung sorgte allerdings nur ein Foto, auf dem sie mit brauner Zopf-Perücke zu sehen ist, mit dunkel geschminkten Augenschatten, Jeans, Flanell-Hemd und einem schweren Mantel. Experten waren sich sofort einig: Auf dem Bild sei sie, ohne Frage, als Indianerin verkleidet. Und analog zum streng verbotenen Blackface – wenn sich also eine weiße Person das Gesicht in derogativer Absicht schwarz schminkt – sei Michelle Williams' „Redface“ mindestens genauso verwerflich.

Ist Ethno-Look rassistisch?

So schreibt Ruth Hopkins, Autorin und Anwältin für Stammesfragen auf der Website jezebel.com:
„It's a 33 year old white actress hyping her latest Hollywood project by wearing a cheap costume designed to make her look like she's the member of another race. (...) Native is not an occupation. American Indians are an entire race of people. We are living, breathing, human beings, made up of hundreds of separate Tribal groups, each with their own history, culture, language, and often, land base. We're ‘Indian' all day, everyday, and we own our own likenesses. (...) AnOther Magazine and Michelle Williams have made a serious blunder here. The cover should be pulled, and all parties involved owe the American Indian community an apology.“  

Michelle Williams im "AnOther Magazine"

Und auch die Native American Journalist Association gab eine Stellungnahme zu dem Bild ab:

 „In regard to the Michelle Williams photo shoot, anytime a non-native person dresses up as a Native American this leads to problems like:
1. That Native people don’t care about people playing dress up
2. It perpetuates the stereotype that all Native people look like this
3. That Native people do not exist or even comparisons to mythical creatures perpetuates this myth.“    

Wenige Tage nachdem die Vorwürfe gegen Williams und das "AnOther Magazine" laut wurden, gab auch der Verlag ein Statement zu den Bildern ab, der einen rassistischen Subtext der Bilder mit aller Vehemenz zurückwies, und sich betroffen zeigte, wenn irgendjemand die Fotos so interpretieren könnte.

Eine ähnliche Perspektive wie das „AnOther Magazin“ nimmt auch Sabine Resch ein, Studienleiterin im Bereich Modejournalismus an der Münchner AMD Akademie Mode und Design und Dozentin für Modetheorie. Nach ihrer Wahrnehmung ist die Adaption von Trachten und dem Stil anderer Kulturen in der Mode immer liebevoll gemeint. Sie hält die Debatte um Michelle Williams „Redface“ für übertrieben, vor allem auch, weil die Fotos in keinem despektierlichen Zusammenhang zu sehen sind. „Mode hat keine Moral und darf machen, was sie will. Irritierenderweise wird aber immer nur die Kunst in Ruhe gelassen, während die Allgemeinheit, die von Mode nichts versteht, meint, Mode solle einfach nur schön sein und ansonsten den Mund halten.“  

Das umstrittene Bild von Michelle Williams ist in gewisser Hinsicht die Kulmination eines Trends, der amerikanischen Ureinwohnern schon seit einigen Jahren zunehmend auf die Nerven geht: Dass sich vor allem junge Hipster mit Kleidungsstücken schmücken, die einen eindeutigen Bezug zur indianischen Kultur haben. Spätestens seit dem Erfolg von Ke$ha, die einen Großteil ihrer Auftritte mit Indianer-Kopfschmuck absolvierte, ist der Federkopfschmuck auf den Festivals Nordamerikas angekommen. Doch der Schmuck ist für echte Natives eine Beleidigung ihrer Kultur und keine dazu getragene Geisteshaltung kann diesen Affront entkräften. Auch der Trend, Kleider, Unterwäsche und Accessoires mit indianisch anmutenden Mustern zu versehen, hat in den letzten Jahren für Unmut gesorgt. Die Kette „Urban Outfitters“ verlor sogar einen Rechtsstreit mit dem Navajo-Stamm, der die Rechte an dem Namen „Navajo“ innehat. 

Sabine Resch kann die Vehemenz, mit der sich die amerikanischen Ureinwohner gegen eine Vereinnahmung durch Modedesigner wehren, nicht nachvollziehen: „Es kommt immer wieder vor, dass in der Mode gemusterte Stoffe, die bestimmten Ethnien zugeordnet werden, entdeckt und verwendet werden. Ich finde, das tut den ethnischen Gruppen letztendlich gut, dass sie dadurch wahrgenommen werden und möglicherweise auch davon dann leben können. Im Prinzip sei die Vereinnahmung der indianischen Ästhetik nichts anderes als das, was man jedes Jahr auf dem Oktoberfest erlebe: Auch dort dürften die Leute im Prinzip nicht mit den schlecht nachgemachten trachtenähnlichen Klamotten herumlaufen, wenn es nach den Ansichten von Trachtenerhaltungs-Vereinen gehe. Aber kein Mensch fragt die Vereinstrachtler nach ihrer Meinung, bevor er sich eine Billig-Lederhose aus dem Discounter anzieht. 



Text: christina-waechter - Fotos: dpa, AnOther Magazine

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