Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben
Aus der ehemaligen jetzt-Community: Du liest einen Nutzertext aus unserem Archiv.

Jetzt trennt uns das Leben doch...?

Text: flecky
Ich habe die Kassetten noch. Wir beide, mein Keyboard und ein Recorder, diese Kombination versprach immer, lustig zu werden.

Von Zeit zu Zeit nehme ich eine davon in die Hand, gelegentlich stecke ich sie ins Tape Deck meiner Stereoanlage und schmunzle. Wir waren jung und durchgeknallt. Wir konnten nicht singen, aber wir taten es trotzdem. Und irgendwann war auf den Kassetten mehr Quatsch und Gelächter von uns drauf, als Gesang und Musik. 
Unsere gute Laune und Unbekümmertheit trugen wir nach draußen, wir waren nicht nur jung und durchgeknallt - wir waren auch frei. Wir konnten spontan sein. Und es war toll so.

Dann kam die Karriere.

Heute sagst du, der Beruf sei wichtig, es würde eben nicht alles immer so gehen, wie man es sich wünscht. Konsultierst dein Outlook, bevor wir uns treffen können. Schiebst unbezahlte Überstunden zum Wohl der Firma. Und ließt deine Unbekümmertheit irgendwann zwischen deinen Praktika zurück. 

Es ist nicht so, dass ich mich nicht auch verändert hätte. Auch ich begann meine beruflichen Wege. Und ich wurde politisch. Doch, wie sehr wir uns plötzlich unterschieden, wurde immer sichtbarer. Du fliegst mit Aktenkoffer und Charterjet zu deinen Geschäftsterminen, ich fahre mit Laptop-Rucksack und Bahnticket 2. Klasse. Du arbeitest auf dem Weg, ich höre Musik. Du sprichst gerne über das, was du bei Kunden erlebst, selten höre ich dich von Treffen mit Freunden erzählen. Und während ich mich für Datenschutz, ein besseres Bildungssystem und Verkehrspolitik einsetze, quält dich in erster Linie die Frage, ob du gut genug bist und deinen Job im nächsten Jahr noch hast. Im Grunde ja auch verständlich. Vielleicht bin ich auch einfach ein ziemlich großer Junge, der nicht checkt, was ein Erwachsener macht. 
Und dennoch möchte ich mit dir mal wieder richtig um die Häuser ziehen. Wieder lange Gespräche führen, die ernst beginnen und zu später Stunde immer heiterer und ausgelassener werden. Und vor allem möchte ich dich wieder einmal von Herzen lachen sehen. Jetzt trennt uns das Leben doch? Ich glaube, ich werde dir eine Kassette schicken...

Mehr lesen — Aktuelles aus der jetzt-Redaktion: