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Das Ende der Monogamie

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"I'm about 95 percent certain," he says, "that if I'd met Rachel offline, and if I'd never done online dating, I would've married her. At that point in my life, I would've overlooked everything else and done whatever it took to make things work. Did online dating change my perception of permanence? No doubt. When I sensed the breakup coming, I was okay with it. It didn't seem like there was going to be much of a mourning period, where you stare at your wall thinking you're destined to be alone and all that. I was eager to see what else was out there."

Wo steht das?
In dem Artikel „A Million First Dates", der im US-amerikanischen Magazin „The Atlantic" erschienen ist. Geschrieben hat ihn Dan Slater, Autor des Ende Januar erschienenen Buches „Love in the Times of Algorithms", in dem er der Frage nachgeht, wie Online-Dating unsere Beziehungen verändert. Das obige Zitat stammt von einem jungen Mann, den Slater in seinem Text „Jacob" nennt und der von seinen Erfahrungen mit Online-Dating berichtet. Anhand von Jacobs Aussagen und denen von Experten untersucht Slater, ob die Partnersuche im Internet das Ende der Monogamie bedeutet.

Und was steht da sonst noch drin?
Online-Dater Jacob war zu Beginn seiner Online-Dating-Karriere sehr euphorisch. Nachdem er jahrelang Schwierigkeiten gehabt hatte, in der realen Welt Frauen zu finden, ging es im Internet auf einmal ganz leicht. Plötzlich ging er jede Woche mit einer anderen tollen Frau aus. Schon bald war er mit Rachel zusammen, 22 Jahre alt, sehr hübsch, Jacob war glücklich. Und er wusste jetzt auch: Wenn sie sich trennten, würde es ihm nicht schwer fallen, jemand Neuen zu finden. Als Rachel ihn verließ, loggte er sich noch am gleichen Tag wieder auf der Dating-Plattform ein, auf der er auch sie kennengelernt hatte.

 

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

So viele Möglichkeiten! Macht Online-Dating wählerisch oder promiskuitiv?

Die Ausrichtung dieser Plattformen selbst widerspricht dem romantischen Prinzip der Monogamie. Denn sie werben zwar mit dem Versprechen, dass ihre Nutzer dort die Liebe fürs Leben finden – aber rein wirtschaftlich gesehen sind diejenigen die besten Kunden, die immer wieder kommen. Und viele kommen tatsächlich wieder. Die meisten Nutzer seien „return customers", sagt Greg Blatt, der CEO der Dating-Seite Match.com. Dass so viele Partnerbörsen-Nutzer nicht monogam leben, hat einen bestimmten Grund: die große Auswahl an möglichen Partnern. Jacob zum Beispiel hat festgestellt, dass er weniger dazu bereit ist, verbindliche Beziehungen einzugehen, seit er weiß, dass im Internet Millionen potenzielle Dates herumschwirren.

Grag Blatt von Match.com sieht dem möglichen Ende der Monogamie gelassen entgegen. Online-Dating rege einfach dazu an, den Stellenwert von Verbindlichkeit im eigenen Leben zu überdenken. Auch Niccolò Formai, der Leiter des Social-Media-Marketings für die Dating-App Badoo, ist optimistisch. Das Ganze sei einfach ein Effekt der modernen Technologie. „Das Ziel ist immer gewesen, eine höhere Geschwindigkeit zu erreichen. Das wird eben auch mit dem Kennenlernen so sein", zitiert ihn Dan Slater. Für diejenigen, die gerne neue Menschen kennenlernen und für die Verbindlichkeit in Beziehungen keinen großen Stellenwert hat, sind die Plattformen also eine große Erleichterung im Liebesleben. Doch was ist mit denen, die sich binden wollen? Was, fragt Dan Slater, wenn Online-Dating es auch ihnen zu einfach macht, jemand Neues kennenzulernen, so einfach, dass dadurch gleichzeitig die Messlatte für eine gute Beziehung immer höher gelegt wird? Immerhin könnte ein anderer der vielen potentiellen Partner besser sein als der aktuelle. Das birgt die Gefahr der ewigen Unzufriedenheit und Rastlosigkeit. Sehr schön illustriert dieses Phänomen ein Experiment, bei dem einige Probanden gebeten wurden, eine Schokolade aus sechs verschiedenen Sorten auszuwählen, andere hatten die Wahl zwischen 30 Sorten. Den Teilnehmern mit der geringeren Auswahl schmeckte die Schokolade besser.

Es gibt aber auch noch einige, die auf den gesunden Menschenverstand vertrauen und damit dem Kulturpessimismus à la „das Internet zerstört unsere Gemeinschaft" widersprechen. Alex Mehr zum Beispiel, der Mitbegründer der Dating-Seite Zoosk. Er glaubt, dass Online-Dating einfach nur die Barrieren für ein Kennenlernen abbaut, nicht aber den eigenen Geschmack oder das Verhalten während eines ersten Dates beeinflusst. Und auch, ob man der Typ für eine lange, monogame Beziehung oder eher promiskuitiv veranlagt ist, sei, so Mehr, „a personality thing".

Jacob sieht vor allem positive Effekte im Online-Dating. Er glaubt, dass er durch die größere Partnerauswahl weniger Gefahr läuft, zu schnell verbindlich zu werden und sich dadurch an die falsche Person zu binden. Aber er fragt sich auch, wann denn der Punkt kommt, an dem er bereit ist, sich doch zu binden. Denn da draußen sind immer noch so viele schöne, interessante Frauen, die man kennenlernen kann. Das Online-Dating macht es ihm sehr leicht, sie zu entdecken. Aber hält es ihn wirklich davon ab, länger bei einer von ihnen zu bleiben, obwohl er es sich eigentlich wünscht? Hoffnung macht da Eli Finkel, Professor für soziale Psychologie an der Northwestern University in Illinois. Der glaubt nämlich an etwas ganz Simples: ans Glück. Denn: „Happy couples won't be hanging out on dating sites."

Text: nadja-schlueter - Foto: SusannStädter / photocase.com

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