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„Es gab Phasen, in denen mein Herz gebrochen war“

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jetzt.de: Kyla, zuletzt sagtest du, du wärest alles, nur kein Popstar. Wäre dagegen denn so viel einzuwenden?
Kyla la Grange: Ich habe ein sehr vorgefertigtes Bild von einem Popstar. In meiner Vorstellung ist ein Popstar einfach viel bunter und aufgedrehter, als ich es bin. Ich sehe mich nicht mal als Performerin. Nur als Songwriterin.  

Dennoch wirst du immer populärer, immer mehr Menschen interessieren sich für deine Musik und dich als Person - wie für einen Popstar. Macht es dir Angst, berühmter zu werden?
Wenn „berühmter” bedeutet, dass einfach nur mehr Menschen meine Musik kennen und mögen, habe ich natürlich überhaupt keine Angst davor, denn das ist ja ganz wundervoll. Aber wenn „berühmter“ heißt, dass ich plötzlich in irgendwelchen Hochglanzmagazinen erscheine, in denen ich nicht erscheinen will, würde ich es hassen, berühmter zu werden.  


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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Hat vielleicht auch etwas mit den typischen Songwriter-Klischees zu tun: Schüchternheit, Unsicherheit, Selbstzweifel. Zumindest, heißt es, hättest du damit immer wieder zu kämpfen.
Ich denke, dass es diese Klischees aus guten Gründen gibt. Viele Menschen werden zu Songwritern, eben weil sie sehr unsicher sind. Sie sitzen allein in ihrem Zimmer und schreiben Lieder, weil das für sie die einzige Möglichkeit ist, ihre Gefühlslagen ausdrücken.

Und wie ist es bei dir?
Ich glaube, ich werde immer diese leicht melancholische Seite an mir behalten. So funktioniert mein Gehirn nun mal. Aber je älter ich werde, umso lockerer werde ich auch. Umso glücklicher. Wenn man älter wird, lernt man auch, sich selbst etwas mehr zu akzeptieren. Und zwar genau so, wie man eben ist. Ich bin heute ganz sicher nicht mehr so schwermütig, wie ich es als Teenager war.  

Woher kam diese Schwermütigkeit denn schon in Jugendjahren?
Niemand kann wohl genau sagen, warum er so ist, wie er ist. Dafür gibt es immer viele Gründe. Bei mir hatte es, glaube ich, etwas damit zu tun, dass meine Familie nicht aus England kam und ich auf eine Schule für sehr englische Kinder ging. Ich hatte damals das Gefühl, nicht wirklich dazuzugehören, da irgendwie nicht rein zu passen. Mir fiel es deshalb schwerer, mit anderen Kindern Freundschaften zu knüpfen. Das hat mich sicherlich geprägt.

Hast du versucht, etwas gegen deine Schwermut zu tun?
Ja, ich habe geschrieben.

Schon als Kind?
Ja. Ich habe schon früh versucht, mir meine eigene kleine Welt zu schaffen, in dem ich Geschichten geschrieben oder sie einfach aufgemalt habe.  

Was waren das für Geschichten?
So Fantasy-Sachen, ganz verwunschen. In die Herr-der-Ringe-Richtung gehend. Ich habe sie ausschließlich für mich geschrieben.  

Und wann entstanden daraus Songs?
Ich war 12, als ich anfing, Songs zu schreiben. Wirklich ambitioniert habe ich das aber erst mit 15 gemacht. Dann habe ich die Texte richtig ausformulieren und zu Ende schreiben können.  

Waren diese Songs schon so düster und dramatisch wie deine heutigen Lieder?
Die waren noch viel dramatischer! Sie waren schrecklich (lacht). Einer meiner allerersten Songs hieß „Poison“. Das allein sagt schon viel.

Was hat dich am Drama fasziniert?
Als Teenager glaubt man ja oft, dass sich niemand auf der Welt so fühlt, wie man selbst. Das stimmt natürlich nicht. Aber damals fühlte es sich einfach gut an, die eigenen Emotionen mal ganz rauszulassen und auf den Punkt genau auszudrücken.

Hat es dich viel Mut gekostet, diese Songs irgendwann anderen vorzusingen?
 Das habe ich erst viel später gemacht, mit 19 oder 20, als ich angefangen habe, zu studieren. An der Uni hatte jeder jederzeit die Möglichkeit, aufzutreten. Man musste sich nur irgendwo eintragen und konnte seine Songs auf kleinen Bühnen präsentieren. Ich habe mich das wohl auch deshalb schnell getraut, weil mich ja erstmal fast keiner kannte. Ich wäre viel ängstlicher gewesen, wenn ich vor Leuten gesungen hätte, die mir nahe stehen.  

Wie waren die Reaktionen der Kommilitonen?
Ich glaube, man hat mich einfach ignoriert (lacht).  

Wirklich?
Na ja, man muss bedenken, dass alle, die damals dort auftraten, noch ganz am Anfang standen. Wir waren alle noch nicht wirklich weit gekommen mit dem, was wir da machten. Ehrlich gesagt: wir waren alle sehr schlecht. Wir lernten noch. Aber es war trotzdem immer schön, wenn jemand etwas vorspielte oder sang. Irgendwie ungezwungen. Wohl auch, weil niemand im Publikum etwas Tolles erwartete.  

Und wann hast du bemerkt, dass dieses Publikum mag, was du machst?
Ich glaube, der erste gute Song, den ich geschrieben habe, war „Vampire Smile“. Zuerst waren es Freunde, die mir sagten, er wäre gut. Später auch Fremde. Und irgendwann habe auch ich gemerkt, dass der Song anders war als das, was ich vorher geschrieben hatte.  

Bald wurde er sogar vom Publikum mitgesungen…
Ein unfassbares Gefühl! Wirklich schön. Vor allem, weil die Leute nicht nur mitsangen, sondern auch eine eigene Verbindung zum Song aufzubauen schienen.  

Konntest du dadurch vielleicht auch leichter Verbindungen zu Leuten aufbauen? Warst du in der Uni schon eher in Gesellschaft als in der Schule?
Ich habe die Uni geliebt! Das waren die drei glücklichsten Jahre meines Lebens. Ich habe die besten Freunde gefunden, die ich bis heute habe, und mich zum ersten Mal gefühlt, als dürfte ich endlich ganz ich selbst sein. Ich habe es wirklich genossen.

Und das Studium selbst? Du hast in Cambridge Philosophie studiert. Haben sich deine Erwartungen daran erfüllt?
Mehr noch, das Fach hat mich total ausgefüllt. Ich fand es wahnsinnig interessant. Jede Woche haben wir ein Thema bekommen, über das wir schreiben sollten, und ich habe immer richtig darauf hingefiebert, bis es bekannt gegeben wurde. Ich war natürlich auch immer richtig gespannt, als wir unsere Aufsätze später zurückbekamen.  

Hat dich die Studentenzeit generell zu einem weniger melancholischen Menschen gemacht?
Es war zwar eine wirklich schön Zeit und die Uni ein toller Ort für mich. Aber ich hatte auch in diesen Jahren meine Aufs und Abs. Es gab Phasen, in denen mein Herz gebrochen war, in denen ich ängstlich war. Wie jeder andere hatte ich Momente, in denen ich mich einfach sehr allein gefühlt habe.  

Was hast du dann gemacht? Wieder geschrieben?
Ja, das half immer. Es musste dabei ja auch nicht ständig ein Song entstehen. Ich habe mich einfach immer ein Stückweit besser gefühlt, wenn ich etwas aufgeschrieben habe. Wenn ich ein bisschen Traurigkeit rausgelassen habe.

„Ashes“ von Kyla La Grange ist im Januar erschienen.

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