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Rap Review Rendezvous - neue Platten mit Megaloh

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In dieser Kolumne geht es um einen Dialog. Um ein Zwiegespräch zwischen Redakteur und Rapper. Und kaum einem MC wird für 2013 von dermaßen vielen Seiten das gereimte Wort erteilt, wie Megaloh aus Berlin-Moabit. Schon mit seinen ersten musikalischen Lebenszeichen wie „Reim geschäftlich“ hat er sich in HipHop-Kreisen einen Namen gemacht und ließ Großes erwarten. Bis heute ist er den ganz großen Beweis an sein unumstrittenes Können schuldig geblieben, doch mit seinem neuen Album „Endlich unendlich“ im Gepäck, einem Label wie Nesola und Universal als Vertriebspartner im Rücken sowie prominenten Fürsprechern wie Samy Deluxe und Max Herre müsste es schon mit dem Teufel zugehen, wenn 2013 nicht Megalohs Jahr wird.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

jetzt.de: Wie hat dir die Platte gefallen?

Megaloh: Ich finde die gut. Der Typ macht ja schon recht lange Musik, hat auch mit Leuten wie Pete Rock zusammengearbeitet, aber so richtig habe ich den erst seit seinem letzten Album „Marcberg“ von 2010 auf dem Zettel. Am Anfang war der mir ja ein bisschen zu laid back, aber der zeichnet schon miese Bilder in seinen Texten – mittlerweile feiere ich den. Der macht ja auch alle seine Beats selber, oder?

Auf seinem ersten Album war das noch so. Für seine aktuelle Platte hat er auch ein paar Beats von Leuten wie Alchemist oder Q-Tip gepickt.

Ja, das hört man – und das gefällt mir deutlich besser. Roc Marciano hat ja einen sehr eigenen Style in Bezug auf seine Produktionen. Und diese neue Vielfalt ist eine musikalische Aufwertung zum Vorgänger.

Worauf achtest du denn vor allem, wenn du Beats pickst?

Eigenständigkeit ist das A und O. Es sollte nie nach jemand anderem klingen. Außerdem ist es mir als altem Boom-Bapper wichtig, dass die Drums schön knallen und es eine anständige Bassline gibt.

Roc Marciano wird von vielen Leuten als Fackelträger des alten New Yorker East-Coast-Raps verstanden. Verortest du ihn auch in der entsprechenden Tradition?

Ja, die Tradition führt er schon weiter, aber als Fackelträger würde ich ihn nicht bezeichnen – dafür spittet er mir nicht krass genug, ist seine Delivery zu speziell. Der positioniert sich eher als Zen-Meister, der es nicht mehr nötig hat, noch viele Styles auszupacken und richtig Welle zu machen. Mir fehlt da ein bisschen das Feuer.

Mit „Nine Spray“ gibt es eine Adaption des Jeru-the-Damaja-Klassikers „My Mind Spray“ auf der Platte. Gelungen oder eher nicht?

Ich muss sagen, dass Jeru ein bisschen an mir vorbeigegangen ist. Ich bin damals bei Snoop Dogg und N.W.A. eingestiegen und von dort aus direkt weiter zu Wu-Tang – da habe ich Jeru irgendwie übersprungen. Jeru ist mir vom Style auch ein kleines bisschen zu hölzern. Aber dieser „Nine Spray“-Beat ist echt killer!

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Bist du ein Outkast-Fan?

Ja, seit deren ersten Album „Southernplayalisticadillacmuzik“ von 1994. Mittlerweile sind die mir allerdings ein kleines bisschen zu abgedreht. Bis zum dritten Album „Aquemini“ habe ich die gefeiert, aber als dann deren geteiltes Doppelalbum „Speakerboxxx/The Love Below“ rauskam, war mir das zu abgespacet. Das sind einfach Crazy Motherfuckers.

Inwiefern stellt dich, als Anhänger der alten Outkast-Sachen, so ein Soloalbum eines Outkast-Mitglieds zufrieden?

Ach, es geht so. Mich stören vor allem der viele Gesang und die Indierock-Einflüsse. Auf der Platte gibt es für meinen Geschmack zu wenig Rap. Ein bisschen mehr Härte hätte dem Album gut getan.

 Big Boi hätte nicht nur gerne André 3000 mit auf der Platte gehabt, sondern auch Leute wie Kate Bush oder Terry Riley. Meinst du, die hätten dem Album gut getan?

Kate Bush wäre krass gewesen – etwas für Feinschmecker. Und ein Song mit André hätte bestimmt auch nicht geschadet. Dafür hätte man einen der anderen Song wie „She Hates Me“ ruhig weglassen können.

Stattdessen sind Rapper wie T.I., Ludacris und KidCudi dabei, genauso wie Leute wie Kelly Rowland oder Little Dragon. Ist dir eines der Features besonders aufgestoßen oder positiv hängen geblieben? Ludacris ist auf dem Track „In The A“ nicht schlecht, aber Big Boi und T.I. präsentieren sich darauf so stark, dass Ludacris echt der schlechteste ist. KidCudi geht mir in „She Hates Me“ auf den Sack, Kelly Roland nervt mich voll und Little Dragon find ich auch nicht so geil.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Anlass für die Veröffentlichung war der angekündigte Weltuntergang am 21.12.12, der nicht stattgefunden hat. In Anbetracht der Tatsache, dass dieser Tag nun vorbei ist: Wie beurteilst du das inhaltliche Konzept des Albums?

Ich hab das gar nicht so sehr auf den Weltuntergang bezogen, sondern hatte eher den Eindruck, dass Samy damit den Zeitgeist einfangen und darauf einwirken wollte. Und ich finde es mutig und gut und wichtig, dass er das gemacht hat.

Samy benutzt auf der Platte viel Auto-Tune. Wie stehst du dazu?

Daran scheiden sich die Geister und ich fürchte, dass viele Leute ein Problem damit haben. Mag sogar sein, dass Samy sich damit ein bisschen was verbaut hat. Aber ich sehe die Platte ein bisschen wie Kanyes „808s & Heartbreaks“ – das konnte man eigentlich nicht haten, weil eben jemand dahinter steckt, der Ahnung von Musik hat. Insofern gebe ich Samy für das, was er da auf die Beine gestellt hat, uneingeschränkt Respekt.

Du bist selbst auf der Platte vertreten. Musstest du lange überlegen, als Samy dich gefragt hat?

Natürlich nicht. Samy braucht bloß zu sagen, dass er mich für einen Track haben möchte, und dann bin ich am Start. Wir haben ja bereits 2006 auf meinem „Reim geschäftlich”-Album mit KD Supier zusammengearbeitet, auf dem er einen Mörder-Verse gedroppt hat. Mit Samy arbeite ich immer gerne zusammen, und da wird in Zukunft auch noch ein bisschen was kommen.

Auf deinem neuen Album „Endlich unendlich” wird es ebenfalls ein Feature mit Samy geben. Gefällt dir Samy als Rapper oder als Sänger besser?

Ich persönlich feiere Sam tatsächlich etwas mehr als Rapper. Aber im Gegensatz zu vielen anderen MCs hat Samy eben auch ganz starke Gesangs-Qualitäten, was ihm natürlich ganz andere musikalische Möglichkeiten eröffnet.

Samy hat gesagt, dieses Album sei textlich gesehen seine bisher beste Platte. Hast du eine Ahnung, woran er das festmacht?

Er hat auf dem Album einfach wichtige Sachen gesagt. Das war in der Vergangenheit zwar auch schon so, aber da hat er manchmal auch einfach geflext. Dieses Mal hat er sich vor allem auf den Inhalt konzentriert, und dieser Ansatz ist aufgegangen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Deine generelle Meinung zu Game?

Der schafft es immer wieder, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Namedropping ist sein Style: Game, der Läster-Rapper. Und jetzt einen auf Jesus zu machen ist natürlich ein mieser Move. Was man ihm aber lassen muss: Game hat immer eine krasse Beat-Wahl. Da gibt es stets nur wenige Ausfälle.

Auf der Platte setzt Game sich mit dem Zwiespalt zwischen seinem Leben als Gangster und seinem Glauben an Gott auseinander. Was hältst du von dem thematischen Konzept?

Damit hat er sicherlich nicht das Rad neu erfunden, aber das ist ein authentisches und ehrliches Konzept. Denn das ganze Gangster-Ding nur zu glorifizieren, ohne es zu hinterfragen, das halte ich für fake. Das muss nicht zwangsläufig über den Glauben zu Gott gehen, aber irgendeinen Anker brauchen die meisten. Mann muss bloß aufpassen bei der Umsetzung: Das Gott-Thema kann schnell anstrengend werden.

Besitzt das Thema „Glaube” in deinem Leben eine Relevanz?

Ja, aber ich setze Glauben nicht mit Religion gleich. Religion ist für mich persönlich häufig eine Limitierung, obwohl in jeder Religion sicherlich auch etwas Gutes steckt; essenzielle Wahrheiten, die man sich da rausziehen kann. Glaube aber führt zu Wissen, wenn man Glauben nicht, wie in der Religion, als Akzeptieren von Grundsätzen versteht, sondern als Basis dafür, Fragen zu stellen und zu forschen.

Auf dem Album gibt es nur einen einzigen Song, der ohne Features auskommt. Tut das der Platte gut oder ist dir das zu wenig Game?

Ein Album sollte nie mehr Feature- als Solo-Tracks aufweisen, sonst verwässert man seinen eigenen Output. Ich kann ihn aber insofern verstehen, als dass er eine sehr tiefe Stimme hat, was schnell monoton wirken kann – ich habe ja ein ähnliches Problem. Insofern sind Features natürlich ein Mittel, um mehr stimmliche Klangfarben reinzubringen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Über Sinn und Nutzen von Best-Of-Alben kann man vortrefflich streiten. Wie stehst du dazu?

Wenn man den Erfolg hat und einen entsprechenden Back-Katalog vorweisen kann, finde ich das durchaus legitim. Vielleicht bekommt man dadurch sogar noch Leute geködert, die die regulären Alben nicht im Schrank haben. Und wirtschaftlich macht es natürlich auch Sinn, weil der Aufwand überschaubar ist.

 

Was hältst du von Sido?

Ich finde, er hat auch eine gute Entwicklung gemacht. Er ist über die Jahre als Rapper besser geworden, hat sich aber auch inhaltlich gesteigert.

 

Sido wird medial ja nicht mehr nur als Rapper wahrgenommen, sondern ist mittlerweile auch mit allem drum und dran in den Boulevardmedien zuhause. Findest du das gut, weil Rap dadurch in Ecken gelangt, wo er sonst nicht zu finden wäre oder schlecht, weil es HipHop in den Dreck zieht?

Ein Problem sehe ich vor allem darin, dass Rap von besagten Medien immer nur einseitig beleuchtet wird. Die Szene selbst wird ja von den unterschiedlichsten Charakteren vorangetrieben und präsentiert, in den Mainstream-Medien findet ein Großteil davon aber nicht statt. Dadurch steht HipHop in der breiten Masse meist in einem schlechten Licht, und das finde ich schade.

 

Hast du selbst ein bisschen Angst davor, dass es bei dir ähnlich laufen könnte?

Ich wüsste nicht, was da groß über mich geschrieben stehen sollte. Aber klar: Wenn du Platten veröffentlichst, musst du dir darüber im Klaren sein, dass es Leute geben wird, die darauf reagieren. In Zeiten des Internets kann man dem ja kaum entgehen, da sagt jeder seine Meinung – vor allem diejenigen, die dein Zeug nicht so feiern. Da muss man durch.

 

Hast du einen Sido-Lieblingstrack?

Ich höre nur wenig Deutsch-Rap, aber Sidos „Mein Block” habe ich damals gefeiert. Die Idee war super, das war smart umgesetzt. Beim Videodreh zu „Fuffies im Club” war ich übrigens dabei. Aber man sieht mich leider nicht. Spaß gemacht hat es aber trotzdem. Danke noch mal!

Megalohs aktuelle Album-Top-5:

 

Grafh – Autografh

Der spittet jeden einzelnen Song einfach gnadenlos kaputt.

 

Kendrick Lamar – Good Kid, m.A.A.d City

Ich habe ein bisschen gebraucht, bis der so richtig bei mir angekommen ist. Aber das Album ist wirklich Bombe. Das ist aus einem musikalischen Guss und Kendrick zeigt total viele Facetten. Die Platte ist sogar für Leute zugänglich, die sonst keinen Rap hören. Die ist weich, ohne weich zu sein.

 

A$sap Rocky – Long.Live.A$ap

Das hat mir auf Anhieb gefallen, obwohl mich der Name erst abgeschreckt hat – ich dachte, das wäre noch so ein Hipster-Rapper. Aber der kann auf jeden Fall spitten und pickt die richtigen Beats. Mal schauen, wie der sich weiterentwickelt. 

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Illustration: Julia Schubert

Nas – Life Is Good

Ich bin kein übertriebener Nas-Fan, aber für dieses Album muss ich ihm wirklich Respekt geben. Damit hat er wieder an alte „Illmatic”-Zeiten angeknüpft.

 

T.I. – Trouble Man

Von seinen letzten Alben war ich ein bisschen enttäuscht, aber dieses Album ist wieder geil. Das ist nach wie vor ein sehr guter Rapper.

Megalohs Alltime-Album-Top-6:

 

Jay-Z – Reasonable Doubt

Auf „Reasonable Doubt” hört man einfach, wie Jay-Z damals gebrannt hat. Ein sehr dichtes, geil geschriebenes Album!

 

Jay-Z – Blueprint

Auf „Reasonable Doubt” hört man an Jay-Zs Flow noch die Einflüsse von Leuten wie AZ heraus. Auf „Blueprint” hat er längst zu seiner unnachahmlichen Eigenständigkeit gefunden.

 

Sean Price – Monkey Barz

Den Typ feiere ich nach wie vor, auch wenn mich sein letztes Album ein bisschen enttäuscht hat.

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Illustration: Julia Schubert

Iam – L’Ècole Du Micro D’Argent

Eines meiner meistgehörten Rap-Alben. Das lief bei mir jahrelang auf Rotation.

 

Snoop Dogg – Doggystyle

Die Platte, die mich auf den Rap-Film gebracht hat. Das Album hat für immer seinen heiligen Platz in meinem Plattenregal.

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