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„Kreativität muss man sich erarbeiten“

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jetzt.de: Du hast in Hamburg Regie studiert. Schauspielerin bist du eher zufällig geworden, oder?
Anna Bederke: Ja, das stimmt. Das fühlt sich für mich auch immer noch wahnsinnig neu an. Als Fatih Akin mir damals eine Rolle in „Soul Kitchen“ anbot, habe ich das einfach gemacht, aber natürlich nicht sofort als berufliche Option in Betracht gezogen. Das kam erst nach meinem zweiten „Tatort“, den ich im letzten Jahr mit Mathias Glasner gedreht habe.  

Da hast du dann Blut geleckt.
Genau. Bis dahin habe ich einfach Glück gehabt. Ich sehe ja auch an meinen Schauspielfreunden, wie schwer das ist. Schauspieler gibt es wie Sand am Meer, aber nur die wenigsten können davon leben.  

Wie stehst du dazu, wenn man eine Rolle nur des Geldes wegen annimmt?
Ich finde das vollkommen okay. Manch einer muss eben auch eine Familie ernähren. Es kommt eben immer darauf an, mit welchem Ansatz man die Dinge verfolgt.

Es sieht zwar nicht danach aus: Aber was machst du, wenn du nächstes Jahr keine Rollenangebote mehr bekommst?
Bisher habe ich viel Glück gehabt. Wenn mich das irgendwann verlässt, muss ich mir was anderes überlegen.  

Macht dich diese Unsicherheit manchmal nervös?
Klar. Aber das kennt wahrscheinlich jeder, der selbständig arbeitet. Das ist der Preis, den man dafür zahlt, nicht jeden Tag ins Büro rennen zu müssen. Manchmal macht mir das auch Angst. Aber ich weiß eben, wofür ich das mache. Ich bin frei. Und damit kann ich sehr gut leben.  

Arbeitest du denn nach wie vor an eigenem Material?
Ich arbeite immer an irgendwas.  

Nervt es dich denn nicht, diese Sachen aufgrund deiner schauspielerischen Verpflichtungen gerade nicht fertig zu bekommen?
Nein. Diese anderen Dinge machen mir ja genauso viel Spaß. Ich mache einfach Sachen, die ich gut finde. Es ist schade, dass das so ungewöhnlich ist.  

Woran liegt das denn?
Gute Frage. Mir ist es am wichtigsten, dass ich Bock auf die Sachen habe, die mache. Ich habe kein Bedürfnis nach einer Karriere. 

 Hast du dir eine Deadline gesetzt, bis wann du deinen ersten Spielfilm als Regisseurin abgedreht haben willst?
Ich bin jetzt 31. Bis zu meinem 50. Geburtstag hätte ich gerne einen im Kasten. Aber bis dahin ist noch jede Menge Zeit. Ich empfinde das Schreiben zwischendurch auch als wahnsinnig anstrengend.  

Das Problem bei diesen Kreativberufen ist eben auch: Ideen kann man nicht erzwingen.
Das sehe ich anders. Man kann sich Kreativität durchaus erarbeiten. Ich kenne viele kreative Leute. Aber diejenigen, die mit ihrem Kram erfolgreich sind, sind nicht unbedingt die talentiertesten, sondern diejenigen, die sich dafür den Arsch aufreißen. Kreativität hat viel mit Disziplin zu tun.  

Kannst du das Gefühl beschreiben, das du beim Schauspielen empfindest?
Das ist wie Kind sein. Dir wird eine schöne Kulisse gebaut, alles sieht gut aus, und dann darf man sich in diese Welt begeben und spielen. Das gibt mir ein Gefühl von Geborgenheit.  

Wie sähe denn deine berufliche Traumvorstellung aus?
Ganz ehrlich? Genau so. Vielleicht in allen Bereichen ein bisschen erfolgreich sein, sodass man von nichts abhängig ist.  

Das klingt fast, als hättest du ein bisschen Angst vor dem Erfolg.
Ich sehe halt auch, wie ätzend das ist, wenn die Normalität flöten geht und man sich ständig exponieren muss. Furchtbar. Die Privatleben der Leute interessieren mich nicht.  

Du findest es nicht spannend, den Menschen hinter einem Schauspieler oder Regisseur kennenzulernen? Mich interessiert deren Blick auf die Welt, aber nicht deren Privatleben. Das Werk spricht für sich. Wenn ich einen Lars-von-Trier-Film sehe, kann ich mir natürlich ein bisschen was zu ihm vorstellen, aber das reicht mir völlig. Der ist ja nicht mein Buddy. Ich muss nicht wissen, wie der im Alltag tickt.  

Du hast mal gesagt, dass du nur saisonal Ehrgeiz hättest. Woran liegt das?
Perfektionismus bremst eben auch und macht einen wahnsinnig kritisch. Das bringt mich sehr schnell aus dem Flow heraus. Ich mag es viel mehr, so intuitiv wie möglich an die Dinge heranzugehen. Ein bisschen Perfektionismus ist gut, aber zu viel ist schädlich. 

Momentan bist du als lesbische Schwester von Matthias Schweighöfer im Film „Schlussmacher“ zu sehen. Worin lag der Reiz?
Das war eine tolle Abwechslung zur aufreibenden Arbeit am „Tatort“, den ich kurz vorher gedreht habe. Auch Matthias und Milan Peschel waren wichtige Gründe, warum ich den Film machen wollte. Beide sind toll! Außerdem ist das meine erste richtige Komödie, und das war definitiv eine Herausforderung. Ich find mich selbst ja eigentlich schon sehr witzig, aber das ist irgendwie nicht das gleiche (lacht).  

Matthias spielt in dem Film einen Typen, der im Auftrag anderer mit deren Partnern Schluss macht. Wie würdest du reagieren, wenn dir das passieren würde?
Ich würde ganz stark an mir und meiner Menschenkenntnis zweifeln und mich maßlos darüber ärgern, mit was für einem Schwachmaten ich offensichtlich meine Zeit vergeudet habe.  

Hältst du das Schlussmach-Konzept für erfolgversprechend?
Nein. Das wäre sonst ein weiteres Armutszeugnis für die Menschheit.

Text: daniel-schieferdecker - Foto: Getty

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