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Aus dem Leben einer Opernsängerin

Text: Begunje62
Das Warten hatte ich- glaube ich- ja schon angesprochen. Diesmal hat das Warten allerdings ein vollkommen neue Dimension angenommen. Seit August bin ich nämlich keine Sopranistin mehr. Ich bin jetzt eine Mezzosopranistin (fast wider Willen). Weil die Rollen, die ich gerne singe und die mir stimmlich und charakterlich gut stehen, eben heutzutage von Mezzosopranistinnen gesungen werden. Obwohl in den Noten nichts davon steht, weil zu Mozarts oder Händels Zeiten der Begriff "Mezzosopran" noch gar nicht existierte. Eine Dorabella oder ein Sesto oder ein Cherubino war eben ein Sopran, der sich in der Mitte und Tiefe wohl fühlte, aber auch hohe Noten meistern konnte. Heutzutage heissen solche Stimmen eben Mezzosoprane. Und ich bin jetzt eine davon.
Das klingt jetzt so, als wollte ich das gar nicht sein, doch das ist ein Irrtum- ich wollte eigentlich schon immer dieses "Zwischenfach" bekleiden und bin wirklich froh, dass ich endlich dort angekommen bin. Aber deswegen alles aufgeben, was ich als Sopran gesungen habe, das finde ich doch etwas zu viel verlangt. Doch so ist das. Bei einem Vorsingen, meinem ersten als "Mezzo" wurde ich von 6 verschiedenen Intendanten, Agenten, Dirigenten... gefragt, ob die Traviata in meinem Lebenslauf kein Druckfehler sei. Bitte? Nein, es gibt niemanden, der sowohl Violetta als auch Sesto singt. Ich fürchte das verstehe ich nicht. Ich tu' doch genau das und bin dabei glücklich. Aber so ist das, ich fühle mich nun, als müsste ich mir meinen Sopranteil absägen und ihn in einem Eichensarg begraben. Denn ich fürchte für eine Rebellin ist in diesem Business kein Platz. Lieber alles verschweigen was man zwar kann, was aber nicht in das Rollenbild der Agenten und Intendanten passt- also Traviatas an Staatsopern, Kinder zu Hause und bald dann auch noch mein wahres Alter.
WARUM tut man sich das dann überhaupt an? Tja, und da kommen wir wieder zum Warten. Warten ist nämlich auch immer ein bisschen Hoffen. Hoffen, dass man doch irgendwann in seiner Einzigartigkeit angenommen wird. Denn das Schlimmste ist ja, ich liebe das was ich tue. Oder das was ich tun würde, wenn man mich liesse. Im Moment studiere ich mir all die Rollen an, die ich früher als Sopran meiden sollte, weil sie ja für Mezzos sind. Manchmal bin ich selbst verwirrt. Und frage mich, wer mich eigentlich dazu zwingt, das alles zu tun. Ohne Bezahlung (meistens). Und die Antwort ist: ich könnte ohne all das noch weniger leben. Weil Musik und Bühne einfach für mich das lebenswerteste sind, was es gibt.




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