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„Please stop writing about MY culture“

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Abgestrichen:
Brian “B.Dot” Miller, who is black, and an editor at "Rap Radar", took Sargent to task directly, tweeting at him to “please stop writing about MY culture,” bemoaning “cultural tourists writing about the music of MY culture” and “outsiders like yourself in hipster media that get a hard-on by overanalyzing black music.”

Wo steht das?
Auf der Internetseite des amerikanischen Magazins „The New Republic“ hat Dave Bry am 8. Januar den Artikel Is It OK for White Music Critics to Like Violent Rap? veröffentlicht. Er greift darin eine Netzdiskussion auf, die durch Kritiken zum neuen Album von Rapper Chief Keef ausgelöst wurden. Der Steitpunkt: Weiße Journalisten finden „schwarze“ Musik gut.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Chief Keef ist wohl einer der erfolgreichsten und gleichzeitig umstrittensten Rap-Newcomer.

Wo ist das Problem?
Keith Cozart alias Chief Keef ist 17 Jahre alt und ein erfolgreicher Rap-Newcomer aus Chicago. Nachdem er im letzten Jahr zwei Monate unter Hausarrest stand, weil er eine Waffe auf einen Polizisten gerichtet hatte, unterschrieb er einen Drei-Millionen-Dollar-Plattenvertrag. Im Dezember kam seine neue CD „Finally Rich“ heraus und wurde kontrovers diskutiert.

Jonathan Landrum von der New Yorker Presseagentur AP schrieb, das Album sei absolut schlecht und kaum zu ertragen. Doch neben den gewohnten negativen Reaktionen auf Chief Keefs „Violent Rap“, der als waffenverherrlichend gilt,  gab es auch einige positive Stimmen. Dave Bry zitiert Musikjournalisten, die das Album „schonungslos wirksam“ nennen und von Keefs „einmaligen musischen Fähigkeiten“ sprechen. Andrew Nosnitsky, bekannt als „Noz“ und Gründer des Musikblogs „Cocain Blunts“, setze Chief Keefs Track „Don’t Like“ auf Platz drei seiner Singles-des-Jahres-Liste.

Es waren gute Kritiken wie diese, die im Internet den Kulturstreit auslösten. Doch es ging dabei nicht um konservative Stimmen, die sich über die gewaltverherrlichenden Texte aufregten. Es waren afroamerikanische Autoren, Blogger oder Twitterer, die sich darüber beschwerten, dass weiße Kritiker über ihre Musik schreiben und sie auch noch gut finden. Brian Miller, ein Autor des Blogs „Rap Radar“ twitterte an einen Journalisten: „Bitte hör auf über MEINE Kultur zu schreiben“ und bezeichnete ihn als einen „Außenseiter (...) aus den Hipster Medien, die einen Steifen kriegen wenn sie schwarze Musik überanalysieren“.

Muss man sich also nach seiner Farbe und Kultur richten, wenn es darum geht, welche Musik man mag beziehungsweise mögen darf? Oder gibt es die Kunst, die frei ist von moralischen Verständnissen, gesellschaftlichen Ansichten und politischen Zwecken?

Die afroamerikanische Bloggerin Judnikki spricht sich zwar für die Amoralität der Kunst aus, bringt die Diskussion aber gleichzeitig auf eine höhere Ebende und versucht, ihren Ursprung klar zu machen: In einer rassistischen Gesellschaft ist eine Entmoralisierung der Kunst nicht möglich.

Auf Twitter erklärt sie, dass das Gefühl des Besitzanspruches auf die „schwarzen Kultur“ daher komme, dass sie von den Weißen so lange nicht beachtet und in eine Schublade gesteckt wurde. Diese Musik frei von einer Agenda zu hören, sei nicht möglich, weil die afroamerikanische Bevölkerung in den Augen der meisten Weißen immer noch eins sei. Eine Einheit. Alle gleich.

Judnikkis Argumentation übt Kritik daran, dass Afroamerikaner oft immer noch als entindividualisierte außenstehende Gruppe gesehen werden. Der Umkehrschluss ist, dass sie wiederum die Weißen als "Außenseiter" sehen und sich und ihre Kultur von ihnen abgrenzen und vor ihnen verteidigen.

Sie sagt, wenn ein weißer Journalist über einen jungen schwarzen Rapper wie Chief Keef schreibt, fühlt auch sie sich angesprochen, denn es gibt immer diejenigen, die damit seine ganze Generation gleichsetzten: „But in America, no matter how hard I try, someone is ALWAYS judgin based on my skin and when the Chief Keef’s appear Ppl are thinking OMG look at what yrs of oppression and semoralization have done to a group. They think: niggers. Animals.“

Die Tweets von Judnikki lassen einen betroffen, aber auch ratlos zurück. Sie erklärt, woher der Streit vielleicht kommt, aber nicht, was man konkret dagegen tun kann. Weiter über Rapper wie Chief Keef schreiben? Nicht mehr schreiben? Die Frage ist nicht neu. NOZ twittert: "i remember having the same debates about lil wayne in 2005 that we're having about chief keef today. probably with the same people too."

Er mag damit noch nicht einmal falsch liegen. Doch auch, wenn die Frage schon gestellt wurde, ist sie immer noch nicht beantwortet. Denn wer dachte, dass wir längst in einer Gesellschaft leben, in der jeder über jedes Themen und jede Musik schreiben darf und zwar so, wie er will, der hat sich anscheinend getäuscht. Oder erhalten wir die Diskussion womöglich nur dadurch künstlich am Leben, indem wir zulassen, dass sie immer und immer wieder geführt wird?

Judnikki wendet sich mit ihrem letzten Tweet direkt an den Blogger NOZ. Ihr Vorschlag zur Lösung: „Teach your Kids to change this world“.


Text: teresa-fries - Screenshot: YouTube

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