Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Doch, du bist Rassist.

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Logan Smith, 25, lebt in Columbia im US-Bundesstaat South Carolina. Er hat Journalismus studiert und bei einem Fernsehsender in Columbia gearbeitet, bevor er das Online-Magazin "Palmetto Public Record" gegründet hat. Nebenbei macht er mit seinem Twitter-Account @YesYoureRacist auf den Alltagsrassismus in den USA aufmerksam.  

Ganz neu ist Logans Idee nicht, rassistische Äußerungen in den sozialen Netzwerken werden schon länger auf „Notracistbut“ und der deutschen Version „Ichbinkeinrassistaber“ gesammelt. Logan Smith macht das aber besonders charmant, indem er einfach Twitter-Posts, die mit „I'm not racist, but...“ beginnen, an seine mehr als 17.000 Follower (Stand: 14.1.2013) sendet. Das ist amüsant zu lesen, aber auch erschreckend, wenn man verfolgt, wie viele Tweets dabei zusammenkommen. „I'm not racist but ni**er is hilarious to say“ und „im not racist, but its funny when you go to a black guys facebook page n look at there places they worked..#lolol“ gehören noch zu den harmloseren. Im Interview spricht Logan über sein Projekt und den Alltagsrassismus in den USA.
   

jetzt.de: Logan, wann hast du begonnen als @YesYoureRacist rassistische Twitter-Posts zu retweeten?
Logan Smith: Das war Anfang Oktober 2012. Ich fand die Idee einfach toll, mehr war da zunächst nicht dahinter. Zwischen diesem Gedanken und meinem ersten Retweet lag nur eine halbe Stunde.  

Hast du damals Webseiten wie „Notracistbut.com“ gekannt oder genutzt?
Gekannt oder genutzt habe ich die Seiten nicht, aber mir war klar, dass ich nicht der erste bin, der in den sozialen Medien auf „not racist but“-Statements aufmerksam macht. Irgendwie kommt mein Projekt gut an, während andere gescheitert sind oder aufgegeben haben.  

Du hast dein Projekt mitten in Obamas Wahlkampf begonnen. Wie hängt der mit deinem Projekt zusammen?
Aus irgendeinem Grund glauben viele Leute, dass die Wahl von Präsident Obama bedeutet, dass wir in einer post-rassistischen Gesellschaft leben, dass die Hautfarbe in den USA keine Rolle mehr spielt. Mein Projekt soll zeigen, dass die Idee eines postrassistischen Amerikas nur ein Märchen ist.

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Die Plakate, mit denen die Gegner von Obamas Gesundheitsreform demonstriert haben, deuten nicht auf ein post-rassistisches Amerika hin.

Wie sehr ist Rassismus in den USA heute noch im Alltag verwurzelt?
Als Weißer fällt mir Rassismus nicht so leicht auf, weil er nicht gegen mich gerichtet ist. Die Wahlen haben gezeigt, dass viele weiße Amerikaner glauben, dass es keinen Rassismus mehr in den USA gibt, einfach, weil sie ihm nicht ausgesetzt sind. Mit „YesYoureRacist“ will ich den Leuten zeigen, dass etwas existieren kann, auch wenn sie es nicht selbst wahrnehmen.

In welcher Form begegnet dir Rassismus?
Es ist nicht so, dass an jeder Ecke eine Ku Klux Klan-Versammlung abgehalten wird, aber der institutionelle Rassismus ist in den USA immer noch sehr stark, vor allem im Bundesstaat South Carolina, in dem ich lebe. Auf dem Rasen vor unserem State Capitol Building weht immer noch die Flagge der Konföderierten, die Vorstellung einer weißen Vormacht ist in unserem Alltag immer noch sehr präsent.  

Willst du mit deinem Projekt gegen diese Einstellung kämpfen?
Ich bezweifle, dass ich allein erfolgreich damit wäre, gegen den institutionellen Rassismus in den USA oder sonst wo auf der Welt zu kämpfen. Ich versuche, auf die riesige Menge an beiläufigem Rassismus in den sozialen Medien hinzuweisen, den Leuten zu zeigen, dass es institutionellen Rassismus immer noch gibt – und hoffe, dass die Menschen irgendwann ihre Einstellung ändern.  

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Wie viele Posts hast du bisher retweetet?
Ungefähr 1.300. Und es gibt keine Anzeichen dafür, dass es bald nachlässt.  

Kommen die Tweets alle aus den USA?
Nicht jeder gibt in seinem Twitter-Profil seinen Standort an, aber ich schätze, dass ungefähr ein Drittel der Posts, die ich retweete, aus anderen englischsprachigen Ländern wie Großbritannien kommen.

Wie spürst du die Tweets auf?
Ich benutze den Twitter-Client „HootSuite“, der für mich permanent nach Tweets mit den Worten „not racist but“ und Varianten davon sucht. Die Scherz-Tweets filtere ich dann heraus.

Und wie?
Normalerweise sehe ich gleich, ob ein Tweet ernst gemeint ist, oder nur einen Retweet von mir bekommen will. Wenn einer in Frage kommt, checke ich seinen Twitter-Feed, um zu sehen, ob er mit den anderen Tweets der Person zusammenpasst. Die meisten, die ich retweete, meinen das völlig ernst.  

Wie würdest du den typischen Absender eines Tweets, den du retweetest, beschreiben?
Ich würde sagen Teenager. Etwa gleich viele sind männlich und weiblich, ich kann das aber nur schätzen.

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Logan Smith

Wie reagieren die Personen, die du retweetest?
Die meisten reagieren gar nicht. Manche antworten, dass sie keine Rassisten sind. Meistens sind ihre Antworten am Schluss noch rassistischer als die ursprünglichen Tweets, sie entlarven sich also noch mehr, aus diesem Grund bekomme ich gerne Antworten von den Leuten, die ich retweetet habe.  

Beschwert sich keiner über diesen öffentlichen Pranger?
Wer sagt, dass „YesYoureRacist“ ein öffentlicher Pranger ist, hat vollkommen Recht, aber ich weiß nicht, was falsch daran sein soll. Die Leute sollen gern jede Meinung haben, die sie wollen, so rassistisch die auch sein mag. Oft kommen die Tweets ja aus einer spontanen Wut heraus, das ist mir natürlich klar. Aber wenn sie ihre Meinung auf eine öffentliche Webseite posten, geben sie das Recht ab, sich über die öffentliche Reaktionen auf ihr Statement zu beklagen.  

Es gab also keine Shitstorms?
Nein, gar nicht. Nur manchmal entgegen die Leute, dass meine Retweets ihre Meinungsfreiheit verletzen – das tun sie nicht –, aber das ist ja kein Shitstorm. Das Feedback ist besser als ich es mir hätte vorstellen können. Jeder, mit dem ich darüber rede, sagt, es sei eine tolle Idee. Bis auf die Leute, die ich retweete, natürlich. Und nur wenige Wochen, nachdem ich begonnen hatte, bekam ich schon Interview-Anfragen, zum Beispiel von CNN.  

Warum hast du dir diesen Weg ausgesucht, um auf Rassismus aufmerksam zu machen?
Ich bin ein großer Fan von „The Daily Show with Jon Stewart“, die Comedy nutzt, um herauszustellen, wie schrecklich Politiker und ihre Methoden sein können. Auf @YesYoureRacist und meinem politischen Blog arbeite ich nach dem Motto: Lach darüber, damit du nicht deswegen heulen musst.  

Wie geht es jetzt weiter?
Ich schreibe an einem Buch über @YesYoureRacist und das Phänomen der „not racist but"-Statements. Ich war und bin immer noch völlig entsetzt, wie viele es davon gibt. Darauf gekommen bin ich durch das positive Feedback auf meinen Kommentar im „Independent“.  

Hast du einen „Lieblings“-Tweet?
Das müsste der hier sein: „@pistola_mlg: Im not racist but a black jesus is just blasphemy.“ Ich denke, das muss ich nicht weiter kommentieren. 


Text: kathrin-hollmer - Screenshots: YouTube, Twitter; Foto: privat

  • teilen
  • schließen