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Mädchen, wie sollen wir reagieren, wenn euch jemand angräbt?

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Die Jungsfrage:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Folgendes Szenario: Ein Club, zu etwas späterer Stunde, ein Mädchen an der Bar. Ein Junge nähert sich, bestellt sich ein Getränk und überbrückt die Wartezeit damit, das Mädchen anzusprechen. Er hört mit dem Ansprechen aber auch nicht auf, nachdem er sein Bier bekommen hat. Er macht einfach weiter, und später, am Rand der Tanzfläche, beginnt er wieder ein Gespräch mit ihr. Offensichtlich will er ein bisschen mehr als nur Zeit überbrücken.  

Eine normale Szene, die uns aber hin und wieder in eine gewisse Not bringt. Nämlich dann, wenn das Mädchen unsere Freundin ist. Dann wird diese Anmache nämlich auch zu unserer Angelegenheit, wir müssen uns irgendwie zu dieser Situation verhalten.  

Das Objekt seiner Begierde ist schließlich unsere Freundin, und das soll bitteschön auch so bleiben. Wenn wir sehen, wie unsere Freundin angegraben wird, löst das in uns verschiedene Reflexe aus. Ein Teil von uns ist geneigt, mit einem Riesensatz hinzuspringen, das Fell aufzustellen, die Zähne zu fletschen und ein bisschen bedrohlich zu knurren. Wie ein Hund, der einem Straßenköter den Besitzanspruch auf einen Knochen verdeutlichen möchte. Weil wir aber zum Glück keine Hunde sind und Sätze wie „Machst du meine Freundin an, Alter?“ nur in schlechten Filmen von blöden Machoärschen gesagt werden, machen wir das im Normalfall nicht. Und: Ein bisschen sind wir ja auch stolz, dass der Junge sich ausgerechnet unsere Freundin für seine Anmache ausgesucht hat. Das bestätigt einmal mehr, dass das ein ziemlich tolles Wesen ist, das sich da in uns verliebt hat.  

Der nächste Instinkt ist der des Beschützers. Wir haben den Drang, euch vor der Nervensäge zu bewahren, euch aus dieser unangenehmen Situation zu befreien und zu helfen, den Typen loszuwerden. Zum Beispiel, indem wir euch auf die Tanzfläche ziehen oder uns einfach dazustellen, mitratschen und euch irgendwann beiläufig den Arm um die Hüfte legen oder euch einen Kuss auf die Wange drücken. Auch das Verhalten ist aber nicht unkompliziert – sofern der Typ nicht total abstoßend und / oder offensichtlich unangenehm aufdringlich ist. Die Frage ist: Wollt ihr überhaupt gerettet werden? Ihr seid – das wissen wir mittlerweile – schließlich selbstständige Menschen, die sich selbst wehren können, ihr braucht eigentlich keine Beschützer. Wenn wir euch jetzt helfen, könntet ihr das auch als eine Art Herabwürdigung verstehen, als Bevormundung. Und vielleicht führt ihr ja gerade tatsächlich eine nette Unterhaltung und findet die kleine Flirterei gerade ganz angenehm. Kann ja Spaß machen, und ist gut fürs Selbstwertgefühl.  

Selbst wenn sich das Problem von alleine löst, beziehungsweise ihr den Angraber irgendwann stehen lasst, stellt sich immer noch die Frage, wie wir im Nachhinein mit dem Geschehenen umgehen sollen. Einfach übergehen und so tun, als wäre nichts gewesen? Nachfragen, wer der Typ war, worüber ihr geredet habt und ob ihr ihn nett und attraktiv fandet? Ersteres könnte wie Desinteresse wirken, die Fragerei wie übertriebene Eifersucht.  

Mädchen, klärt uns doch bitte auf, welchen Reflexe wir eurer Meinung nach freien Lauf lassen und welchen wir eine Leine anlegen sollen: Wie sollen wir reagieren, wenn ihr angemacht werdet?


Die Mädchenantwort von mercedes-lauenstein:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Angrabungen! Ein sehr gutes Thema. Denn wie du schon sagst, sind die meisten Anmachen eigentlich nichts weiter als ein doppeltes Kompliment. Sowohl für den Angeflirteten als auch indirekt für seinen Partner. Sie sollten daher Anlass zur Freude sein und an die Kostbarkeit des Sich-Gefunden-Habens erinnern. Trotzdem führen sie sehr oft zu Diskussionen und völlig beknackten Streits.

Es ist so: Wenn wir angemacht werden, freuen wir uns. Wir fühlen uns allseits begehrt, auch wenn wir wissen, dass es hier gerade nicht wirklich um unsere tiefsten inneren Werte geht und dass wir das ganze allenfalls als flüchtigen Push des Selbstwertgefühls verbuchen sollten. Trotzdem machen wir einen kleinen Strich auf unserer heimlichen Marktwertliste und verreiben das bisschen Eitelkeitsbalsam genüsslich auf unserer kleinen Seele. Die Genugtuung ob des Kompliments für unsere Außenwirkung ist aber nur die eine Hälfte unserer Freude. Die andere gilt unserer Beziehung und damit euch: In Anbetracht des offensichtlich suchenden Anbaggerers freuen wir uns vor allem darüber, dass wir nicht mehr suchen müssen. Weil dahinten der Mann steht, der uns alles gibt, was wir immer wollten. Jetzt könnte man also sagen: Entspannt euch, alles harmlos, vertraut uns einfach, tanzt weiter, ihr seid eh geliebt. Seid ihr! Sehr!

Aber, du ahnst es schon, die doppelt gute und oben beschriebene Idealwirkung der Anmachsituation kann sich nur entfalten, wenn ihr eben nicht einfach weitertanzt als sei nichts gewesen. Denn spätestens wenn wir mit unserer Yeah-ich-wurde-hart-angemacht-aber-das-interessiert-mich-gar-nicht-weil-ich-hab-ja-dich-Freude auf euch zukommen und ihr so gar keine Reaktion zeigt, bekommen wir Angst. Sind wir also nur noch eure harmlose Alte, vertrocknet und fluchtresistent?

Habt ihr hingegen den ganzen Abend lang extrem schlechte Laune und seid gar nicht mehr aufzumuntern, ist das Ziel ebenfalls verfehlt. Dann sind wir nicht mehr nur traurig, sondern vor allem schockiert: Ist es um euer Selbstbewusstsein so gering bestellt, dass ihr glaubt, jeder Bierhansel könnte uns euch streitig machen? Glaubt ihr so wenig an unsere Liebe zu euch, dass ihr jetzt ernsthaft beleidigt seid? Haltet ihr insgeheim so wenig von uns, dass ihr uns nicht einmal zutraut, mit einer Anmache selbst fertig zu werden?

Bitte ärgert euch also, wenn wir angegraben werden. Bitte habt ruhig ein bisschen Angst um uns. Versteckt euch bloß nicht hinter irgendeiner desinteressierten Coolnessheuchelei. Aber glaubt bitte auch nicht, dass ihr den eifersüchtigen Löwen markieren müsst, um uns von eurem Interesse oder eurer Beschützerfähigkeit zu überzeugen. Fragt uns mittelaufgeregt und vielleicht ein bisschen quatschinvestigativ, was der Typ da von uns wollte und was wir geredet haben. Bleibt locker, aber nicht gleichgültig. Und gebt euch dann bitte einfach mit jeder Antwort zufrieden, die wir bereit sind, euch zu geben. Wir werden nämlich wahrscheinlich auf alle Fragen sowieso nur grinsen und „Ist doch egal" sagen. Ist es nämlich wirklich. Und dann wäre es schön, wenn ihr Folgendes tätet: Uns ziemlich selbstsicher niederknutschen und uns sagen, dass wir verdammt super sind und ihr echt keine Lust hättet, uns nicht zu haben.

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