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Deine lange Geschichte

Text: Luckyone
Heute ist Weihnachten - und zwar bereits der zweite Tag davon. Jedes Jahr freue ich mich wie ein kleines Kind auf diese Tage und erwarte jedes Mal die große Heilsbringung - die natürlich nie eintritt. So auch dieses Jahr nicht. Stattdessen war dieses Weihnachten das Jahr in dem ich endgültig aufhörte, ein Kind zu sein.



Nicht das es dafür nicht längst Zeit war - ich bin fast 30, da lernt man damit zu leben, dass das Kindsein bedrohlich weniger wird. Aber Weihnachten hatte ich immer Welpenschutz - nur dieses Jahr nicht mehr. Mein Bruder blieb alleine bei seiner neuen Frau und dem Kind, mein Vater lud überraschend seinen Vater samt Frau ein, wo ich immer nicht weiß, ob ich sie weniger als ihn mag oder umgekehrt. Alle waren auf ihre Weise mit ihrer Rettung von Weihnachten beschäftigt und ich geriet dabei in Vergessenheit. Doch statt das große Theater zu veranstalten, bin ich ruhig geblieben und habe allen anderen ihr Weihnachten gegönnt - ich habe bis jetzt noch nicht mal meine Geschenke ausgepackt und das, obwohl ich doch immer der größte Bescherungsfan war. Man wird eben erwachsen und merkt, dass man sich mit dem Geben an andere mehr beschenkt, als man selber bekommen kann.



Ein weiteres Novum in diesem Jahr warst sicher Du. Du und deine lange Geschichte, die ich nicht kenne, obwohl sie ja ziemlich interessant sein muss. Die lange Geschichte, die uns daran hindert, ein uns in die nähere Betrachtung zu ziehen. Ich komme mir unendlich dumm vor, dass ich mir überhaupt so das Hirn zermatere über Dich. Du hast nein gesagt und ich sollte dazu "dann eben nicht" sagen. Aus irgendeinem Grund kann ich das nicht und ich weiß nicht warum. Da ist dieses Gefühl, was mir sagt, dass Du in meinem Leben etwas besonderes sein könntest. Weil Du so erfrischend anders bist. Weil Du es geschafft hast, das ich ganz selbstverständlich ich war - ohne all das, was mich normalerweise davon abhält. Du hast mich mitgenommen, irgendwo hin, wo ich nicht irgendwer oder irgendwas sein musste, was ich nicht bin, nicht sein will und nicht sein muss. Und dann hast Du mich dort stehen gelassen, mir deine lange Geschichte in die Hand gedrückt und Dich verabschiedet.



Ich glaube ich habe ein recht verlässliches Bauchgefühl - für viele Dinge. Ich frage mich, ob mich dieser Sinn dieses Mal so täuscht, dass ich nicht klar denken kann. Ich hoffe es und ich hoffe, dass es mir irgendwann auffällt. Fakt ist und bleibt, ich würde Dich gerne näher denken, Dich weiter denken, Dich besser sehen und Dich vorallem verstehen können. Wenn sich etwas richtig anfühlt sollte man es festhalten. Was fühlt sich in der heutigen Welt noch richtig an? Du aber willst es nicht festhalten - wegen Deiner langen Geschichte. Und ich würde sie einfach gerne hören und verstehen, warum. Warum es nicht lohnt uns näher und weiter zu denken und zu fühlen und zu erleben.



Ich hätte Dir so gerne von meinem verlorenen Weihnachten erzählt, weil ich das Gefühl habe, Du hättest das verstanden. Ich glaube, Du wärst der einzige Mensch gewesen, der dazu etwas zu sagen gehabt hätte. Etwas was ich hätte wirklich hören wollen. Dieser Abend, an dem Du mir so nahe gekommen bist, das ich mich zwischendurch selber erschrocken habe, das war Nähe. Das Gefühl, nicht alleine zu sein mit mir. Und genau das hat mir so gefehlt, an diesem ach so erwachsenen Weihnachten. Aber Du warst nicht hier.



Nur ein Gedankenspiel, aber was wäre, wenn mein Bauchgefühl Recht hat und wir uns gegenseitig etwas sein könnten? Was wäre wenn Du der Mensch bist, der mich sieht und der mich kennt. Was wäre, wenn Du das Gegenstück bist? Ich weiß, wie unglaublich naiv das klingt und wie sinnlos all das erscheint. Ich bin doch eigentlich der unverbesserliche Realist, der die Dinge immer leider viel zu analytisch beurteilt und dabei viel zu oft vergisst, die Magie hinter allem zu sehen. Aber nehmen wir doch nur für einen Moment an, all das wäre kein Hirngespinst. Dann sag mir, was würde Deine lange Geschichte dann von all dem noch aufwiegen können?

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