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Jungs, findet ihr uns nackt immer schön?

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Die Mädchenfrage:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Es ist vermutlich keine bahnbrechende Neuigkeit, die ich hier verkünde, aber: Frauen neigen dazu, sich sehr kritisch mit ihrem Körper auseinanderzusetzen. Es gibt nur wenige, denen alles an sich gefällt, wenn sie nackt aus der Dusche steigen und sich im Spiegel anschauen.Der Höhepunkt unserer kritischen Betrachtung des eigenen Körpers findet naturgemäß in der Pubertät statt, der Hochzeit der dummen Gedanken, Worte und Taten. Da findet man dann auf einmal alles an sich doof: Hier zu fett, da zu sehnig, dort zu schuppig, jenes zu aderig, dieses zu haarig und überhaupt: Pickel! Und gerne lässt man sich auch von wohlmeinenden Geschlechtsgenossinnen oder Frauenzeitschriften die irrsten Komplexe einreden. Auf einmal befürchtet man zu all den anderen Kritikpunkten am Körper, auch noch zu dicke Fesseln oder fette Kniekehlen zu haben. Wie gesagt: Irre!

Man verbringt als Frau also einen nicht unbeträchtlichen Teil seiner Menschwerdung damit, seinen Körper dafür zu geißeln, dass er nicht so photoshopschön ist wie die der Models auf den Plakaten und in den Illustrierten. Es gibt nur einen Trost, den wir uns mantrahaft vorsagen können und den wir meist zum ersten Mal auf einer der Ratgeberseiten der „Bravo" oder von „Mädchen" gelesen haben: „Egal, wie du aussiehst", versichern uns da die Psychologen, „dein Freund / die Jungs finden dich garantiert schön / geil, wenn sie dich zum ersten Mal nackend sehen."

Das ist schon ein sehr tröstlicher Gedanke, aber trotzdem müssen wir jetzt noch mal nachfragen: Stimmt der Mantra-Satz denn? Ist es wirklich so, dass ihr alle Frauen super schön findet, Hauptsache oben und unten ohne? Ist das eure Form der Ästhetik? Oder gibt es doch ein paar Dinge, über die ihr nicht hinwegkommt, egal wie nackt wir euch entgegentreten?

Auf der nächsten Seite liest du die Jungsantwort.



Die Jungsantwort

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Da klopft ein zweischneidiges Damoklesschwert in meiner Brust. Sehr einfach geantwortet, könnte man sagen: Ja, das stimmt schon. Allerdings mit Einschränkungen.

Wie schon oft an dieser Stelle erwähnt, funktioniert unsere Sexualität seit jeher und immer noch stark über visuelle Reize. Damit einher geht bekanntlich eine irre Ikonisierung des nackten weiblichen (oder männlichen, je nach Gusto) Körpers, die wir seit unserer Pubertät mal mehr mal weniger aber immer: vorantreiben. Egal wie abgebrüht, erfahren oder asketisch – eine Nackte schlägt in unserem Kopf so einen fetten Gong und wir müssen hinschauen und sind mindestens eine Sekunde lang gebannt.

So, dieser Effekt vervielfacht sich natürlich, wenn die Nackte a) lebendig und b) uns zugetan ist, was ja in deiner Situationsbeschreibung beides der Fall sein soll. Deutlich gesagt: Wir haben geflirtet, uns verliebt, euch umgarnt, whatever, natürlich auch weil wir euch nackt sehen wollen. Dieses Ziel war uns immer vor Augen, wenn es sich dann zum ersten Mal erfüllt, ist dieser Umstand meistens so überwältigend und triumphal, dass ihr wirklich schlicht wunderschön seid, die einzige Frau auf der ganzen Welt, das Superwesen, schaumgeboren. Ist so, egal ob ihr verstrubbelte Haare, schiefe Beine, falsche Zähne habt.

Es ist eben, als wäre man die ganze Zeit auf der einen Seite des Berges hoch gestiegen und dürfte dann zum ersten Mal die andere Seite sehen und das ist ja immer irgendwie gut, da zeigt man ja auch nicht gleich auf die hässliche Neubausiedlung in der Ferne, sondern ist erstmal: Bham!.

Aber, das ist natürlich auch nur so, weil wir euch ja schon vorher gesehen und für gut befunden hatten. Da wart ihr zwar angezogen, aber wir haben schon ungefähr gesehen, auf was wir uns einlassen und es hat uns gefallen. Wenn ihr als dick oder klapprig seid oder sonst wie anders gebaut, haben wir das schon längst gesehen und einkalkuliert, darüber müsst ihr euch im Badezimmer vor dem ersten Mal wirklich keine Sorgen machen. Faustregel dort sollte für euch sowieso immer sein: Hey, der Typ da draußen ist gerade ganz kurz davor den Jackpot zu knacken. Und der Jackpot bin ich. So ein verdammter Glückspilz!

Eine wildfremde Person, die vor uns blank zieht ist zwar immer noch interessant, wir sehen aber durchaus auf den ersten Blick ihre Schwachstellen. Das ist dann das nüchterne „Nackte betrachten“, das wir schon so oft geübt haben und dabei sind wir gerade wegen dieses Trainings ziemlich unerbittlich bzw. anspruchsvoll. Sauna ist deswegen eher nicht: Bham!, sondern einfach wie bei euch auch, stummes protokollieren: Da schwabbelts aber, da hängt doch was, da schau ich nicht mehr hin...
Nacktheit um der Nacktheit willen also, funktioniert bei uns zwar tendenziell immer noch besser als bei euch, aber nicht mit dem Dr. Sommer-Effekt.  

Spielt aber ein Quentchen Liebe mit rein, plus das langersehnte Sexversprechen, ist das wie ein Filter, ein Flash, meinetwegen auch Tunnelblick. Ich behaupte, die Details, die euch so quälen, weil ihr eueren Körper eben schon so wahnsinnig lange kennt, bemerken wir deswegen beim ersten Nacktsein überhaupt nicht und auch die nächsten fünfzig Mal noch nicht richtig. Wenn ihr uns einzeln eure dicke Fessel hinhaltet und sagt: „Da, das is ne dicke Fessel von mir!“ dann können wir das vielleicht nachvollziehen. Tretet ihr uns aber in ganzheitlicher Schönheit gegenüber, herrscht eine Reizüberflutung, die viele Kleinigkeiten einfach überspült. Meistens seid ihr nackt sogar noch viel schöner, als wir uns das (und ihr euch) je vorstellen konnten.(Und wir haben versucht, uns das vorzustellen, glaubt es mir!) Einfach, weil Nacktheit ja so eine herrliche Ehrlichkeit und gegenseitige Entwaffnung ist, zwischen zwei Menschen. Eine nackte Frau ist viel mehr als die Summe ihrer einzelnen Teilchen. Es ist ja nicht nur das Optische, was da zaubert, sondern das Ganze, was ihr damit verschenkt, dieses Vertrauen und die Aufrichtigkeit, das Ungeschminkte und Ungekünstelte. Nackt geht ihr besser, sprecht anders, riecht herrlicher.

Man müsste schon seltsam verhärtet sein, um im Moment dieser großen Geschenkübergabe zu denken: Weiha, hat die breite Schultern. Und selbst wenn dieser ungebetene Gedanke einfach von selbst aufgeht wie ein 404-Error-Fenster, dann ist jeder mir bekannte Junge bestrebt, nichts davon an die Oberfläche kommen zu lassen. Weil das nämlich bedeuten würde, dass er dann gleich wieder aufhören müsste, nackt zu sein.

fabian-fuchs

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