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über Lucia… der menschgewordenen Lichtgestalt zur Weihnachtszeit und der wahrgewordenen Geschlechterdiskussion derselben

Text: rasenmaeherkaputtmacher
Ich hab ja so einiges über Schweden berichtet, als ich da war...aber ich glaube, nichts über Lucia. Deswegen krame ich mal ein wenig in alten Zeilen von mir herum und frage das Volk, das es vielleicht besser weiß als ich momentan, ob es diese interessante Geschlechterdiskussion dieses Jahr in Schweden wieder gibt. Vielleicht ist ja jemand dort und verfolgt die Berichterstattung.

Dieser Text ist letztes Jahr verfasst worden, ich bin aber zu faul, daraus jetzt ein Präteritum zu machen...

Ich weiß gar nicht, ob ich bisher viel oder wenig über schwedische Traditionen berichtet habe oder nicht. Fakt ist jedenfalls, dass zur Weihnachtszeit Bräuche ans Tageslicht gelangen, deren Existenz ich 26 Jahre lang niemals Zeuge geworden war. Zum Beispiel ist das Luciafest am 13. Dezember ein fester Bestandteil der Vorweihnachtszeit, ein Gedenktag zu Ehren der Heiligen Lucia, ein Feiertag zur Verabschiedung des kürzesten Tag des Jahres, ein Festakt zur Begrüßung der Rückkehr des Tageslichts.



Man könnte jetzt meinen: Moment mal, Wintersonnenwende und somit kürzester Tag des Jahres ist aber der 21. Dezember. Ist er auch, aber erst mit dem vom Papst Gregor XIII 1582 eingeführten gregorianischen Kalender – zuvor war es der 13. Dezember. Die Tradition gibt es auch heute noch und führt meist in die Kirche zum Luciakonzert, wo ein Chor in weißen Gewändern und Kerzen in der Hand traditionelle Weihnachtslieder singt.



So war es auch letzte Woche in Ulricehamn, als ich zum Luciakonzert in der Kirchenkapelle in der Stadtmitte eingeladen wurde (das Luciakonzert muss nicht zwangsläufig auf den 13. Dezember fallen). Die Schlange der Besucher reichte bis zur Arztpraxis, doch es fanden alle Platz. Die Kirche mit mindestens 100 Kerzen erleuchtet, festlich-besinnliche Stimmung aller Ecken und Kanten. Ich fand das sehr schön.
Ganz vorne mit dabei ist natürlich Lucia, seit eh und je ein wunderschönes Mädchen mit Kerzenkranze im Haar und mit famoser Engelsstimme eines göttliches Talents gesegnet. Bis zum Jahre 2011.



Wer sich Lucia eines jeden Jahres nennen und als solche verkleiden darf, wird in vielen Orten durch Wahlen an lokalen Schulen ermittelt. In Lund gewannen dieses Jahr allerdings gleich an zwei Schulen je ein männlicher Schüler das Duell gegen die weiblichen Kontrahenten – und die Aufregung darüber wird der ganzen Nation nun zuteil.



Während die Rektorin der Östratornskolan das Ergebnis trotz angeblichen Protests seitens des Lehrerkollegiums und einiger Eltern ob der Aushebelung altehrwürdiger Traditionen durch einen demokratischen Wahlbeschluss legitimiert sieht (sie wird unter anderem mit folgendem Satz zitiert: „Weil wir sehr viel über Schülerbeteiligung und Gleichberechtigung reden, ist das jetzt eine Sache, der wir nun auch gerecht werden müssen.“), wird dem Resultat an der Flygelskolan mit Verweis auf eben jene Tradition die Legitimation eiskalt entzogen.



Die Diskussion über einen männlichen Lucia bleibt vorerst ein kontroverses Infragestellen von Gleichberechtigung um jeden Preis, gerade weil alte Traditionen in Skandinavien sehr gelebt werden und das Nationalbewusstsein zum Teil auch prägen, allerdings die gesellschaftliche Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau ebenfalls eine große Bedeutung hat.



Was ebenfalls diskutiert wird (nicht nur in den Zeitungen, sondern heute auch am Frühstückstisch im Büro) ist die Tatsache, dass viele Jugendliche den Luciatag nicht nur mit einem besinnliches Fest sondern auch mit einem besinnungslosen Rausch begegnen. Ein wenig erinnert mich das an die Sünden zur Konfirmation bzw. Jugendweihe. „Klar, dass Eltern beunruhigt sind“ lautet zum Beispiel eine große Überschrift eines Artikels, der Lucia zum Anlass nimmt, sich umfassend mit dem Warum und Weshalb übermäßigen Alkohol- und Drogenkonsums unter Jugendlichen zu befassen.



Ich berausche mich heute Abend ebenfalls. Allerdings mit schwedischer Punkmusik. 3 Bands für unschlagbare 40 Kronen. Das ist fast geschenkt, für den Preis bekommt man nicht mal ein Bier ausgeschenkt. Von daher…



glad Lucia och god sang!





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