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Ich bin doch nicht Madonna

Text: weltherrrschaft






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Das haben sie wohl noch nie gemacht“, meint die blonde Frau, nachdem sie sich eine Stunde lang über mich hergemacht hat. „Naja, so vor 10 Jahren, glaub ich, also da schon mal, denk ich.“ Aber eigentlich lüge ich, denn vor 10 Jahren das war eine ganz normale Zahnsteinentfernungssache. Damals musste ich sogar den Spuckesauger selber halten. „Aber jetzt ist hoffentlich alles fertig“, denke ich und sage „Das war ein echter Ritt.“ „Ja, also an Ihrer Stelle würde ich jetzt einfach alle 3 oder 4 Monate wieder kommen, denn dann zeig sich erst richtig der Effekt.“ „Also an Ihrer Stelle würde ich so einen ekligen Beruf nicht nur alle 3 oder 4 Monate mal machen, sondern überhaupt nicht“, schweige ich in mich hinein.



Überhaupt, wie kann eine junge, ganz gut aussehende blonde Frau denn Zahntechnikpflegerin oder wie auch immer der Beruf heißt, werden? Ist da in der Kindheit was schiefgelaufen? War ein Elternteil Zahnarzt? Hat sie, statt wie normale kleine blonde Mädchen ihrem rosa Plastikpony und ihren Puppen die Haare zu kämmen, bei Ken den Zahnstein entfernt und bei Barbie die Zahnzwischenräume mit Zahnseide gereinigt?

Hat sie „Karius & Baktus“ nich als Quatschcomic gelesen sondern als Informationsblatt für die angehende Zahntechnikerin? Hatte sie Freunde im Kindergarten oder der Grundschule und hat sie die auf die Schädlichkeit für den Zahnschmelz angesprochen, wenn die eine Caprisonne getrunken haben? Hat sie nicht normal zählen gelernt wie jedes Kind, sondern so? „Arabisch 1, vorhanden, Arabisch 2, vorhanden, Arabisch 3, vorhan … oweh … da müssen wir was machen!“



Und was haben ihre Eltern zum Verhalten ihrer doch offensichtlich gestörten Tochter gesagt? Im Ernst: Wie bitte kann man sich ernsthaft für Zähne interessieren? Zähne sind da, Zähne wachsen, fallen aus, wachsen nach, werden regelmäßig geputzt. Zähne sind so langweilig wie Haare, so aufregend wie Fußnägel und so richtig vermisst man sie erst, wenn man sie nicht mehr hat, aber daraus gleich einen Beruf machen? Sich über Leute mit Mundgeruch beugen und diese auffordern, doch bitte ihren Mund ein Stückchen weiter aufzumachen und sich etwas mehr in ihre Richtung zu drehen? Ich kotz gleich – alleine bei der Vorstellung! Mit Ultraschall im Gebiss fremder Menschen herumzufuchteln und Dreck aus den Ecken zu kratzen, oder besser: aus den Zahnzwischenräumen.



Ich habe keine Zahnzwischenräume! Noch nie gehabt! Ich bin ja nicht Madonna oder Jürgen Vogel! Und wenn ich doch jemals Zahnzwischenräume besessen habe, dann war das schon okay so, dass sie zugegangen sind. Wenn es sonst im Leben irgendwo Zwischenräume gibt, dann werden die doch auch zugemacht. In unserer Wohnung haben wir einen Zwischenraum, also eher ein Durchgangszimmer, und den machen wir auch zu, damit wir da nicht durchlaufen müssen. Und wenn wir doch Lust haben, durch den Zwischenraum zu laufen, dann machen wir die Tür auf, gehen einmal durch den Zwischenraum, erledigen da, was wir zu erledigen haben und verlassen den Zwischenraum dann wieder und schließen die Tür. Auf und zu.



Aber reinigen tun wir den Zwischenraum eher selten. Und wenn wir ihn reinigen, dann bestimmt nicht mit Ultraschall! Ultraschall gibt’s beim Frauenarzt. Und wir sitzen auch nicht auf dem Laminat rum und kratzen mit winzigen Enterhaken in den Ritzen rum! Und dass wir uns ein winziges, nach Zahnpasta schmeckendes Stück Drachenschnur mehrfach um die Finger wickeln bis es spannt und damit dann in irgendwelchen Zwischenräumen des Zwischenraums wild hin und her reiben, da würde ich im Traum nicht drauf kommen. Wir nehmen einen Staubsauger und ab und an ein Staubtuch, um den Staub wegzuwedeln, der dort staubt, wo der Staubsauger nicht staubsaugen kann



Wieso fliegen wir zum Mond, sind aber nicht in der Lage, Zahnstein schmerzfrei zu entfernen? Wozu Ultraschall, wenn wir die Protonenbombe haben. Wenn ich die richtig verstanden habe, dann funktioniert die doch so, dass sie alles Leben auslöscht, aber gleichzeitig alle Gebäude stehen lässt. Warum wird diese grandiose Technik nicht lange schon zivil eingesetzt. Warum bohren und kratzen, schmirgeln und korzündern, wenn sprengen doch so viel effektiver ist. Und die Masse, die sich an Zahnstein anlagert, das ist doch letztlich nichts anderes als hängengebliebenes Essen, dass sich nicht vom Zahn trennen möchte und da so halb versteinert kleben bleibt wie Harz, der noch nicht das Glück oder die Zeit hatte zu Bernstein zu werden – Biomasse halt.



Müsste man der Protonenbombe nur noch irgendwie einimpfen, dass Zähne an und für sich keine Biomasse sind, aber das sollte ja echt nicht so schwierig sein, weil schließlich können wir zum Mond fliegen! Wobei das ja gar nicht mal unbedingt stimmt, werden Weltverschwörungstheoretiker jetzt einwerfen.



Aber ich werfe zurück, dass ich ja gar nicht sage, dass wir zum Mond geflogen sind, sondern rein theoretisch sage: „Wir können zum Mond fliegen!“ Und wenn ich was kann, dann muss ich es ja auch nicht zwangsläufig tun, aber rein theoretisch, also wenn ich wollen würde und eine Astronautenlehre erfolgreich durchlaufen würde und die NASA oder wahrscheinlich eher die Chinesen-NASA beschlösse, noch einmal oder für die Chinesen-NASA dann ja zum ersten Mal, eine Mondmission zu unternehmen und dabei auf den Gedanken käme, mich als Chefastronauten, wobei die Chinesen ja eher „Cheftaikonaut“ sagen würden, wobei ich ja im Westen aufgewachsen bin und privat und in den Medien lieber „Chefastronaut“ lesen würde, also mich auszuwählen, dann könnte ich zum Mond fliegen.



Genauso gut könnte ich zum Mond fliegen, wenn ich Superman wäre (hab ich schon mal im Kino gesehen. Der konnte sogar noch weiter nach Hause auf seinen Heimatplaneten fliegen), wenn ich ein riesiger Vogel mit Düsenantrieb wäre, der im Weltall auf Sauerstoff und andere Annehmlichkeiten verzichten könnte und die Fähigkeit besäße, die Atmosphäre unserer schönen Erde alleine durch Muskelkraft (unterstützt von meinem Raketenantrieb natürlich) zu durchbrechen. Und wenn ich ein Vöglein wär und auch zwei Flügel hätt (und Raketenantrieb selbstverständlich), flög ich zu dir, und hätte außerdem erst recht keinerlei Probleme mehr mit Zahntechnikreinigerinnen, weil Vögel glücklicherweise seit Jahrtausenden keine Zähne mehr haben. Weil´s aber nicht kann sein bleib ich allhier.

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