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Pola Fendel, 23, studiert Freie Kunst an der HfbK (Hochschule für bildende Künste) und Thekla Wilkening, 25, Bekleidung, Technik und Management an der HAW (Hochschule für Angewandte Wissenschaften) Hamburg. Gerade haben die zwei Freundinnen in einem Zweitraum einer Galerie im Stadtteil St. Pauli die "Kleiderei" (Hamburger Hochstraße 24) eröffnet und verleihen dort Kleidung. Wir haben mit Pola und Thekla über ihre Idee und den aktuellen Trend zum Teilen gesprochen.

jetzt.de: Pola und Thekla, ihr habt gerade die „Kleiderei“ eröffnet, eine Art Bücherei für Kleider, und veranstaltet richtige Ausleih-Partys. Wie kann man sich das vorstellen?
Pola: Wir haben sechs Abende in der Woche geöffnet. Es gibt Musik, Tee und Kekse, später auch Wein.
Thekla: Und gemütliche Sitze für die Männer, die mitkommen.
Pola: Dann dürfen sich alle durch die Sachen probieren, Thekla und ich helfen auch beim Aussuchen. 
 
Was muss man tun, um bei euch was ausleihen zu dürfen?
Thekla: Es gibt einen Mitgliedsausweis, quasi einen Bibliotheksausweis, der kostet 14 Euro im Monat. Dafür darf man sich jede Woche zwei Teile ausleihen.



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Welche Sachen sind das?
Pola: Am Anfang waren es vor allem Sachen von Thekla und mir. Von der Familie und Freunden haben wir viel dazu bekommen, mittlerweile haben wir ungefähr 450 Teile. Wir versuchen, möglichst viele Größen abzudecken, im Moment haben wir Sachen von Größe 34 bis 42, und auch für jeden Anlass etwas dazuhaben, von der verwaschenen Levi’s bis zum Chanel-Kostüm.
Thekla: Da sind Tanzkleider aus den Siebzigern dabei, die wir von einer älteren Dame bekommen haben. Die hat sie uns hingelegt und gesagt: „Ich brauch sie ja doch nicht mehr und bei euch weiß ich sie gut aufgehoben.“ Von der Mutter einer Freundin haben wir einen schmal geschnittenen, trenchcoat-artigen Mantel mit lederbesetztem Kragen bekommen. In der gleichen Spendenkiste war ein cremefarbiges Chanel-Kostüm. Pola war gleich verliebt.
Pola: Ich musste es sofort ausleihen! Wir haben auch Schuhe, Accessoires wie Taschen und Hüte und Unmengen Schmuck von meiner Oma. Nur Männermode haben wir noch keine. 
 
Wie muss man die Sachen zurückbringen, die man bei euch ausleiht?
Pola: Wir glauben an das Prinzip „Leihen wie bei der besten Freundin“ und vertrauen darauf, dass die Sachen gut behandelt werden. Die Teile müssen gereinigt zurückgebracht werden, wir sagen den Kunden vorher, wie sie sie am besten waschen.
 
Und wenn was kaputt geht?
Pola: Jedes Teil ist mit einer Nummer und einem Wert versehen. Wenn etwas irreparabel kaputt ist, einen Rotweinfleck oder ein Brandloch hat, bezahlt der Ausleiher die Hälfte des Wertes und wir übernehmen die andere. Wenn was verloren geht, muss der komplette Preis gezahlt werden. 
 
Wie viele Gäste kommen im Durchschnitt an einem Abend in euren Laden?
Thekla: So ungefähr zehn Leute pro Abend. Manchmal kommen aber auch Freundesgruppen, dann ist der Laden voll.

Wer sind eure Kunden und für welchen Anlass leihen sie aus?
Pola: Es ist noch ein bisschen früh, um das zu verallgemeinern, aber bisher sind unsere Kunden etwa zwischen 18 und 40 Jahre alt und stiltechnisch bunt gemischt. Manche leihen sich was für eine Geburtstagsparty, Hochzeit, eine Vernissage oder einen Opernbesuch aus. Die meisten kommen zum Stöbern oder weil ihnen zur neuen Hose noch das passende Shirt fehlt.
   
Thekla, du studierst Bekleidung, Technik und Management, ist dir die Idee zur „Kleiderei“ im Studium gekommen?
Thekla: Nein, obwohl es das perfekte Praxisbeispiel zu meinem Studiengang ist. Pola und ich kaufen selbst vor allem Second Hand, in kleinen Läden und auf Flohmärkten, und wir tauschen viel untereinander: Wir haben schon zwei Mal zusammengewohnt und während dieser Zeit den gemeinsamen Kleiderschrank genossen.
Pola: Die konkrete Idee kam uns, als wir beide mal wieder vor unseren – natürlich übervollen – Kleiderschränken standen und dachten: „Ich hab’ nichts zum Anziehen.“ Als wir dann in die Stadt gefahren sind und uns schnell noch ein Outfit gekauft haben, von dem wir wussten, dass es uns bald langweilt, waren wir genervt von uns selbst. Und fragten uns, wieso es eigentlich keinen Laden gibt, in dem man Klamotten einfach leihen kann. 
 
Neben Car-Sharing gibt es heute auch Bohrmaschinen und Designer-Handtaschen zum Ausleihen, auf der Plattform pretalouer.de sogar Mode, die man vier bis acht Tage mieten kann. Wie erklärt ihr euch den Trend zum Teilen?
Pola: Wir glauben, dass Leihen der nächste Schritt in der Geschichte des Kaufverhaltens ist, nach Second Hand, das heute selbstverständlich ist und auf Ebay perfektioniert wurde. Ich glaube, dass die Leute Überkonsum heute kritischer sehen, die Folgen der „Wegwerfkultur“ werden deutlich. Jeder sollte wissen, dass der Kauf von Billigkleidung Armut, Ausbeutung und Umweltverschmutzung fördert. Es fehlt nur noch an Alternativen.
 
Alternativen wie der „Kleiderei“?
Thekla: Dinge zu teilen ist die einfachste und umweltschonendste Form von Nachhaltigkeit. Bei uns freuen sich viele Leute über den Kleiderfundus, schützen gleichzeitig die Umwelt und verzichten auf den Kauf von Billigkleidung.
Pola: Und es macht uns glücklich zu sehen, wie Stücke, an denen wir uns sattgesehen haben, an anderen richtig toll aussehen. Ein Kleid, das nicht mehr getragenen wird, weiterzugeben, macht glücklich. 
 
Ging es euch schon mal so, dass ihr ein Stück für euch selbst haben wolltet?
Thekla: Es gibt Stücke, in die wir ernsthaft verliebt sind. Aber wir sind auch unsere eigenen Kunden. Wir teilen und leihen mit. 
 
Was würdet ihr nie verleihen?
Pola: Es gibt ein schwarzes Kleid von Acne, das mir mein Freund geschenkt hat, das trage ich nur zu ganz besonderen Anlässen. Das könnte ich niemals verleihen, nicht mal meiner besten Freundin.
Thekla: Jeder hat eine Lieblingsjeans zu Hause, die muss im Schrank sein und hilft mit der eingetragenen Passform niemand anderem. Solche Basics würde ich nicht verleihen, die braucht man täglich.


Öffnungszeiten: Montag bis Mittwoch 17 bis 20 Uhr, Donnerstag und Freitag 19 bis 21 Uhr und Samstag 15 bis 20 Uhr. Spontane Öffnungszeiten werden auf ihrer Facebook-Seite veröffentlicht.


Text: kathrin-hollmer - Fotos: Denys Karlinskyy

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