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Der Sparfuchs in mir

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Frottierwaren  
Handtücher gehören zweifellos zu den Top-100 der Gebrauchsgegenstände, das weiß jeder, der nach dem Duschen schon mal ohne war. Und schwere Handtücher aus ägyptischer Baumwolle oder so sind ein Luxus, von dem man wirklich etwas hat, nämlich: guten Griff, angenehme Haptik, schönes Gefühl am Morgen. Aber ich zahle trotzdem nicht 40 Euro für ein Handtuch. Da hab ich Zahlhemmung, obwohl ich sonst für nahezu jeden Kram 40 Euro zahle. In Hotels schwöre ich mir angesichts der blütenweißen Handtuchstapel sofort dergleichen daheim nachzubauen. Aber dann, in der ziselierten Bäder-Boutique in der Innenstadt schaffe ich es einfach nicht, auch nur zwei von den sündhaften Laken zu kaufen. Maximal zwei iPad-große Gästehandtücher lässt mein Frottier-Geiz zu. Vielleicht, weil ich an den Handtuchschrank früher bei uns denken muss, da waren dicke, große Handtücher bis an die Decke gestapelt und irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, dass meine Mutter dafür auch nur annähernd so viel Geld gezahlt hat. Bei mir reicht es dann doch immer nur zum dünnen Abklatsch im 3er-Pack, dem man verschämt die Klebebanderole abziehen muss und damit auch schon das halbe Frottier. Es gibt übrigens noch ein benachbartes Gut, bei dem ich ähnlich knauserig bin: Spannbetttücher! Die müssen noch nicht mal aus Ägypten kommen und erscheinen mir trotzdem als unangemessen ausgepreist: 25 Euro nur wegen dem bisschen Gummizug?
max-scharnigg


Kalbfleisch  
Ein echtes Wiener Schnitzel besteht aus Kalbfleisch. Und Wiener Schnitzel ist köstlich. Deshalb also einen wöchentlichen Schnitzeltag einführen? Nein, denn für zwei minimal kleine Scheiben zahlt man locker zehn Euro. Weil ich auf das köstliche Mahl trotzdem nicht ganz verzichten möchte, habe ich mir angewöhnt, mir vorzustellen, das Schweineschnitzel würde eigentlich aus Rind bestehen und anders schmecken. Klappt besser als man denkt. Aber ab und zu lass’ ich mich dann doch von Mama zu einem echten Wiener Schnitzel einladen.
magdalena-pemler




Funktionskleidung  
Funktionskleidung ist ja äußerst praktisch. Ich kann mich aber einfach nicht überwinden, für Joggingschuhe, Sporthosen oder Regenjacken mein Geld zu verschleudern, nur damit ich ein paar Tage im Jahr perfekt gedämmt, gestützt und geformt über die Straße laufen kann. Statt auf Gore-Tex oder Sympatex setze ich auf große Klassiker im Kleiderschrank. Mit den alten Turnschuhen lässt sich schließlich auch noch gut laufen und wenn es regnet, dann wird der Schal eben zur Kapuze umfunktioniert. Ratschläge zur Bekleidungsoptimierung schmettere ich sofort ab: Ich komme sehr gut allein zurecht. Auch ohne Spezialfaser. Ich werde nur manchmal ein bisschen nass.
sina-pousset

Super-Sorglos-Versicherungen  
„Wenn wirklich was ist, zahlen die eh nicht“, diesen Satz, wahlweise in der Stimmlage meiner Oma oder meiner Eltern, habe ich immer im Ohr, wenn ich eine Werbung für eine Versicherung sehe oder mir jemand persönlich eine andrehen will. Nicht so selbstverständliche Sachen wie Kranken-, Pflege- oder Rentenversicherung, die man sowieso haben muss. Sondern die Kategorie Hausratversicherung, Super-Rundum-Sorglos-Paket für den neuen Laptop oder das Handy, falls etwas auseinanderfällt, was nicht auseinanderfallen soll oder oder oder. Und natürlich die netten Herren vom ADAC, die irgendwie überall rumstehen und mit ihren Flyern winken. Ihr kriegt mich nicht, denke ich dann. Ich gebe doch nicht mein Geld für die Tatsache aus, dass was kaputt gehen kann, sondern lieber für Sachen, die kaputt gehen können. Und dann „zahlen die ja eh nicht.“
kathrin-hollmer



Haushaltsbedarf
Obwohl ich schon sehr früh meinen Dreck selbst wegmachen und meine Wäsche eigenständig verwalten musste, kann ich bis heute nur unter großem Jammern Geld für Haushaltsbedarf ausgeben. In Wohngemeinschaften war ich immer die, die keine Gemeinschaftsgüter mitbrachte und sogar stolz darauf war: Leute mit eigenen Haushaltsgeräten waren für mich vom selben Kaliber wie jene, die schon ein Kind in ihrem Leben herumschleppen, obwohl sie eigentlich noch zu leicht und zu frei dafür sind. Heute lebe ich längst in meiner ersten eigenen Wohnung und musste mir bereits diversen Haushaltsbedarf selbst kaufen - aber noch immer legt mir der Gedanke an Staubsauger, Feudel und Putzeimer ein graues Puder auf die Lebensgeister. Nie kommt mir der Besorgungsprozess schwerfälliger und mein Geld mir vergeudeter vor, als wenn ich es für grau-türkisen, naja, Plastikmüll aus dem Baumarkt ausgeben muss. Erschwingliche Putzsachen haben meistens die Formsprache einer 90er-Jahre-U-Bahn: Möchtegernflexibel, dabei aber einfach nur plump und seelenlos. Ich habe nicht einmal Orte, an denen ich den hässlichen Kram verstecken kann, mir fehlt eine Abstellkammer und mir fehlen Einbauschränke. Der Staubsauger steht jetzt in der Küche, der Feudel im Bad, sie sind hässliche Risse in meinem Zuhause und deprimieren mich jeden einzelnen Tag. Ich wünsche mir hier kommunistische Strukturen zurück: Jeder Bürger bekäme ein Set Haushaltsbedarf vom Staat geschenkt, zum Auszug, (und NICHT als Ersatz für Geburtstags- oder Weihnachtsgeschenke). Es wäre das schlichteste, perfekteste, unkaputtbarste und bewährteste, was es gibt, von zeitlosem Design, keiner weiteren Rede wert, mit Straußenfederstaubwedel als Feature.
mercedes-lauenstein


Unterwäsche
In der Unterwäschenabteilung überlege ich mir immer zwei Mal, ob ich sagenhafte 16,95 Euro für eine Unterhose ausgebe, die am Ende außer der Frau in der Umkleide vom Tennisverein und dem Freund (der einen ja sowieso liebt, wie man ist) kein Mensch sehen wird. Reizunterwäsche kommt sowieso nicht in die Tüte, die kostet ja noch mehr und wer trägt denn bitteschön den ganzen Tag eine zwickende und kratzende Spitzenunterhose, um darauf zu hoffen, dass es eventuell zu einem romantischen Abend kommt? Ich habe keine Lust, Geld für Dinge auszugeben, die ich brauche und kaufen muss. Da spar ich dann lieber die paar Euro und kann damit schön essen gehen oder Kaffee trinken.
vi-pham
 


Transportmittel
Wenn ich schon leben und dabei umtriebig sein muss, denke ich, dann sollte es mir auch ermöglicht werden, kostenlos von hier nach da zu kommen. Klingt total bescheuert, fühlt sich aber so an. Geld für ein Rad auszugeben ist noch in Ordnung, denn es ist dann mein eigenes kleines, jederzeit einsetzbares Gut und es erfordert nur eine einfache Pflege und ist mechanisch überschaubar. Geld für Züge und Flugzeuge auszugeben sind kleine Stiche, die mich immer ein bisschen unerwartet treffen, denn ich rechne nie mit diesen Ausgaben, ich denke immer nur an Aufenthalts- und Unterhaltskosten, immer nur die Kosten des Ziels, nie aber an die Kosten für den Weg zum Ziel. Geld für den städtischen Nahverkehr auszugeben musste ich mir mittlerweile angewöhnen, weil ich die Schwarzfahrstrafen nicht länger strapazieren konnte. Tatsächlich ist es schön, neuerdings entspannt in jede Bahn einsteigen zu können – und deshalb müsste mein Fazit lauten: Ich gebe gern Geld für den Nahverkehr aus. Tue ich aber nicht. Es ist eine so unsichtbare Ausgabe, für die ich zwar etwas bekomme, aber eben etwas, das ich als selbstverständlich empfinde. Mein Geld für das Mitfahren über drei Tramhaltestellen auszugeben, das kommt mir etwa so überflüssig vor, als müsste ich für den Asphalt auf dem mein Rad fährt Vignetten kaufen, meterweise. Was mir aber von allen Transportmittelausgaben noch die schlimmste Variante scheint, ist die Investition in ein eigenes Auto. Die für Anschaffung und Unterhalt aufzubringenden Summen stehen meiner Meinung nach in keinem Verhältnis zu dem Vorteil, die es mir brächte, ganz abgesehen von der lästigen Parkplatzsuche. Am schlimmsten ist, dass ich das Auto meines Freunds trotzdem gern und oft fahre. Ich bin ein Schmarotzer.

mercedes-lauenstein

Text: jetzt-redaktion - Foto: jala / photocase.com

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