Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Mädchen, warum seid ihr so geheimnisvoll?

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Die Jungsfrage:

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Heute bekommen wir in der Jungsfrage mal prominente Unterstützung und zwar von Bret Easton Ellis, der den älteren noch als Literatur-Rabauke bekannt sein dürfte. Der Twitterfeed des Schriftstellers ist bisweilen recht unterhaltsam, neulich etwa gab es einen ganzen Aufwurf zum Thema: Wie Frauen so sind. Das las sich dann so:  

Tonight. Dinner. Three men. One woman. A conversation about transparency. The conclusion being that women are incapable of transparency...  
Ive met many men who are transparent but I've probably never known a woman who is totally transparent. Not good or bad. It is what it is...  
 I think it's just that women's natural inclination leans towards secrecy, mysteriousness, an otherness lodged in their DNA. It's not a slam.  
Men are liars but in a fairly boring and predictable way. Women, on the other hand, have strange complicated ways of lying that trump men.  
The woman the three men had dinner with tonight admitted that yes: women do not have the transparency that men have because "we care more."  
It took me 48 years to finally understand women. I do now. It's horrifying.    

Soweit also der Frauenversteher Bret Easton Ellis. Interessant ist das ja schon, was er da so umkreist: Frauen, als ewig unwägbares und undurchsichtiges Geschlecht. Wenn ich das mal, wie man in der Lokalredaktion sagt, runterbreche auf mein Leben, ist da schon etwas Wahres dran. Es ist jedenfalls immer schwerer vorauszusagen, wie eine Frau auf etwas reagieren wird, als ein Mann. Ihr seid nicht eins zu eins, eure Verstimmungen sind komplizierter, eure Absagen geheimnisvoller, eure Zuneigungen tiefgründiger. Ihr habt verschiedene Gesichter und kennt verschiedene Spiele und das meine ich gar nicht intrigant, sondern eher als Kompliment, Ihr seid eben vielschichtig wie eine Prinzregententorte, tragt euer Herz nicht auf der Zunge, kurzum, spielt das Klavier der menschlichen Zwischentöne vierhändig. Aber stimmt das, ist das wirklich etwas, das man als Frau bewusst tut, verschleiern, im Unklaren lassen, was anderes sagen als meinen? Wer erzieht euch dazu oder was? Fällt euch das an anderen Frauen auch auf, oder, Bret bewahre, auch bei Männern?     

Auf der nächsten Seite kannst du die Mädchenantwort lesen.



Die Mädchenantwort:

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Ah! Bret Easton Ellis, der Mann mit DER ANDEREN MEINUNG in Großbuchstaben! Die er via Twitter der Welt mitteilt, die ihm einfach nicht zuhören will, woraufhin er dann wirklich sauer wird. Und der erzählt uns was über Frauen. Diese geheimnisschwangeren Wesen, die ständig eine Agenda verfolgen und so gut lügen, dass sie es nicht einmal mehr selbst merken...  

Ich versuche, die Sache mal von hinten aufzuzäumen und so vielleicht eine Antwort auf die Frage zu finden: Ich bin auch Jahre, nachdem sich mein Detektivclub aufgelöst hat, noch immer davon überzeugt, dass aus mir eine sehr gute Privatdetektivin geworden wäre. Denn ich liege überdurchschnittlich oft richtig, wenn ich von der Handlung einer Person auf die dahinterliegende Motivation schließe. Es ist nämlich, und das mag euch Jungs jetzt womöglich den Boden unter den Füßen wegziehen, oft gar nicht so, dass Menschen immer etwas aus genau den Gründen tun, die sie gerade laut verkündet haben.  

Manchmal wollen sie nicht gleich der ganzen Welt auf die Nase binden, warum sie etwas tun. Oder sie wissen es sogar selbst gar nicht so genau (Stichwort: Unterbewusstsein). Es gibt fast immer einen guten Grund für unser Verhalten und wenn man nur ein bisschen genauer hinschaut, sich für den Menschen interessiert, zwei und zwei zusammenzählt und auch mal eine Unbekannte in die Rechnung mit aufnimmt, dann kommt man gar nicht so selten zur richtigen Schlussfolgerung.  

Wann immer ich allerdings meine Theorien vor meinem Freund ausbreite (Die Daniela ist hundertpro schwanger, seit Wochen geht die alte Partyschnitte nicht mehr aus, hat immer einen länglichen Schal an und außerdem hat sie sich neulich mit fadenscheinigen Ausreden geweigert, einen Kasten Bier die Treppe hoch zu tragen. oder Der Tom hat gestern zwei Mal so furchtbar deprimiertes Zeugs auf Facebook gepostet, bestimmt hat ihn die Marlene wieder verlassen), erwarte ich eigentlich, dass er mir zustimmt, das Für und Wider meiner Herleitung erörtet und mir seine eigenen Theorien zu anderen Menschen mitteilt.  
Und was kommt stattdessen? Nichts. Mein Freund schaut mich mit leerem Blick an und sagt dann meist so etwas Ähnliches wie "Echt?" Aber vielleicht hatte die Daniela einfach keine Lust, schwer zu tragen. Und vielleicht hatte der Tom einfach einen schlechten Tag.  

Oh. Mann. Während also in meinem Kopf hundert Berechnungen gleichzeitig abliefen, die die Aussage eines Menschen mit seinen Handlungen, meinem Wissen über ihn und den äußeren Umständen unter spezieller Berücksichtigung der Tageszeit und des Wetters abgleichen, herrschte im Kopf meines Freundes komplette Funkstille. Weil er keinen Grund dafür gesehen hat, die Aussage zu hinterfragen. 

 Treffe ich dagegen meine Freundinnen, dann können wir stundenlang unsere Menschentheorien austauschen, einander mit Zusatzinformationen füttern und wenn wir so ein Mood-Board hätten, wie sie in amerikanischen Spionage-Serien oft vorkommen, dann wäre das binnen kürzester Zeit vollgekritzelt und die Wolle wäre uns auch ausgegangen vor lauter Zusammenhänge herstellen. 

     Ich glaube, die meisten Frauen beobachten ihre unmittelbare Umwelt ziemlich genau. Wir machen die Augen auf und interessieren uns (ja, manchmal durchaus auch bis zu einem ungesunden Maß) für unsere Mitmenschen. Dafür gibt es viele evolutionsbiologische und küchenpsychologische Gründe, die fast alle etwas damit zu tun haben, dass wir von Kindheit an eingetrichtert bekommen, uns als soziale Wesen zu verhalten und mit unserer Umwelt zu interagieren, uns tendenziell mehr Rücksichtnahme auf andere Menschen abverlangt wird und wir auch oft noch immer die Rolle des zwischenmenschlichen Klebstoffs in Beziehungen übernehmen. Da wird man irgendwann unweigerlich zum Menschendetektiv.  

Um jetzt zum Ende doch noch auf Ellis' Anwürfe einzugehen: Ich glaube, es ist gar nicht so, dass wir so viel geheimnisvoller sind als ihr. Oder so viel durchtriebener. Ihr seid manchmal einfach nur ein bisschen schlichter in eurer Wahrnehmung. Und ich glaube nicht, dass es speziell Frauen unmöglich ist, ein transparentes Leben zu führen. Ich glaube, das ist keinem Menschen möglich. Ellis mag von sich glauben, dass er genau so rüberkommt, wie er in jedem Moment fühlt. Wenn er sich da mal nicht geschnitten hat. Oder wie ich schon immer mal sagen wollte: Da irrt Goethe, beziehungsweise Ellis.

penni-dreyer

  • teilen
  • schließen