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Hard Skills, please

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So weit ist es schon gekommen. Die Fachhochschule Fulda bietet einen Studiengang für „Sozialkompetenz“ an. Teilnehmer des berufsbegleitenden Weiterbildungsprogramms belegen zunächst den Kurs „Zwischenmenschliche Kommunikation I“, darauf aufbauend „Zwischenmenschliche Kommunikation II“, es folgen „Kommunikation im Team“ und „Persönlichkeitsentwicklung“. Nach zwei Semestern bekommen die Studenten dann von akademischer Stelle zertifiziert, dass sie jetzt mit Menschen können.

Was in Fulda passiert, ist vielleicht nur die abstruseste Curricularisierung eines Blabas, das allenthalben um sich greift in der Ausbildungs- und Arbeitswelt. Schule, Uni, Dozenten, Freunde mit und ohne BWL-Hintergrund schwadronieren darüber, wie wichtig all das ist, was nicht in ihren Ausbildungsordnungen und Lehrplänen steht. Wie unbedeutend das Fachliche und wie entscheidend alles Menschliche ist für Geld, Prestige, Erfolg. „Gute Noten haben heute alle“, deklamiert eine Rhetoriktrainerin in einem dieser Seminare mit für einen klar denkenden Menschen schleierhaftem Selbstvertrauen. „Soft Skills, das ist es, was heute zählt.“

Es ist nicht neu, dass es plötzlich nicht mehr nur wichtig erscheint, was wir können und gelernt haben, sondern dass auch zählt, wer und wie wir sind. Schon der Publizist Siegfried Kracauer beobachtete Anfang der 30er-Jahre, wie der im Arbeitsleben neu aufkommende Typus des Angestellten psychisch von oben bis unten vermessen wird – mit Fragebögen, grafologischen Gutachten, Diagnosegesprächen und Persönlichkeitsinterviews. Beim Arbeiter in der Fabrik reichte es dem Chef noch zu wissen, dass er zupacken kann. Bei Sekretärinnen, Verwaltungsbeamten und Bankangestellten brauchte es die „Totalschau“. Die Soziologin Eva Illouz hat gezeigt, dass der Psychosprech im 20. Jahrhundert von den Unternehmen aus seinen Siegeszug durch die Gesellschaft antrat: Schon die ersten Personalberater ähnelten Psychologen.
Klar, man könnte naiverweise erst einmal davon ausgehen, dass die Arbeitswelt dadurch menschlicher wird, persönlicher, wärmer und freundlicher. Aber der Ruf nach Soft Skills bedeutet, dass die Ansprüche steigen, dass uns noch mehr abverlangt wird im Job.

Und wir wissen noch nicht einmal genau, was. Wir sollen teamfähig sein und durchsetzungsstark, uneitel und zielstrebig, ehrgeizig und anpassungsfähig, flexibel und beharrlich. Bestenfalls tut man diese Anforderungen als Büro-Binsen ab und vergisst sie schnell. Nimmt man sie dagegen ernst, stellt man fest, dass sie nicht so recht zusammenpassen. Die Fähigkeiten, die wir für die moderne Arbeitswelt mitbringen sollen, widersprechen einander. Damit die Widersprüchlichkeit nicht auffällt, wird sie im Jargon des Personalmanagements als „weich“ umetikettiert.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Der Widerspruch hat Methode: Wenn die Anforderungen der Arbeitswelt einander ausschließen, heißt das auch, dass man sie nie ganz wird erfüllen können. Sobald man irgendwo in seinem Qualifikationsprofil ein Häkchen setzen kann, tut sich an anderer Stelle fast auto-matisch eine Lücke auf. Was bleibt, ist ein ständiges Gefühl des Nichtgenügens. Obwohl man in Wirklichkeit natürlich sämtliche wichtigen Voraussetzungen für seinen Job erfüllt. Denn mal ehrlich: Letztlich geht es bei der Arbeit doch nur darum, dass der ganze Kram erledigt wird.

Das Perfide ist, dass das Gefühl des Ungenügens nicht im Job hängen bleibt. Es begleitet uns wie die Dienstmails, die wir auch nach Feierabend noch beantworten. Es verfolgt uns wie der Anruf des Chefs, der uns natürlich auch im Urlaub auf dem Handy erreichen kann. Bereits Siegfried Kracauer beschrieb in seiner Angestelltenstudie die „von den Charakteranalysen her drohende Gefahr eines Übergriffs in die Privatsphäre“. Die Psychologisierung der Arbeitswelt bedeutet, dass auch deren Probleme psychologisch zu interpretieren sind. Klappt es im Büro nicht, liegt das nicht mehr nur an der schwierigen Wirtschaftslage oder dem falschen Fach, das wir studiert haben. Irgendwas tief in uns drin ist mitverantwortlich. Soll die Persönlichkeit für den Erfolg bestimmend sein, ist sie das auch für unser Scheitern. Da wird der hübsche Soft-Skills-Jargon brutal: Er führt uns direkt in eine „Welt, in welcher persönliche Niederlagen, auch wenn sie sozial bedingt sind, sozial kompetent eingesteckt werden“ müssen, schreibt der Basler Bildungsphilosoph Roland Reichenbach. Protest verrät mangelnde Sozialkompetenz.

Indem überall Soft Skills eingefordert werden, wird nicht nur unsere ganze Person in Mithaftung für sämtliche Übel der Arbeitswelt genommen. Wir müssen auch deren Ungerechtigkeiten hinnehmen.
Eigentlich lebt eine moderne Gesellschaft von dem Versprechen, dass die besten Stellen nach Leistung und Begabung vergeben werden, nach klaren Kriterien, an denen sich jeder orientieren kann. Aber was ist gerecht, wenn der Aufstieg von weichen, widersprüchlichen Qualifikationen abhängen soll?

Die Soziologen Michael Hartmann und Johannes Kopp haben die Lebensläufe von 6500 promovierten Ingenieuren, Juristen und Wirtschaftswissenschaftlern ausgewertet, also von fachlich bestens qualifizierten Leuten. Das Ergebnis: In die obersten Chefetagen schaffen es nur diejenigen unter ihnen, die aus dem richtigen Elternhaus stammen. Nur sie haben von klein auf die feinen Codes und Umgangsformen des gehobenen Bürgertums gelernt und verinnerlicht, mit denen sie ihren Förderern signalisieren, dass sie denselben Kreisen entstammen. Ist das gerecht? Man fände bestimmt ein paar Soft Skills, mit denen sich legitimieren ließe, dass sich in den Führungsetagen immer derselbe Schlag Mensch verschanzt. Weltgewandtheit, Stil, Etikette, was auch immer.

Gute Doktoranden aus Arbeiterfamilien bleiben derweil unterwegs stecken. Genau wie Frauen, die irgendwann mit ihrem Kopf an die gläserne Decke knallen beim Versuch, auf der Karriereleiter nach oben zu kommen. Woran das liegt? Soft Skills natürlich. Fehlendes Alphatiergehabe,  untrainierte Ellenbogen, mangelndes Gespür für Herrenwitz. Daran zeigt sich wieder die Verlogenheit des Soft-Skills-Konzepts: Man könnte den Aufstieg auch mit den genau entgegengesetzten Eigenschaften rechtfertigen.
Wir sind so gut ausgebildet wie keine Generation vor uns. Warum sind wir nicht selbstbewusst und treten das Soft-Skills-Gerede, das uns überall entgegenschlägt, in die Tonne? Konzentrieren wir uns besser auf das, was bei der Arbeit wesentlich ist: dass der Kram erledigt wird.

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