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Geheimes Gesetz (17): Feinde im Spirituosenregal

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Das Gesetz:
Jeder hat einen Schnaps zum Feind. Meistens ist es der Tequila, der in der Jugend einmal zu viel war. Und für immer zu viel bleibt.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Es war eine dieser Nächte: Jemand hatte sturmfrei, die ganze Klasse war da, ein Rabauke hatte ein paar Flaschen Hartes mitgebracht. Man kannte die Wirkung, man war ja kein Kind mehr, Prost! Doch plötzlich war es passiert: Das Tröpfchen Alkohol mehr, das aus einer amüsanten Abfahrt eine Via Dolorosa macht, war in der Blutbahn. Man hatte zu viel getrunken. Die nächsten Stunden: bitter wie Galle. Man lernte auf die harte Tour, wie gemein ein Gesöff zurückschlagen kann, wenn man die eigenen Reflexe überlistet und schneller nachkippt, als die Leber verarbeiten kann. Bett vollgekotzt, Filmriss, mit offener Hose fotografiert – der Teufel hat den Schnaps gemacht, um uns was zu lehren. Die wortwörtliche Retourkutsche eines mit Ethanol vergifteten Körpers fördert einige der zugeführten Flüssigkeiten noch einmal zu Tage. Und was dem armen Zecher über und in der Toilette Gesellschaft leistete, was ihn letztendlich killte, ist auf ewig Tabu. Es ist das Geheime Gesetz des Schnaps: Jeder hat einen Feind im Spirituosenregal. Erstaunlich oft ist es Tequila. Oder eine andere Sorte Alkohol, von der er einmal zu viel hatte. Und die für immer zu viel bleibt.

Noch Jahre später – längst ist man vom Eventsäufer zum Genusstrinker gereift – kann man das Elixier der Entartung nicht ab. Schon der Geruch, nein, gar der bloße Anblick der Flasche löst einen Würgereiz aus. Flackernde Flashbacks schießen durch das geläuterte Bewusstsein, man murmelt den Schwur: Nie wieder, nie wieder! Bestellt also jemand arglos eine Runde, quietscht mindestens ein Opfer: „Vergesst es! Niemals wieder werde ich das Teufelszeug trinken!“ Dann wird die grauenvolle Geschichte noch einmal aufgewärmt, übertriebene Alkoholmengen kolportiert, der Kurze wohlbegründet abgelehnt. Alles, nur nicht diese flüssige Nemesis rührt man an. Schließlich wird eine Ausnahme gemacht: „Dann eben fünf Tequila und einen Jägermeister.“
„Oh Gott“, schreit der nächste, „wie kannst du nur! Ich hab mal eine halbe Flasche Jäger auf ex, ich wäre beinahe gestorben, damit bin ich fertig!“
„Nimm halt Sambuca!“
„Ihhh, davon hab ich mal eine Nacht lang gespieen!“

Gemeinsam stellt man fest: Das Leben ist zwar nur ein Spiel, aber jeder hat einen alkoholischen Endgegner. Deswegen einigt man sich schließlich auf einen Exoten, den keiner kennt. Damit heute noch, in einer dieser Nächte, alle zu viel trinken können.

Text: friedemann-karig - Illustration: Katharina Bitzl

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