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Text: pajaroj123
Jeder Mensch braucht ab und an mal ein bisschen Zeit für sich. Einen Moment in dem er mit sich alleine sein kann. Zum Nachdenken, zum zur Ruhe kommen, zum Träumen, zum einfach mal nicht Reden müssen. Schon als Kind braucht man diese Zeit. Endlich mal keine Mutti und kein Vati die sagen man soll sein Zimmer aufräumen, kein Bruder oder keine Schwester, mit denen man sich um das Lieblingsauto oder die Lieblingspuppe streitet. Man möchte einfach mal kurzzeitig in Ruhe gelassen werden.

 Wenn ich als Kind diesen Wunsch hatte, habe ich mir immer Höhlen gebaut. Kennt ihr das noch ? Ich habe mich in meinem Zimmer verbarrikadiert, habe sämtliche Decken, Bettlaken und -bezüge gesammelt (meistens auch die frisch gebügelten aus dem Schrank sehr zum Leidwesen von Mutti) und diese dann irgendwie an Bettpfosten und Stuhllehnen festgebunden und in Bücherregale geklemmt bis ich schließlich meine eigene kleine Höhle konstruiert hatte. Natürlich mit verstecktem Eingang und wenn es vom Platz her möglich war mit nicht nur einem, sondern gleich zwei oder drei Räumen. Dann wurden Kissen und weitere Decken in die Höhle geschleppt (jede Räuberhöhle hat auch ein Wohnzimmer) und die Lieblingskuscheltiere als einzige stillschweigende Verbündete durften auch mit einziehen (in jeder Räuberhöhle gibt es immer einen Anführer und die anderen, die seinen Befehlen folgen). Als letztes musste noch das Lieblingsbuch und Papas Taschenlampe mit in die Höhle (auch ein Räuber hat mal nichts zu befehlen und dann braucht es ein Buch und natürlich auch Licht) und schon war alles perfekt. Ich war in meiner kleinen, dunklen, sicheren Welt. Dann war ich der Räuberhauptmann oder wer immer ich gerade sein wollte, aber das beste war: ich war unsichtbar. Nur ausgewählte Freunde durften die Höhle betreten und wenn dann nur wenn sie mich als den Hauptmann akzeptierten. Schließlich hatte ich die Höhle gebaut. Brüdern war der Zutritt komplett verboten und Mamas und Papas durften nur dann kurz einen Blick in mein Versteck werfen, wenn sie das Zauberwort kannten ( das ich meistens nicht mal selbst kannte) bei dem sich der Eingang wie von Zauberhand öffnete. Na ja meistens kam das Zauberwort in Form einer Tasse heißer Schokolade und eines Tellers mit Honigbroten, das war dann auch okay. Da war ich damals auch zufrieden damit (und schließlich hat auch ein Räuberhauptmann irgendwann mal Hunger).

Wenn ich heute Zeit für mich brauche, dann baue ich keine Höhlen mehr. Oder sagen wir, nicht die gleiche Art von Höhle. Heute mache ich es mir auf dem Sofa gemütlich auch mit Kissen und Decken, ich zünde mit ein paar Kerzen an (als Ersatz für die Taschenlampe) und nehme mir eine Zeitschrift oder ein Buch zur Hand (auch das ist gleich geblieben). Ich versuche einfach ein bisschen abzuschalten. Das fällte mir heute allerdings irgendwie immer schwerer als früher. Ich habe mehr im Kopf, mache mir mehr Gedanken, bin unruhiger und brauche auch deutlich mehr Zeit um wieder "runter zu kommen". Als Kind war das irgendwie einfacher. Meine Kuscheltiere versammle ich übrigens nicht mehr um mich, die sind mitlerweile (fast) alle verpackt in Kartons im Keller meiner Eltern. Die heiße Schokolade und den Teller mit Honigbroten würde ich allerdings auch heute noch jederzeit dankend annehmen (auch wenn ich heute wohl selbst für die Zubereitung zuständig wäre). Das ginge dann im Notfall auch ohne Zauberwort.


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