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Früher

Text: Zwischenruf
Vor zwei Jahren habe ich abends in meinem privaten Mailaccount gestarrt bis meine Augen vor Erschöpfung und dieses lächerlich kleine Herz vor Enttäuschung tränten. Heute schaue ich in meinem offiziellen und weiß, dass Du Dich nicht melden wirst, denn eigentlich liegst Du mit einer fiesen Bangkok-Gripppe flach. Ganz ehrlich: Genau so siehst Du aus. Krank und elend und reif fürs Bett. Früher hätte ich mir den Spruch verkniffen, dass ich diese Laken gerne mit Dir teilen würde, heute lachen wir beide darüber und wissen doch, dass es ernst ist. Früher hätte ich versucht, den Mann meiner Träume zu überzeugen, dass für uns ein Leben drin ist, heute versuche ich Dir klarzumachen, dass ich gar nichts gegen schlichten, guten Sex einzuwenden hätte. Dass Du so ziemlich genau die Kriterien für den Job des Traumprinzen erfüllst, weißt Du eh.
Früher wäre es mir nie passiert, dass ich einfach mal so in eine Stadt fliege, die ich nicht kenne, ganz alleine dort Museen, Bars, Kirchen, Sehenswürdigkeiten, Theater und Männer ablaufe, nach Hause komme mit einem Herzbeben, weil ich mich eben nicht mehr daran erinnern kann, wie der letzte dieser Typen denn aussah, weil ich dummerweise nur Dich im Kopf habe und Deine Küsse, die so herrlich unschuldig-schuldig sind, dass sie mir nach Monaten noch den Schlaf rauben.
Früher wäre es mir nie passiert, einfach mal so meinen Doktorvater zu umarmen, weil die guten Nachrichten fantastisch sind und dabei heimlich den Test zu machen, was ich denn genau dabei fühle. Heute tue ich genau das und stelle fest, dass ich nur daran denken kann, wie es sich anfühlt, Deinen Körper zu spüren.

Früher wäre es mir nie passiert, dass Freunde mich anschauen und mich fragen, was denn bitte mit mir los sei und ich keine Antwort habe außer einem matten Schulterzucken und dem nächsten Termin. Heute ist das normal und ich weiß dabei ganz genau, was mit mir los ist: Ich habe Dich kennen gelernt und das durfte einfach nie und nimmer passieren. Denn plötzlich habe ich das Gefühl, dass in meinen mühsam erworbenen Erfahrungen ein paar fehlen, die von der Leichtigkeit des Seins Bericht erstatten und dabei mein ganz eigenes Tempo haben - Lichtgeschwindigkeit.
Plötzlich bist Du zu dem Mittelpunkt der Welt geworden und legst mir sie zu Füßen, wenn Dir danach ist. Und wenn nicht, dann legst Du mir eine rote Blüte aus Seife in Herzform eingelassen in die Hand mit einem so schiefen Lächeln, dass wir beide gar nicht anders können, als zu lachen.
Nie und nimmer hätte ich jemandem gesagt, dass ich ihn liebe und heute schreibe ich Dir genau das, weil es stimmt und weil ich weiß, dass Du so behutsam mit mir umgehen wirst, dass ich gar keine Angst um mein lächerlich kleines Herz haben muss, das gerade lernt, was es heißt, umsorgt zu werden.

Und sie sehen uns an und fragen nach Stunden, was wir hier eigentlich genau tun und wir zucken nur müde die Schultern, stecken die Köpfe zusammen und tauchen auf, um zu lachen und nach Luft zu schnappen. Ich will nicht ohne Dich sein und auch wenn Du das alles nicht glauben wirst, dann merke ich mit jedem Moment, in dem Du neben mir sitzt, dass ich auf Dich nicht mehr verzichten kann. Du machst süchtig, und Du machst glücklich. Nimm das Deiner kleinen Träumerin nicht.

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