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Der Streit ums Bezahlstudium

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Seit 2005 wurden in sieben Bundesländern allgemeine Studiengebühren eingeführt. Die vom Verfassungsgericht auf 500 Euro pro Semester gedeckelten Beiträge waren von Beginn an extrem unpopulär. Wenig überraschend, denn fast niemand bezahlt gern 1000 Euro im Jahr für etwas, das vorher immer kostenlos zu haben war (zumindest seit 1970) und an anderen Hochschulen weiterhin kostenlos zu haben ist (zumindest, wenn man die teilweise beachtlichen Semesterbeiträge mal unterschlägt). Aktuell erheben nur noch zwei Bundesländer, nämlich Niedersachsen und Bayern, Gebühren. Nun deutet einiges daraufhin, dass sich auch Bayern vom Bezahl-Studium verabschiedet.  



Über den Sinn von Studiengebühren wird deshalb gerade wieder heftig debattiert. Dabei werden die unterschiedlichsten Argumente pro und contra ausgetauscht. Damit du dir deine eigene Meinung bilden kannst, kannst du dir auf den nächsten Seiten einen Überblick über zentrale Argumente in der Diskussion verschaffen.


Pro Studiengebühren: Studienbeiträge verbessern die Lehre

In einem Interview mit der Tageszeitung "Die Welt" argumetierte so heute Horst Hippler, der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz: "Das Geld aus den Studienbeiträgen wird dringend gebraucht, um die Studienbedingungen vor Ort zu verbessern. Nicht nur in Bayern, überall." Das Hochschulsystem sei chronisch unterfinanziert, deshalb sei eine Beteiligung der Studenten an den Ausbildungskosten unumgänglich.

Der bayerische Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch von der FDP betont, dass in Bayern mehr als 800 Millionen Euro in den vergangenen Jahren für neue Bücher, Computer und Dozenten ausgegeben worden seien. Er findet: "Die Mittel verbessern die Lehre." Es gibt allerdings auch erhebliche Zweifel, ob Gebühren die Lehre tatsächlich deutlich verbessern und wirklich sinnvoll eingesetzt werden.

Contra: Gebühren schrecken Studieninteressierte aus ärmeren Familien vom Studium ab

Über Jahre wiederholten Gebührengegner es geradezu mantraartig: Studienbeiträge halten insbesondere Abiturienten aus ärmeren Familien davon ab, an die Uni zu gehen. Ein besonders schwerwiegendes Argument war das, ist doch das große Problem des deutschen Bildungssystems, dass es so wenig sozial durchlässig ist. Lange Zeit war die abschreckende Wirkung der Gebühren deshalb das Hauptargument der Gegner - ohne dass diese zunächst einmal sehr plausible Annahme tatsächlich wissenschaftlich überprüft wurde. 2011 veröffentlichten zwei Sozialforscher vom ideologisch unverdächtigen Wissenschaftzentrum Berlin allerdings eine Studie, die das Argument fraglich erscheinen lässt - zumindest für die in Deutschland erhobenen 500 Euro pro Semester. So heißt es in der Analyse: „Zusammengenommen widerlegen die Ergebnisse einen negativen Effekt von Studiengebühren auf die Studierabsicht der Studienberechtigten.“
Das Argument contra Studiengebühren ist aber trotzdem nicht totzukriegen, wohl auch weil die WZB-Studie natürlich keine Aussage darüber treffen kann, ob höhere Studiengebühren nicht doch abschreckend auf Abiturienten aus weniger gut situierten Elternhäusern wirken würden. 


Pro: Ein kostenloses Studium subventioniert eine Elite

Wer studiert hat, der zieht viele Vorteile aus seinem Studium, argumentiert Christian Füller in der taz. Doch da immer noch hauptsächlich Akademikerkinder in Deutschland studieren, würde so den eh schon Privilegierten das Studium komplett von der Allgemeinheit finanziert. Dass dieses Argument in der Debatte bisher kaum eine Rolle spielt, liegt seiner Meinung nach daran, dass die Studierten und Studierende ihre Privilegien gewahrt sehen wollen. So schreibt er: "Der wahre Grund aber, warum Akademiker das Bezahlstudium bekämpfen, ist sehr einfach: Jeder ist sich selbst der Nächste."

In der Financial Times Deutschland äußert sich der Wirtschaftswissenschaftler Stefan Winter ähnlich, der sich für nachgelagerte Studiengebühren ensetzt, wie es sie in Australien gibt. Winter, Monatsnettoeinkommen 5000 Euro, hat begonnen seiner Alma Mater, der Uni Hannover, auf eigene Faust monatlich 100 Euro zu überweisen, weil er "ein komplett kostenfreies Studium auch für Topverdiener für sozial hochgradig ungerecht halte. Das ist Umverteilung von unten nach oben."

Contra: Bildung ist ein öffentliches Gut

Bildung ist kein Privatvergnügen, sondern von allgemeinem Interesse und sollte deshalb auch staatlich finanziert werden. So argumentiert unter anderem der studentische Dachverband "zfs": In einer aktuellen Erklärung des "zfs" zur Debatte, ob die Gebühren in Bayern abgeschafft werden sollen, heißt es: "Die Abschaffung wäre ein großer Erfolg für den Kampf gegen Bildungsgebühren und ein Bekenntnis zur staatlichen Verantwortung für die Bildung. Bildung darf als öffentliches Gut nicht in Frage gestellt werden."
Dabei spielt ganz wesentlich die Sorge eine Rolle, dass auch vergleichsweise moderate Gebühren ein Einfallstor darstellen können und sich der Staat sukzessive aus der Bildungsfinanzierung zurückzieht. Der Dachverband weist daraufhin, dass mit Studiengebühren "in der Vergangenheit immer wieder Sparmaßnahmen in der Bildung legitimiert" wurden. Wer sich die Entwicklung in Großbritannien ansieht, wo mit steigenden Gebühren die staatlichen Zuschüsse sinken beziehungsweise Mittel von der Lehre in die Forschung verlagert werden sollen, wird die Besorgnis der Studentenvertreter nicht für unbegründet halten.


Text: juliane-frisse - Foto: dpa

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