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Zurück in die 50er Jahre

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Wer sein Studium nicht erst gestern abgeschlossen hat, wird sich mit Grausen an die Kopierstunden zum Semesterstart erinnern. Erst stand man ewig an, um überhaupt in greifbare Nähe des Kopierers zu gelangen, dann fütterte man diesen päckchenweise mit dem Inhalt eines Semesterordners und wenn man es dann irgendwann doch nach Hause schaffte, stellte man fest, dass man den falschen Ordner kopiert hatte.  

Heute gibt es meistens elektronische Semesterapparate, die dem Studenten das Kopieren ersparen. Die gesuchten Texte stehen in der Bibliothek online zur Verfügung. Kein Rumsuchen mehr und auch keine Schnittwunden am Finger vom scharfen Papier. Diese entspannten Szenen könnten bald der Vergangenheit angehören: Falls der Paragraph 52a des Urheberrechtsgesetzes nicht rechtzeitig verlängert wird, dürfen Professoren ihren Studenten ab 2013 keine Literatur mehr in Semesterapparaten zur Verfügung stellen.  

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Einfach die Materialien aus dem vom Dozenten zusammengestellten Ordner kopieren - damit könnte bald Schluss sein.

Dr. Klaus-Rainer Brintzinger ist Vorsitzender des Vereins deutscher Bibliothekare. „Bibliotheken dienen keiner Umsonst-Kultur, sondern sind Bildungsvermittler“, sagt Brintzinger. „Auch die Nutzung von Textpassagen in elektronischen Semesterapparaten ist nicht kostenlos - die Bundesländer leisten dafür eine Abgabe. Diese wird an die Urheber verteilt." Trotzdem waren die wissenschaftlichen Verlage beim Thema 52a von Anfang an kritisch. „Die zeitliche Begrenzung des Paragraphen war ein Kompromissversuch des Gesetzgebers“, erklärt Brintzinger, „man wollte es einfach versuchen und sehen, welche Konsequenzen den Verlagen entstehen.“ Nach Ansicht von Frank Simon-Ritz, Vorstandsmitglied des deutschen Bibliotheksverbandes, haben die wissenschaftlichen Verlage seitdem nicht klar dokumentieren können, dass ihnen durch die Semesterapparate finanzieller Schaden entstanden sei. Die Geltung des Paragraphen wurde trotzdem nur zeitlich begrenzt verlängert.    

In seiner Funktion als Direktor der Münchner Universitätsbibliothek hofft Dr. Brintzinger auch diesmal zumindest auf eine Verlängerung der Geltungsdauer: „Würde der Paragraph gestrichen, müssten wir alle e-learning Module, die urheberrechtlich geschütztes Material enthalten, abschalten.“ Das Studium an sich würde diese Maßnahme zwar nicht verhindern, aber zeitgemäß wäre es auch nicht. „Man würde in die Mitte des 20. Jahrhunderts zurück katapultiert werden und das kann keiner wollen“, ist sich Brintzinger sicher, „schon gar nicht in einer Zeit doppelter Abiturjahrgänge.“  

Anders als Simon-Ritz blickt Brintzinger aber noch einigermaßen entspannt in Richtung Berlin: „Es gab Andeutungen, dass der Paragraph zum 31. Dezember zumindest nicht ersatzlos gestrichen werden soll. Man wird sich in den kommenden Wochen auch noch mal mit Politikern aller Parteien und wichtigen Personen aus der Wissenschaft besprechen“, sagt der Direktor der Münchner Universitätsbibliothek. "Außerdem", merkt er an, "gibt es noch andere offene Probleme im Zusammenhang von Wissenschaft und Publikation. Der Paragraph 52a ist nur ein Indikator für die ungelösten politischen Fragen im Bereich des wissenschaftlichen Urheberrechts." 

In Berlin wartet man erstmal ab, so kann sich wenigstens keine Seite beschweren. Bis zum 31. Dezember wird trotzdem eine Entscheidung gefällt werden. Vermutlich wird es eine vorläufige Verlängerung werden.

Text: magdalena-pemler - Foto: dpa

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