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"Irgendwie geht es der ganzen Welt gerade ziemlich scheiße."

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jetzt.de: Steve, die neue Single ist für eure Verhältnisse ungewohnt ruhig und regelrecht schön. Gibt „Don’t you worry Child“ der Swedish House Mafia einen liebevolleren, melodischeren Anstrich.
Steve Angello: : Ja. Und nein. John Martin singt das wirklich phänomenal toll. „Don’t you worry Child“ ist für uns so etwas wie eine „Wir-retten-die-Welt“-Nummer, sehr euphorisch und episch. Und jeder Mensch, überall auf der Welt, kann die Aussage des Liedes unterschreiben und sich mit dem Inhalt identifizieren. Wegen des Textes. „Child“ ist ein emotionaler Song, ein echter Song aus Fleisch und Blut.

Was für Dancemusic, eure eingeschlossen, eher ungewöhnlich ist.
Da hast Du nicht Unrecht. Dance, Techno, House, alle diese Genres basieren ja zum überwiegenden Teil aus Monotonie. Es sind die immer gleichen Sounds, die dir beim Zuhören und beim Tanzen langsam mitten ins Hirn hämmern. Was völlig in Ordnung ist und auch geil sein kann, sonst würden wir das ja nicht machen. Nur: Für uns war es eine wunderschöne Abwechslung, so ein Lied aufzunehmen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Weil es euch weicher, freundlicher, menschlicher erscheinen lässt?
 Ja. Wir sind drei Jungs. Drei junge Männer. Keine Maschinen.

Wie wichtig ist die inhaltliche Botschaft?
House ist nicht für Inhalte bekannt. Aber manchmal sind Inhalte wichtig. Man darf ruhig auch ein bisschen denken. Überhaupt sollte jeder Song irgendeinen Zweck haben anstatt nur seiner selbst willen zu existieren. Ich denke, wir drei haben eine Haltung, eine Meinung. Mit Hedonismus, Selbstverliebtheit, Oberflächlichkeit, mit diesen ganzen Eigenschaften, die uns Clubmusikern nachgesagt werden, identifizieren wir uns nicht.

http://www.youtube.com/watch?v=MzRIOTu338Q

Ihr spielt auf der anstehenden Abschiedstour nun wirklich auf der ganzen Welt.
Musik ist die Sprache der Welt. Musik kann Frieden bringen. Im Ernst: Wir kommen viel rum, und irgendwie geht es der ganzen Weltbevölkerung gerade ziemlich scheiße. Arbeitslosigkeit und Wirtschaftskrise führen zu existentiellen Schwierigkeiten. Ich denke, auch deshalb genießen die Menschen ihre Musik mehr als je zuvor. Wir Musiker scheinen immer wichtiger zu werden. Ich glaube, Musik hat noch nie so eine große Rolle gespielt in der Welt wie zur Zeit. Während sich die Leute ihre Sorgen machen, spielen wir überall auf der Welt in ausverkauften Arenen. Da muss ein Zusammenhang bestehen.

 Ihr spielt riesige Shows und habt vor kurzem sogar den Madison Square Garden in New York ausverkauft. Wie erklärst Du dir den Aufstieg der Swedish House Mafia?
 Wir haben frühzeitig gespürt, dass da etwas am Entstehen ist. Sowohl mit uns als Trio als auch mit unserem Musikgenre insgesamt. Wir machen das seit 2007 zusammen, vorher viele Jahre auch einzeln, und wir arbeiten wirklich, wirklich hart. Vor ein paar Jahren dann änderte sich das ganze Spiel. Bei uns in Europa, sei es in Schweden, Großbritannien oder Deutschland, ist Dance Music schon seit vielen Jahren ein wichtiger Teil der Kultur. Doch dann kam plötzlich der Rest der Welt auch auf den Trichter, und diese Länder, allen voran Nordamerika, haben starken Nachholbedarf und einen großen Hunger nach unserer Musik. Zugleich merken die Leute, dass Dance mehr sein kann als nur ein Beat und BummBummBumm. Es wurde einfacher für gewöhnliche Musikfreunde, Dance Music zu hören und zu mögen. Dance Music war lange eine Geschichte für Spezialisten, heute nicht mehr.

Woran merkst Du das?
An den Leuten. Und an meiner Mutter. Wenn ich der vor fünf Jahren eine meiner Techno- oder Housenummern vorgespielt habe, da guckte die mich nur fragend an. Es hat sie kalt gelassen. Wenn ich ihr heute „Don’t you worry Child“ vorspiele, dann versteht und mag sie das. Will sagen: Musik und Menschen haben sich aufeinander zu entwickelt.

Dance ist das neue Pop, oder?
Schon, ja. Früher gab es DJs und es gab Popkünstler, und die Barrieren zwischen beiden waren hoch. Das hat sich völlig geändert. Heute überlappt das alles und wir machen Remixe für Coldplay oder Florence & The Machine, während jemand wie Usher plötzlich House macht. Der Unterschied zwischen einem Dance- und einem Pop-Act ist heute folgender: Im Pop machst du ein Album, dann tourst du, dann machst du Pause und nach drei Jahren das nächste Album. Im Dance machst du hingegen ständig was Neues. Deine Frequenz ist höher. Und dann kommt so ein Popstar nach drei oder vier Jahren zurück und hat sein Publikum verloren, weil es jetzt was anderes hört. Wir dagegen geben dem Publikum erst gar keine Zeit zum Verschnaufen, wir veröffentlichen ständig Musik, unser Tempo ist sehr hoch.

Wie soll das weitergehen? Ist bald alles Dance?
Warum nicht? Wir haben da weder Regeln noch Berührungsängste. Wir hätten sehr viel Spaß daran, mit Rage Against The Machine oder auch Paul McCartney zu arbeiten. Für uns sind das alles tolle Künstler, wir machen keine Unterschiede zwischen irgendwelchen Genres oder Stilen.

Schwedische Produzenten und Songschreiber dominieren gerade die ganze Popwelt. Warum ist der Einfluss der Schweden so hoch?
Weil es so arschkalt ist in Schweden. Die Winter sind unerträglich und die Leute bleiben im Haus. Also überlegen sie sich, was sie drinnen so tun können. Es ist ja auch kein Zufall, dass Schweden und Skandinavier so einfallsreich in anderen Drinnen-Bereichen sind: Aus unserem Land kommen berühmte Designer, H&M, Ikea. Auch sind wir ziemlich zuverlässig und fleißig und pünktlich. Wir können gut und viel arbeiten.

Ihr habt zu Beginn sehr viel auf Ibiza und in Miami gespielt. Um der Kälte zu entfliehen?
Exakt. Unser Traum war, dem Eis zu entkommen und im Winter im Warmen zu spielen.

Du und Sebastian Ingrasso, ihr habt euch als Kinder schon angefreundet. Habt ihr euch zusammen in die Clubmusik verliebt?
Sebastian kommt etwas mehr vom Techno als ich. Meine große Liebe als Teenager waren Daft Punk. Die haben irre tolle Musik gemacht, unglaublich kreativ und einfallsreich und eigenständig. Daft Punk waren für mich eine Offenbarung damals. Ich wollte das dann auch machen, unser Ansatz war, Musik ohne Regeln aufzunehmen. Einfach am Computer zu sitzen und etwas machen. Ohne Rücksicht nehmen zu müssen. Meine erste Platte habe ich dann mit 16 veröffentlicht, jetzt bin ich 30.

Ihr habt angekündigt, nach der nächsten Tournee und ausgerechnet auf dem Gipfel eures Erfolgs aufhören zu wollen. Womit genau?
Mit dem gemeinsamen Touren. Das wird jetzt die letzte Tour. Wir hatten eine herrliche Zeit und freuen uns darauf, die Welt zusammen zu sehen und zu erleben und einen Haufen monstermäßig großer Shows zu spielen. Mittelamerika, Südamerika, Asien, das sind alles Gegenden, in denen Dance Music gerade erst groß wird. Da mittendrin zu sein und das aktiv zu erleben, das ist wirklich einmalig.

Und warum ist dann Schluss?
Weil danach etwas Neues kommt. Es würde uns überfordern, jahrelang in diesem Tempo weiterzumachen. Der Spaß würde leiden.

Könnt ihr denn überhaupt ohne den Trubel leben?
Weiß ich noch nicht, müssen wir dann sehen. Wir gehen eins nach dem anderen an. Ich kann auch noch nicht sagen, ob wir als Swedish House Mafia weiter zusammen Musik machen werden. Kann sein, kann auch nicht sein. Momentan sind wir mehr in der Stimmung für Soloproduktionen. Erst mal spielen wir jetzt diese Tour und gehen in für uns neue Ländern wie Indien, Russland, Südafrika. Sonst waren wir ja immer nur auf den Festivals, in Ibiza und mehr so den üblichen Orten.

So als Nachtarbeiter – gehst Du an freien Abenden jemals aus, zum Tanzen gar? 
Nein, so gut wie gar nicht. Ich habe an ungefähr 20 Abenden pro Monat zu tun. Wenn nicht, dann bin ich daheim bei meinen Kindern. Ich bin verheiratet und habe zwei kleine Töchter, eine ist zwei Jahre alt, die andere sechs Monate. Für mich ist es sehr wichtig, bei der Familie zu sein. Die fehlen mir alle sehr, wenn ich unterwegs bin.

Wo findet das allerletzte Konzert statt?
Ich weiß es schon. Aber ich sage es nicht.

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