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Im Internet muss man immer wieder beweisen, dass man ein Mensch ist. Wenn man auf Blogs oder in Foren unter einem Beitrag einen Kommentar hinterlassen will, stößt man oft auf ein sogenanntes Captcha. Das steht für „Completely Automated Public Turing test to tell Computers and Humans Apart" und meint die verzerrt dargestellten Buchstaben- und Zahlenkombinationen, die man bitte in ein Feld eingeben soll. Um sicher zu stellen, dass man nicht etwa eine Maschine ist, die gerade einen Haufen Spam auf die Seite posten will. Das Captcha dient als Schutzwall vor Bots und automatischen Programmen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Schwedische Menschenrechtler haben die Aufforderung – beweisen, dass man ein Mensch ist – etwas genauer genommen. Die Gruppe "Civil Rights Defenders" hat das "Civil Rights Captcha" entwickelt, das nicht etwa nach der Eingabe kruder Buchstabenfolgen verlangt, sondern nach einer Antwort. Oder besser gesagt: nach einer menschlichen Regung. Dafür wird ein Fall skizziert, in dem Menschenrechte verletzt wurden, und dem Nutzer die Frage gestellt, wie er sich demgegenüber fühlt. Er hat dann drei Emotionen zu Auswahl, die in den bekannten verzerrten Buchstaben unter der Frage stehen und in das Feld eingetragen werden können. Nur eine Antwort ist richtig und befähigt zum Absenden des Kommentars – und zwar die, die in der jeweiligen Situation für Empathie und Menschlichkeit steht.

Eine Civil Rights Captcha-Frage lautet zum Beispiel „In Kosovo people are tortured in detention. How does that make you feel?" Die Antwortmöglichkeiten sind dann „relaxed", „sublime" und „miserable". Wählt man „relaxed" überwindet man die Sperre nicht, bekommt aber eine neue Chance, sich mitfühlend zu zeigen. Wählt man „miserable", kann man mitkommentieren und wird gleichzeitig zu menschlichem Handeln aufgefodert: „Thanks for proving you're human - now act on it!" Das kann sowohl für das unmittelbare Kommentarverhalten als auch für den Rest des Lebens draußen vor der Tür gelten.

Grundsätzlich kann jeder Seitenbetreiber das Captcha nutzen. Wer es einbauen will, dem geben die Civil Rights Defenders eine Anleitung an die Hand. Außerdem sind sie auf der Suche nach Programmierern und Entwicklern, die helfen, den Test für andere Skriptsprachen außer PHP kompatibel zu machen. Auch sonst wird noch an einer Verbesserung gearbeitet. Die Gruppe plant zum Beispiel eine Version des Captchas, in dem die Antwort über Emoticons gegeben werden kann.

Glaubt man der Wired, soll das Human Rights Captcha nicht nur Spam, sondern auch Trolle von der Seite fernhalten. Aber Autor Ryan Single lenkt gleich selbst ein, denn "that's probably asking too much". Immerhin ist auch ein Troll ein Mensch und wird schon wissen, welche Antwort ihm den Weg in den Kommentarthread eröffnet. Auch die Hoffnung, dass sich ein erklärter Feind der Homosexualität umkrempeln lässt, indem er immer und immer wieder eine empathische Emotion in ein Feld tippt, ist wohl etwas naiv. Aber die Erfinder selbst formulieren ohnehin ein anderes Ziel: Sie wollen ihre Partner unterstützen, „brave human rights defenders, who often put themselves at great risk through their engagement for other people's rights."

Damit umschreiben sie den Effekt, den das Civil Rights Captcha im besten Falle haben kann: Aufklärung. Denn die in den Fragen umrissenen Fälle sind aktuell und sollen regelmäßig erneuert werden. Über das Captcha erreicht die Geschichte um den Tod der russischen Menschenrechtlerin Natalia Estmirova vielleicht auch Menschen, die sonst nie davon erfahren hätten. Der Grundgedanke, mit der Aufklärungsaktion dort anzusetzen, wo die Menschen sowieso vorbeimüssen, ist klug. Wenn viele den Test auf ihrer Seite einbauen, dann kann er zu einer sinnvolle online-Guerilla-Aktion heranwachsen. 

Text: nadja-schlueter - Foto: Screenshot

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