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"Es wird die Clubs brutal hart treffen"

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David Süß, Betreiber des Harry Klein

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Im Augenblick zahlen wir an die Gema 6 300 Euro im Jahr. Zukünftig werden wir, je nachdem, wie gut oder schlecht unsere Veranstaltung besucht sein werden, zwischen 30 000 und 35 000 Euro zahlen müssen – also mindestens fünf mal so viel. 24 000 Euro ist viel Geld und mehr, als wir im Jahr Gewinn machen. Ich könnte also nur das Personal oder die Künstler schlechter bezahlen oder das Geld über Eintritt oder Getränke wiederholen.

Es gibt seit 30 Jahren gültige Tarife und die Verträge sind immer wieder verhandelt und angepasst worden. Die Behauptung der Gema, dass man wohl bislang viel zu wenig gezahlt habe, wenn man so hohe Steigerungen habe, grenzt an politisches Kabarett. Bei uns wird es vollends absurd, denn die Künstler, die ins Harry Klein kommen, sind oftmals gar keine Gema-Mitglieder. Das macht für die gar keinen Sinn, die verkaufen vielleicht 200 Platten. Sobald aber bei einem Live-Auftritt oder einem DJ-Set nur ein Lied oder ein Sample aus dem Gema-Repertoire stammt, müssen wir die volle Gebühr zahlen.

Die kommt am Ende dann allerdings nicht bei unseren Künstlern, sondern bei David Guetta oder den Weather Girls an. In 120 Diskotheken in Deutschland steht nämlich eine Blackbox der Gema, die dort eine Stunde Musik pro Woche mitschneidet. So soll ermittelt werden, welche Musik in Clubs gespielt wird. Bei 5000 Diskotheken in Deutschland kann man sich vorstellen, dass da nur eine unscharfe, nicht besonders gerechte Auswahl herauskommt – da sind vor allem die großen Hits dabei, die überall gespielt werden.

In der elektronischen Musik hat sich deshalb ein eigenes Verwertungssystem entwickelt: Die Künstler, die bei uns auftreten, leben nicht von Plattenverkäufen, sondern von DJ-Auftritten. Als DJ bekannt werden sie aber nur über die Musik, die sie produzieren. Ihre Platten sind also vor allem Werbung für Gigs. Wenn den Leuten der Sound gefällt, dann gehen sie dorthin und sind bereit, dafür auch einen gewissen Eintritt zu zahlen. Von dem Eintritt, den die Leute dann zum Beispiel im Harry Klein zahlen, kommt sehr viel bei den Künstlern an: Ein renommierter DJ bekommt bei uns eine Gage zwischen 1 000 und 3 000 Euro.

Den alten Gema-Tarif empfinde ich als gerecht. Wenn er geändert werden soll, muss die Gema sich mit ganz vielen Leuten zusammensetzen und gemeinsam mit ihnen ein neues Tarifmodell entwickeln, dass auch Spartenmusik wie bei uns berücksichtigt.
 



Sven Künast, Pimpernel

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Es wird die Clubs brutal hart treffen. Ich kenne in München keinen Clubbetreiber, bei dem die Gebühren weniger würden. Es gibt solche Konstellationen bestimmt, aber da profitieren Bürger-, Straßen- und Dorffeste, Vereinsfeiern oder Volksfeste bis 200 Quadratmeter. Bei mir wären es 420 Prozent mehr Gebühren. Das ist ein gewaltiger Schritt! Ich kann mir in so einem Laden nicht erlauben, 9,50 Euro für einen Longdrink zu nehmen. Bei mir ist bei 7,50 Schluss – und das finde ich auch gut so.

Wir Clubbetreiber sind alle bereit, unseren Teil beizutragen, damit die Künstler ihr Auskommen haben. Die Frage ist: Was ist sinnvoll und wo wird übertrieben? Vielleicht muss sich die Gema überlegen, in den eigenen Reihen zu sparen. Die haben Verwaltungskosten in gigantischen Höhen, ich glaube, es sind 130 Millionen im Jahr. Die Gema-Vorstände verdienen alle mehr als die Bundeskanzlerin!

Die Berechnung der Gebühren nach der Fläche ist für mich extrem ungünstig, wegen der großen Bar gibt es viel Fläche, die ich zahlen muss, obwohl ich da keine Leute unterbringe. Theoretisch könnte ich umbauen und die Bar gerade an der Wand lang ziehen, das würde den Gastraum verdoppeln. Aber das nähme dem Pimpernel seinen Charakter, den es seit den Siebzigern hat. Es sähe aus wie tausend andere Läden in Deutschland. Wo hat man noch so eine u-förmige Bar?

Wenn die Reform kommt, müsste ich mir irgendwas überlegen. Gar keinen Eintritt mehr verlangen. Nur noch Gema-freie Musik spielen. Wenn das alles nicht geht, müsste ich umdenken und ein anderes Konzept verwirklichen. Eine edle Cocktail-Bar rein bauen. Oder hier ist dann halt irgendeine Franchise-Kette wie Joeys Pizza und nicht mehr das Pimpernel. Gerne würde ich das aber nicht machen.
 



  Peter Hempel, Gema-Pressesprecher

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Keine Disko ohne Musik. Die Gema verlangt für diejenigen, die diese Musik schaffen, in Zukunft etwa 1,7 Prozent der Gesamteinnahmen von den Clubbetreibern. Natürlich kommt es, relativ betrachtet, zum Teil zu massiven Tariferhöhungen. Es geht dennoch am Ende nur um zehn Prozent der Eintrittsgelder, das ist die Höchstgrenze. Nach einer Studie von 2008 machen die Eintrittsgelder aber gerade mal 17 Prozent des Gesamtumsatzes von Clubs und Diskotheken aus. Und bei 1,7 Prozent des Umsatzes können wir nicht nachvollziehen, wie aus diesen Summen ein Clubsterben entstehen soll. An der Debatte über die Tarifreform freut uns aber, dass in der Öffentlichkeit endlich über den Wert der Musik diskutiert wird.

Durch die alten Tarife wurden die Diskothekenbetreiber zum Beispiel gegenüber Kneipen- oder Festzeltbetreibern stark bevorzugt, weil sie einen Sondertarif hatten. Andere müssen durch die Tarifreform in Zukunft weniger zahlen. Für kleine Veranstaltungen wie zum Beispiel Vereinsfeste wird es meistens günstiger.

Wie viele Werke und Samples aus dem Repertoire stammen, das von der Gema vertreten wird, sollte man nicht unterschätzen. Die Clubkommission in Berlin hat uns eine Liste mit 800 Titeln gegeben, die in den Clubs gespielt werden. Das war mit Sicherheit eine eher mit Nischenkünstlern besetzte Liste, gedacht als Beispiel dafür, dass in Clubs gar nicht so viel Gema-Musik gespielt wird. Wir haben die Liste überprüft, und als wir bei 60 Prozent von uns vertretenen Werke angekommen waren, haben wir aufgehört.

Jeder Urheber muss für sich selbst entscheiden, ob er Mitglied bei der Gema wird. Erfolgreiche Werke werden bei uns erfolgreich vergütet. Es wäre ja unfair, wenn es anders wäre. Etablierte Künstler bekommen also mehr als Newcomer. Es gibt dabei aber keine Umverteilung von unten nach oben, sondern sogar im Gegenteil eine leichte von oben nach unten, die sich im einstelligen Prozentbereich bewegt.

Die Gema ist jederzeit zu Verhandlungen bereit. Die Interessenverbände müssen einfach nur bei uns anfragen, dann können wir über die Details verhandeln. Vom Grundgedanken der Tarifreform, zehn Prozent der Eintrittsgelder für die Urheber der Musik zu nehmen, können wir uns aber nicht vorstellen, deutlich abzuweichen.



Sepalot, DJ und Blumentopf-Mitglied

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Ich finde es als Künstler, DJ und Person, die abends gerne weg geht, total begrüßenswert, dass ein Teil des Umsatzes der Clubs für die Autoren ausgegeben wird, deren Musik da läuft. Die Leute gehen aus zwei Gründen aus: Weil sie trinken wollen, und weil sie Musik hören und tanzen wollen. Viele Leute sind bereit, an einem Abend 50 oder 100 Euro für Drinks auszugeben. Die meisten müssten also auch bereit sein, drei Euro mehr für die Künstler auszugeben, deren Musik sie hören.

Für mich als Musiker sind die Gema-Einnahmen wichtig. In einer Zeit, in der die Einnahmen aus Plattenverkäufen zurückgehen, ist die Gema eine Quelle, mit der man abseits der Live-Auftritte als DJ oder Band seine Arbeit noch vergütet bekommt.

Generell ist eine Erhöhung der Tarife also in Ordnung. Was ich aber total problematisch und ungerecht finde, sind die Pauschalisierungen, nach denen die Abrechnungen laufen sollen. Die sind sehr ungenau, man hat es sich da zu leicht gemacht. Mir ist nicht klar, warum man nicht jeden Abend genau berechnen kann, wie viel Umsatz an der Tür gemacht wurde, und einen gewissen Prozentsatz abführt. Wenn ein schlechter Abend dabei ist, zahlt der Club weniger, wenn der Laden brummt und mehr Leute Eintritt zahlen, zahlt er mehr.

Genauso unbefriedigend ist das Vorgehen auch für die Urheber, weil das Geld ungerecht aufgeteilt wird: Es wird nicht ausreichend unterschieden, welche Musik in den Clubs wirklich läuft. Deshalb profitieren nur die großen Künstler. Die DJs müssen sich da aber auch an die eigene Nase fassen. Man kann als DJ beim Veranstalter ja eine Liste abgeben mit den Songs, die man gespielt hat. Dann lässt sich jedes Lied genau abrechnen: Das Geld kann an die Künstler fließen, deren Musik wirklich gespielt wurde. Das wäre jetzt, wo so viele mit Laptop auflegen, ganz einfach. Ich habe das mal ein Jahr lang gemacht. In dieser Zeit habe ich keinen Veranstalter getroffen, der nicht total verwundert war. Den meisten war noch nie ein DJ begegnet, der mit so einer Gema-Liste ankam.
 
Ich glaube nicht, dass München wegen der neuen Tarife ein Clubsterben droht, selbst wenn diese Reform vielen Clubs das Genick brechen wird. Der Drang der Menschen, abends wegzugehen und laut Musik zu hören, ist so groß, dass irgendwelche Wege gefunden werden, wie es weitergeht.
 



Mathias Modica, Gomma Records, Munk, Ruby Bar

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Wir sind selber Musiker und Produzenten und betreiben das Gomma-Label, auf dem verschiedene Künstler Clubmusik produzieren. Für die ist der neue Gema-Tarif theoretisch gut, die könnten sogar etwas mehr verdienen. Das wäre fair, da viele Produzenten zwar einen hohen Bekanntheitsgrad haben, sich aber die meisten Leute die Musik kostenlos aus dem Netz holen Die Künstler sind neben Live-Auftritten und DJ-Gigs auf die Einnahmen aus der Gema und dem Publishing abhängig.

Wie viele Musiker sind wir aber nebenbei auch Veranstalter. Hier ist es noch nicht ganz klar, ob uns die Tarifänderung betrifft. Das hängt von vielen Faktoren ab, zum Beispiel von der Größe des Ladens. Unser aktueller Laden, die Rubybar, müsste wohl in Zukunft nicht mehr Gebühren zahlen. Es kann aber auch sein, dass ich mich irre – weil: man checkt’s ja nicht so ganz. Ich würde mich auf jeden Fall freuen, wenn die Gema dafür sorgen würde, dass die Gelder, die eingenommen werden, auch an mich als Künstler weitergeleitet werden, wenn in Clubs meine Musik läuft. Bei der Demo am Donnerstag sind wir nicht dabei – wir sind gerade alle am Meer.
 



Christian Waggershauser, Geschäftsführer im Muffatwerk

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Es geht uns nicht darum, den Künstlern Geld vorzuenthalten, für uns ist das Urheberrecht essenziell. Uns ist völlig klar, dass Künstler damit Geld verdienen müssen. Ich habe aber ein Problem damit, dass die Gema ein Monopolist ist und sich auch so verhält: Entweder du arrangierst dich, oder du kannst zusperren. Sie präsentieren die Tarifänderung als Vereinfachung und sagen, dass es billiger würde, aber das ist nicht wahr. Wir haben mit dem Gebührenrechner auf der Gema-Website ausgerechnet, dass eine Gebührensteigerung von 850 Prozent auf uns zukommt, was wir nur mit höheren Eintritts- und Getränkepreise kompensieren können.

Die Tarif-Steigerung  können die wenigsten Clubs stemmen, viele Clubs müssen dann schließen – das bedeutet nichts Gutes für die Münchner Kulturlandschaft.

Aber ich bin vorsichtig optimistisch, dass Bewegung in die Verhandlung kommt. Den Aufruf für die Demonstration haben alle Parteien unterschrieben. Wir stellen das Ampere für eine Party nach der Demo zur Verfügungt. Die Organisation der Demo hatte extrem wenig Vorlauf. Aber wir wollen unbedingt bei dem bundesweiten Aktionstag mitmachen, weil wir uns gegen den Anschlag auf die Münchener Clublandschaft wehren müssen! Und weil die Münchner sonst wieder als verschlafen gelten. 


Ivi Vukelic, Konzertveranstalter Club 2

Auch wenn uns die Gebührenerhöhung nicht unmittelbar betrifft, befürchten wir als Konzertveranstalter, dass durch die neue Tarifreform der Gema viele kleine Clubs zumachen müssen. Es ist in dieser Stadt eh schon ein Problem, Konzertorte mit einer Kapazität von bis zu 300 Leuten zu finden. Es gab bisher aber einige kleinere Clubs, die Konzerte veranstaltet haben und das Geld dann am Wochenende mit Partys verdient haben. Und ich fürchte, dass da viele zumachen müssen, wenn die Tariferhöhung kommt. Es ist ja grundsätzlich der Wille da von den Betreibern, über eine Gebührenerhöhung zu reden. Allerdings ist eine Steigerung von bis zu 1000 Prozent einfach nicht mehr nachvollziehbar. Wir als Veranstalter haben schon vor langer Zeit einen eigenen Deal mit der Gema ausgehandelt. Es gibt also auch bei der Gema durchaus eine Kulanz und Gesprächsbereitschaft, wenn man seine Verhältnisse darlegt. Dass man die nicht a priori erwarten kann, ist auch klar. Aber das, was jetzt im Gespräch ist, das ist bar jeder Vernunft. Es kann ja auch absolut nicht im Sinne der Gema sein, dass sie sich so eine miese Presse verschafft und die Clubbetreiber so nachhaltig vergrätzt. Ich verstehe deren Vorgehen wirklich überhaupt nicht. 



Text: christian-helten - juliane-frisse und christina-waechter; Fotos: SZ, OH, Stephan Rumpf

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