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Eine Kleinstadt schnorrt ihre Bürger an

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Oestrich-Winkel braucht Geld. Die 11.000-Einwohner-Stadt in Hessen benötigt 160.000 Euro, um neue Funkgeräte für die Feuerwehr zu kaufen. Das Geld will die Kommune nicht mit Steuererhöhungen eintreiben oder bei einer Bank einen Kredit beantragen, sondern sich von ihren Bürgern ausleihen.  



Gesammelt wird auf dem weltweit ersten Bürgerkreditportal „leihdeinerstadtgeld“, das wie eine Crowdfunding-Plattform funktioniert: Gemeinden und Städte geben Projekte oder Baumaßnahmen an und sammeln dafür einen bestimmten Betrag. Erst wenn die Zielsumme erreicht ist, geht’s los. "Crowdlending" nennt sich das, sagt Jamal El Mallouki, 25, aus Mainz, der die Idee für die Plattform hatte. „Wir unterstützen Kommunen dabei, sich bei ihren Bürgern Geld zu leihen“, erklärt er, „die Bürger bekommen eine transparente, lukrative und einfache Geldanlage und die Kommunen einen Kredit für die Refinanzierung ihrer Haushalte.“  

Der Ideengeber für den jungen Gründer war die Stadt Quickborn, die 2009 versucht hat, sich bei ihren Bürgern Geld zu leihen. "In einer Bürgerversammlung haben die Bürger selbst vorgeschlagen, der Stadt für den Umbau der Schule und der Unterstützung der Feuerwehr Geld zu leihen. In drei Tagen hatten sie vier Millionen zusammen, das ist für eine 20.000-Einwohner-Stadt sehr erfolgreich. Aber dann sind die Behörden darauf aufmerksam geworden", sagt Jamal, "die Finanzaufsicht BaFin hat die Aktion gestoppt, weil Kommunen nicht selbst Bankgeschäfte betreiben dürfen." Bei einem neuen Anlauf mussten die Bürger ein Konto bei der Bank eröffnen und der Mindestbetrag lag bei 5.000 Euro. Der Erfolg blieb aus.  



"leihdeinerstadtgeld" soll einfacher funktionieren, daher das Crowdfunding-Prinzip, das viele schon von Plattformen wie "Kickstarter" kennen. Die Bürger müssen kein Konto eröffnen, sondern überweisen das Geld auf ein Treuhandkonto. "Bei uns ist der Mindestbetrag auch nur 100 Euro, damit so viele Bürger wie möglich mitmachen können. Für so eine Summe würde man bei normalen Anlegern ausgelacht werden", sagt Jamal. Profitieren sollen am Ende beide Seiten: "Wir werden etwa bei 1,9 Prozent Zinsen landen. Das ist mehr, als man etwa für Bundeswertpapiere bekommt. Für die Kommunen lohnt es sich auch, weil sie der Bank im Schnitt 2,3 Prozent Zinsen zahlen müssten", sagt Jamal, „und die geben die Zinsen lieber ihren Bürgern als irgendwelchen Banken." 

Wichtiger noch als den finanziellen Aspekt findet der Bürgermeister von Oestrich-Winkel, Paul Weimann, den politischen: "Die Stadt kann dem Bürger die kommunalen Ausgaben plakativ darstellen. Das fördert Transparenz, Vertrauen und schließlich die Bindung zwischen Stadt und Bürger." Am 26. September startet die Aktion, bis dahin kann man sich vormerken lassen.

Text: kathrin-hollmer - Fotos: leihdeinerstadtgeld.de

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