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Der Helm, der keiner ist

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Fast alle Dinge, die vernünftig sind, machen nicht besonders viel Spaß. Einen Fahrradhelm zu tragen ist ausgesprochen vernünftig. 71.000 Radler verunglückten 2010 im Straßenverkehr. Ein Helm kann bei Unfällen oft lebensgefährliche Kopfverletzungen verhindern. Leider ruiniert er aber auch die Frisur, ist nicht besonders hübsch anzusehen, manchmal unbequem und hat zudem ein gewaltiges Image-Problem. Diese Gegenargumente sind im Vergleich mit dem der Lebensrettung nicht besonders schlagkräftig, überzeugen aber neun von zehn Radfahrern in Deutschland. Auch etwas ansehnlichere Retro-Modelle aus Leder oder als Mütze getarnte Stahlhelme haben an der Uncoolness des Kopfschutzes bisher nichts ändern können.   

Man könnte die Radler nun mit einer Helmpflicht zur Vernunft zwingen. Oder man könnte ihnen einen Fahrradhelm anbieten, der die Nachteile der klassischen Modelle nicht aufweist. Eigentlich müsste so ein Helm unsichtbar sein, fanden die schwedischen Industriedesignerinnen Anna Haupt und Terese Alstin.     

Ganz unsichtbar ist der Helm am Ende nicht geworden, den Anna und Terese gemeinsam entwickelt haben. "Hövding" heißt er, was auf Schwedisch "Chef" oder auch "Häuptling" bedeutet. Optisch ist der Fahrradhelm allerdings wesentlich dezenter als ein indianischer Kopfschmuck, denn er ist in einem Kragen unter einer Art Schal verborgen: Beim "Hövding" handelt es sich nämlich um eine Art Airbag für den Kopf. Wenn die eingebauten Sensoren unfalltypische Bewegungen registrieren, bläst er sich in einer Zehntelsekunde zu einer Haube auf, die den Kopf umschließt. Im Ernstfall dürfte er also tatsächlich genau wie traditionelle Helme die Frisur in Mitleidenschaft ziehen, ansonsten aber nimmt er auf die Style-Ansprüche von Fahrradfahren Rücksicht.    

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Die Idee zu dem Radler-Airbag hatten Anna und Terese schon 2005. Damals wurde in Schweden über eine Ausweitung der Helmpflicht auf erwachsene Radler diskutiert. "Das hat uns schon etwas Angst gemacht", erzählt Therese. "Ich fahre jeden Tag mit dem Rad und wollte auf keinen Fall einen klassischen Helm tragen. Ich sehe damit nämlich ziemlich geeky aus." Also beschlossen die beiden Studienfreundinnen, in ihrer Diplomarbeit ein Konzept für einen unsichtbaren Helm zu entwickeln und hatten die entscheidende Idee: Vielleicht muss er gar nicht direkt auf dem Kopf aufsitzen.  

Bis aus der Idee schließlich ein funktionierender und käuflich zu erwerbender Fahrradhelm wurde, dauerte es allerdings noch einmal gut sechs Jahre. Schließlich sollte der Airbag wirklich nur bei Stürzen reagieren - dann aber auch zuverlässig. "Manche haben uns das auch gar nicht zugetraut, dass wir als junge Frauen so ein komplexes technisches Produkt entwickeln können", erinnert sich Therese. Sie klingt dabei gar nicht besonders verärgert - eher belustigt. Zu den Verkaufszahlen ihres Produktes will sie sich nicht genau äußern, aber sie seien "sehr zufriedenstellend". 

Im Moment gibt es zwei Modelle, einen schlichten schwarzen Kragen und einen Airbag im Paisley-Look. In Zukunft sollen aber noch weitere Hüllen zum Austauschen dazukommen, auch Kooperationen mit bekannten Modemarken sind geplant. Aus dem eigentlich sehr unmodischen Accessoire Fahrradhelm würden dann also tatsächlich ein Fashion-Produkt werden.

Bisher kann man den Helm, der keiner ist, von Deutschland aus allerdings nur im schwedischen Online-Shop der beiden Designerinnen kaufen. Wahrscheinlich wird der "Hövding" ab Frühling nächsten Jahres auch in Geschäften hierzulande angeboten, wie Terese hofft. Bis dahin ist allerdings gerade mal ausreichend Zeit, um sich den Radler-Airbag mit einem studentischen Budget zu ersparen: Der "Hövding" ist mit dem doch sehr stolzen Preis vom 3998 Kronen - umgerechnet etwa 480 Euro - nämlich leider teurer als manches Fahrrad.



Text: juliane-frisse - Foto: Hövding

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