Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Elite im Sonderangebot

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Angestrichen:
"Es ist gefährlich, wenn das Studium fast gratis ist. Studierende sagen sich: Ich mach mal ein ETH-Studium, es kostet ja nichts. Wenn sie aber Zehntausende von Dollar zahlen, dann überlegen sie sich das sehr genau, was sie studieren."

Wo steht das denn?
Das Zitat stammt aus einem Interview mit Lino Guzzella, dem neuen Rektor der ETH (Eidgenössische Technische Hochschule) Zürich, das am 29. Juli in der NZZ (Neuen Zürcher Zeitung) am Sonntag erschienen ist.

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Und was heißt das?
Am 1. August tritt Lino Guzzella sein Amt als Rektor der ETH Zürich an. Am Wochenende zuvor hat er schon mal abgesteckt, wie er sich die Zukunft der 157 Jahre alten Universität vorstellt und dabei gleich das angeblich zu billige Studium kritisiert. Als "absoluten Preisknüller" bezeichnet er das Studium an einer der renommiertesten Hochschulen weltweit und bedauert, dass man dort im ersten Jahr viele Studierende hätte, die ungeeignet seien und die man bei den Prüfungen nach dem ersten Jahr verlieren würde.  

Weiter sagt Guzzella, es sei gefährlich, wenn das Studium fast gratis sei: "Studierende sagen sich: Ich mach mal ein ETH-Studium, es kostet ja nichts." Das "nichts" ist jedoch relativ: In der Schweiz werden an allen Unis Gebühren erhoben und im Vergleich zu anderen wie der HSG (Hochschule St. Gallen) mit 1.600 Schweizer Franken im Jahr kostet das Studium an der ETH zwar weniger, aber trotzdem müssen die Studenten immerhin 1.300 Franken (ca. 1.082 Euro) im Jahr zahlen. In den kommenden Jahren kann sich Guzzella vorstellen, die Studiengebühren auf 2.600 Franken zu verdoppeln. Das Geld soll angeblich nur für die Lehre und Stipendien verwendet werden. Denn, immerhin das sieht Guzzella ein: "Es darf nicht sein, dass ein talentierter Anwärter wegen des Geldes nicht an der ETH studieren kann."  

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Die Eliteschmiede ETH von innen.

Weiter vergleicht Guzzella: "Ein Bachelor-Studium an der ETH Zürich würde an einer vom Niveau her vergleichbaren amerikanischen Hochschule zwischen 10.000 und 50.000 Dollar pro Jahr kosten." Seiner Meinung nach würden sich Studenten sehr genau überlegen, was sie studieren, wenn sie Zehntausende von Dollar zahlen müssen. Wie er darauf kommt, dass sie sich das jetzt nicht überlegen und bei 1.300 Franken mehr im Jahr schon, verrät er nicht. In Deutschland kommt auch keiner auf die Idee, dass sich die Studenten, die sich in Bayern oder Niedersachsen für einen Studiengang einschreiben (das sind die einzigen zwei Bundesländer, in denen ab dem Wintersemester 2012/13 voraussichtlich noch allgemeine Studiengebühren erhoben werden), sich das vorher besser überlegt haben als alle anderen.

Vielleicht ist Guzzella einfach neidisch geworden auf das Erfolgsmodell von der amerikanischen Ostküste, wo an Unis wie Harvard Regelstudiengebühren von rund 52.000 US-Dollar im Jahr akzeptiert werden. Vielleicht will er es aber auch der HSG gleichtun, bei der im Juni 2012 der Kantonsrat zugestimmt hat, die Studiengebühren für Schweizer Studenten in der Masterstufe von 2.200 Franken pro Jahr um bis zu 800 und für Studenten aus dem Ausland von 4.400 um 2.000 bis 3.000 Franken zu erhöhen.  

Die Konkurrenz beobachtet man am ETH auf jeden Fall sehr genau. In einer Datenbank werden Informationen über ausländische Universitäten und deren Qualität gesammelt. Guzzella: "Heute kennen unsere Zulassungsstellen praktisch alle relevanten Hochschulen weltweit und wissen genau, wie viel wert etwa die Note 6 (was in Deutschland einer Eins entspricht, Anm. d. Red.) von einer bestimmten Hochschule wirklich ist. (...) Vor ein paar Jahren kamen Leute zu uns, die unseren Ansprüchen nicht genügten. Heute kommen nur noch jene rein, die uns etwas nützen, die also dasselbe Niveau haben wie die Schweizer."     

Weil das immer noch nicht genug ist, lässt sich der zukünftige ETH-Rektor in dem Interview außerdem darüber aus, dass er das Niveau der Maturität (entspricht dem deutschen Abitur) erhöhen will. Er kritisiert, dass man in den Gymnasien strenge Fächer wie Mathematik, Physik und Sprachen abgewertet habe - und wird nicht müde, den Elitestatus der ETH zu betonen: "Wir sind eine Elite-Schule. Es geht bei uns primär um Leistung. Eine angenehme Stimmung ist erstrebenswert, aber im Gegensatz zu anderen Bildungsinstitutionen nicht das vorrangige Ziel." Bei gewissen Gymnasien gebe es eine Tendenz hin zum Wohlfühlverein, laut Guzzella sollten sich Gymnasien als Eliteschulen verstehen. Zwischendurch wird er richtig pathetisch: "Die ETH ist eine Zukunftsmaschine, wir bilden die technische und naturwissenschaftliche Elite des Landes aus." Und es geht sogar noch besser: "Die ETH ist ein Juwel, ein Schweizer Symbol wie das Matterhorn."

Text: kathrin-hollmer - Illustration: Torben Schnieber, Foto: istock

  • teilen
  • schließen