Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben
Aus der ehemaligen jetzt-Community: Du liest einen Nutzertext aus unserem Archiv.

Tücken des Web 2.0: Kein Facebook, kein Kumpel Abend!

Text: TillSchoenfeld
Ich musste mich schon sehr wundern. Fast jedes Wochenende die gleiche Schande.
Der Feind heißt ICQ, Facebook und das lautlose Telefon.

Die Sache wäre ganz einfach, versuchte mir ein Kumpel beim Bier zu erklären:

"Ich hasse es zu telefonieren, mich macht das Klingeln schon so nervös, dass ich einfach nicht rangehe. Ich schreibe dann einfach eine SMS zurück oder schreibe bei Whatsapp."


Wütend wurde ich darüber, dass ich ihn zu 25% erreiche und zu 75% die gewohnte Stimme ertönt...
"Der Teilnehmer ist zurzeit leider nicht zu erreichen" ... und wieder eine Freiminute weg, oder direkt 15 Cent.


Und das zu humanen Zeiten, nicht um halb vier morgens oder um neun in der früh. Die Ausrede lautet nicht mehr: "Ich war noch auf der Arbeit!"; auch nicht "Ich saß grade in der Vorlesung!" oder "Ich saß auf dem Pott!". Nein, es ist die  pure Unlust an sein Telefon zu gehen. So ein bewusster Umgang mit dem Web 2.0 schlägt mir auf den Magen. Ist es überhaupt noch der Wille, schneller zu kommunizieren? Oder will man alle schnellen Entscheidungen aufzuschieben? Oder ist es doch bloße Bequemlichkeit?

Ich kann mich an keinen Freitagabend erinnern, an dem man nicht erst 3 Stunden vor dem PC hocken musste, um seine Leute per Facebook und ICQ zu navigieren. Das bin ich ja schon gewohnt. Jeder hat am Vorschlag des anderen zur Wochenendplanung etwas anderes auszusetzen. Doch statt Gründe vorzutragen, kommen Sätze wie "Es ist doch noch früh!" um 20.00 Uhr. Um 21.00 Uhr sind dann auf einmal alle spontan fertig und wollen sich um 21:15 Uhr in der Stadt treffen. Für einen, der in die Nachbarstadt gezogen ist, bedeutet dies einen hoffnungslosen Kampf mit der Uhr und seinen modernen Freunden.

Das schlimmste jedoch ist, wenn man am Sonntagabend erklärt bekommt: "Du warst nicht online, wir dachten alle, du triffst dich mit XY." Zugegeben, dass passiert bei den guten Freunden nicht oft, aber auch bei ihnen scheint dieser Zeitgeist langsam salonfähig zu werden. Das schlimmste ist wohl doch nicht mehr, wenn das Bier alle ist...

Es mag ja dem Zeitgeist entsprechen, immer und überall online zu sein. Ich persönlich werde aber weiter auf einen Vertrag mit Internetflat verzichten. So lange, bis ich am Wochenende deshalb zuhause bleiben muss. Web 1.0 muss draußen bleiben. Nach der Kippe nehmen sie mir das gesprochene Wort. Ich will nicht genervt sein, wenn mich jemand anruft. Ich will in 5 Minuten den Abend planen.
So wie es früher war. Schneller, auch ohne Web 2.0.

Mehr lesen — Aktuelles aus der jetzt-Redaktion: