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Das Studentengrün

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Mit der grünen Wand war es am Anfang wie mit der roten. Da gab es ein paar wenige, die sich getraut haben und in ihrer Wohnung eine Wand - oder zumindest einen Teil davon - rot gestrichen haben. Irgendwann gab es dann kaum eine Wohnung, in der nicht wenigstens eine Wand in der Küche, im Schlaf- oder Wohnzimmer irgendwie rot (später auch pink oder aubergine-farben) war.  

Seit fast jeder eine rote Wand zu Hause hat, funktioniert Rot als Knaller-Wandfarbe nicht mehr. Fast sticht es mehr heraus, wenn jemand kein Rot in der Wohnung hat. Bald könnte es auch mit der grünen Wand so sein, die die rote Wand gerade ablöst. Das Zeitfenster, in dem man mit einer grünen Wand noch herausstach, war sogar noch kürzer als das bei der roten. Der Grund: Grüne Wände sind im Moment überall. Nicht nur in Wohnzeitschriften, sondern vor allem auf Design-Blogs und Pinterest. In Einrichtungshäusern sind die Wände teilweise grün gestrichen und die, vor denen die Möbel im Ikea-Katalog dekoriert sind, ebenfalls. Am beliebtesten ist der Farbtrend in WGs. In gefühlt jeder zweiten ist inzwischen eine Wand gras-, tannen- oder mintgrün.  



Für die ehemalige Raumkonzept-und-Design-Studentin Christina Huber, 24, kommt diese Ablöse nicht überraschend: „Einem Trend folgt immer ein Gegentrend. Rot wird direkt von seiner Komplementärfarbe abgelöst. Rot ist eine aggressive und laute Farbe, Grün dagegen durch den Blauanteil gleichzeitig kühl und durch den Gelbanteil warm. Je nach Mischung beeinflusst sie den Raum, wird jedoch nie so extrem wie Rot wahrgenommen. Das macht sie so interessant.“  

Die bunte WG-Wand ist an sich nichts neues, sondern hat schon so etwas wie Tradition. Auf Portalen wie WG-spion.de wird sogar damit für WG-Zimmer geworben, noch vor der geräumigen Küche und der tollen Verkehrsanbindung. Für WGs sind farbige Wände die ideale Möglichkeit, um designmäßig aufzufallen. Eine Wand bunt zu streichen ist zwar ein bisschen aufwändig, weil man neben Steckdosen und Sockelleisten auch meistens noch einen kleinen Rahmen abkleben muss (sonst wirkt die Farbe zu klobig). Aber so ein Farbeimer kostet nur ein paar Euro und das ist in einer WG auch schon die Hauptsache. Außerdem waren im Zimmer im Elternhaus schon Poster (die natürlich wöchentlich ausgetauscht wurden und bei denen der Klebestreifen immer schön den Putz mit heruntergerissen hat) nicht gern gesehen, geschweige denn eine bunte Wand erlaubt.

Aber warum gerade Grün? In der Mode und im Design hat Grün immer nur - wenn überhaupt - eine Nebenrolle gespielt. Für zehn Prozent der Männer und acht Prozent der Frauen ist sie die unbeliebteste Farbe. Gleichzeitig geben sie zwölf Prozent als Lieblingsfarbe an, schreibt Eva Heller in „Wie Farben wirken“. Vielleicht liegt es daran, dass bei „Grün“ jeder an einen anderen Ton denkt. An ein beruhigendes Gras- oder Waldgrün, an ein zartes Mintgrün oder aber ein stechendes Neon- oder Giftgrün.

Die Mediendesignerin Kerstin Sandelmann, 29, bloggt unter Sanvie.de über Wohndesign und versteht den Hype um die Farbe: „Grün ist eine fröhliche Farbe, vor allem ein frisches Apfelgrün mag ich sehr. Ich hatte mal in einer Wohnung die größte Wand im Wohnzimmer komplett grün gestrichen und ich habe sie geliebt. Damit war immer ein Hauch von Frühling im Wohnzimmer“, sagt sie. Wie bei Kerstin Sandelmann sind es auch in den WGs vor allem die Gemeinschaftsräume wie das Wohnzimmer, die Küche oder auch der Flur, die bunt – und immer öfter grün - gestrichen sind.

Vor ein paar Monaten konnte man mit der grünen Wand bei der WG-Party noch Eindruck schinden, jetzt ist die grüne Wandfarbe nicht mehr einzigartig. Vielleicht ist es aber auch nicht so schlimm, wenn bald gefühlt jeder eine grüne Wand zu Hause hat. „Grün ist einfach eine positive Farbe, sie steht für Natur und Hoffnung, auch wegen der ökologischen Bewegung der vergangenen Jahre“, sagt Christina Huber. 2009 war Grün übrigens ein ganz kurzer Sommermode-Trend. Vielleicht hält sie sich im Wohnbereich ja länger. Und in zwei, drei Jahren können wir dann mit blauen und gelben Wänden rechnen.

Text: kathrin-hollmer - Foto: oh

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