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Ding der Woche: Das Pantone-Farbsystem

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Angela Merkel trägt gern Blazer und diesen stets kurz, tailliert und einreihig geknöpft. Allein die Farbe wechselt, die dafür durch die ganze Malkastenpalette. (Man könnte nun vermuten, dass es sich bei dem Blazer stets um das gleiche Modell handelt, aber die in solchen Fragen sicherlich immer gut unterrichtete „Bunte“ informierte bereits darüber, dass die Kanzlerin von den Modellen der Berliner Designerin Anna von Griesheim zu denen der Hamburgerin Bettina Schoenbach gewechselt sei.)  

Eigentlich gibt es über die Oberbekleidung der Angela M. nicht viel mehr zu sagen.  Viele – Journalisten in der Regel – spekulieren trotzdem mit Vergnügen über einen tieferen Sinn in der Farbwahl der Kanzlerin. Wenn sie einen grünen Blazer trägt, dann handelt es sich um „eine Verbeugung vor dem CeBIT-Partnerland Brasilien“ oder auch einem „möglichen Koalitionspartner 2013“, ist er blau, dann womöglich „wegen Europa“. Dabei steht Angela frühmorgens wahrscheinlich einfach bloß vorm Kanzlerinnenkleiderschrank, denkt sich etwas der Art „Heute ist mir irgendwie so nach Lachsrosa zumute“ und schlüpft in das passende Stück. Wie kalkuliert auch immer, die Chamäleonhaftigkeit des Kanzlerinnenblazers hat nun jedenfalls ein eigenes Meme bekommen: Merkel-im-Blazer-Fotos, angeordnet im Stil von Pantone-Farbkarten.  

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Das hat aber wohl wenig mit jener Farbpsychologisierungswut zu tun, sondern damit, dass sehr viele Menschen gerade sehr viel Spaß am Pantone-Farbsystem haben: Designer identifizieren die Pantone-Farben von Captain America und anderen Superhelden-Kollegen. Sowohl der Zauberwürfel aus den Achtzigern als auch die Kaffeetafel bekommen einen Pantone-Look verpasst. Eine besonders interessante Idee verfolgt die Künstlerin Angelica Dass: Sie will alle menschlichen Hautfarben im Pantone-System erfassen. Die Brasilianerin, selbst im Pantone-Spektrum übrigens eine 7522 C, fotografiert dazu Menschen aus aller Welt. Auf www.colorstrology.com kann man sich ein Pantone-Farbhoroskop erstellen lassen. Der momentane Hype um das Farbsystem lässt vermuten, dass demnächst auch noch jemand mit einer Pantone-Variante der „50 Shades of Grey“ daherkommt – korrigiert auf die tatsächliche Zahl an Graustufen in der Firmenpalette.    

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Vor fast 50 Jahren hat das amerikanische Unternehmen seine ersten Farbfächer mit Sonderfarben entwickelt. Regelmäßig werden ein paar Töne im Katalog durch zeitgeistigere ausgetauscht. Im Pantone-System erhält jede der katalogisierten Farben einen speziellen Code, hinter dem sich ein Mischungsverhältnis verbirgt. So können die Farbtöne überall auf der Welt und unabhängig vom individuellen Farbempfinden exakt reproduziert werden. Barbie-Pink ist 820c, Starbucks-Grün 3425c und das Orange der CDU ist unter 144c systematisiert.  

Das ist für den Normalmenschen, der ja schon froh sein darf, wenn er Azur-, Yves-Klein- und Preußisch-Blau richtig zuordnet, nun eher kryptisch. Eigentlich sind die Farbkarten von Pantone also etwas für Grafiker und Designer. Außerdem führt Pantone zwar am Weltmarkt für Sonderfarben, doch auch andere Firmen wie zum Beispiel HKS haben Farbsysteme entwickelt. Wieso ist ausgerechnet die Pantone-Palette also gerade so etwas wie verdammt cool?  

Vermutlich ist es vor allem: kluges Marketing. Schon seit einiger Zeit verkauft Pantone Lifestyle-Krams wie Kaffeebecher, Smartphone-Hüllen und Notizbücher, demnächst kommt offenbar noch ein Koffer dazu. Die Produkte gibt es zwar längst nicht in allen Farben aus dem Katalog. Aber wenn man seinen Kaffee aus einer Tasse trinkt, die zwar nicht genau dem eigenen Lieblingshellblau entspricht, man die Fastlieblingsfarbe dafür aber von nun an als 630c klassifizieren kann, dann hat dieser Inbegriff des unnützen Wisssens wenigstens ein bisschen Distinktionspotential. Und wer weiß, wozu das noch mal gut sein kann.

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