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Haha, Pipifleck

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Die Titanic, der Papst, gefühlte tausend Medienkommentare – im Moment ist eine widerliche Diffamierungskampagne im Gange, die eine unserer wichtigsten und ehrwürdigsten Institutionen in den Schmutz zieht: den Pipikackepimmel-Humor. Was ist passiert? Für alle, die es noch nicht mitbekommen haben: Das Satiremagazin Titanic bildete auf seinem letzten Heftcover den Papst mit einem Urinfleck auf der Soutane ab und titelte in Anspielung an die Vatileaks-Affäre: „Halleluja im Vatikan – die undichte Stelle ist gefunden" Der Papst ließ daraufhin juristisch gegen die Titanic vorgehen. Jetzt darf das Bild nicht mehr gezeigt werden und man muss es in maximal unlustiger Sprache umschreiben („Satiremagazin", „Urinfleck", „titelte in Anspielung auf").

So weit, so unspektakulär – wäre das ganze einfach als die unterhaltungsjuristische Episode betrachtet worden, die es ist. Stattdessen aber hagelt es nun Kommentare von Journalisten, die sich ganz ernsthaft auf die Seite des Papstes stellen. Dafür benutzen sie ein Argument, das falscher gar nicht sein könnte: Dem Papst einen Pipifleck auf sein Kleid zu malen, das sei, wie die Titanic im Allgemeinen, völlig irrelevant. Und was irrelevant sei, das müsse auch nicht vom Recht auf freie Meinungsäußerung und Satire gedeckt werden. „Über präpubertären Fäkal-Humor muss man nicht diskutieren" findet Stefan Troendle im WDR2 und Jan Fleischhauer kolumniert bei Spiegel Online: „Das eigentlich Erstaunliche an dem Vorgang ist, dass es jemand komisch findet, den Papst mit Urinfleck abzubilden, beziehungsweise dass man mit solchem Pennälerhumor nicht nur Leser findet, sondern auch noch als Teil der kritischen Öffentlichkeit gilt."

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert
 Dass der zweite Schritt dieser Argumentation rechtphilosophisch mindestens fragwürdig ist, kann man getrost ignorieren, weil der erste Schritt viel furchtbarer ist: Natürlich ist Vulgär- und Fäkalhumor alles andere als irrelevant. Und er wird es auch nicht, wenn man ihn dauernd den armen Pennälern und Präpubertierenden unterstellt. Wenn es eine humorgestützte kritische Öffentlichkeit gibt, wenn ein Komiker oder eine Zeitschrift den Anspruch hat, einen guten und vollständigen Humor zu haben, dann gehört es notwendig dazu, sich aus allen Schubladen der Komik zu bedienen, auch den untersten.

Zum einen sind nämlich auch Pimmelwitze manchmal einfach tatsächlich lustig. Wer einen guten Humor hat, erkennt das, und lässt sich nicht von humorlosen Tabu- oder Etikettegründen davon abhalten, den Pimmelwitz dann auch zu machen. Wer eine gute Pointe aus weniger als schwerwiegenden ethischen Gründen sausen lässt, der hat sie vermutlich einfach nicht erkannt, was nicht für seine allgemeine Humorkompetenz spricht. Um eine andere deutsche Humorinstanz herbeizuzitieren, die vermutlich auch von Fleischhauer und WDR2 geschätzt wird: Auch ein Comedyfeind wie Helge Schneider sagt in seinem Filmen mal

so etwas wie:, "Drei Herren in einem Raum – da kann man wohl schlecht Fotze lecken!

Zum anderen, und noch viel wichtiger: Billiger Humor untergräbt keinesfalls Relevanz und kritische Öffentlichkeit eines Satiremagazins oder Komikers. Es macht sie erst möglich! Im Idealfall ist die Titanic wie ein großer Bruder, der uns auf dem Schulhof vor den Schlägertypen schätzt, die uns immer fiese Sprüche hinterherrufen. Wer uns herumschubst oder unterdrückt, bekommt von ihr einen Witz vor den Latz geknallt, für den wir nicht schlagfertig oder schlau genug waren. Dafür braucht der große Bruder natürlich den subtilen, feingeistigen Avantgarde-Humor, den Fleischhauer und die anderen Kommentatoren in der Titanic anscheinend immer überblättern.

 

Aber der Postpubertierendenhumor reicht nicht immer: Der Schulhofschläger ignoriert den einfach, zeigt auf den Fleck auf unserer Hose, über die wir eben unser Trinkpäckchen verschüttet haben und ruft: "Kritische Öffentlichkeit, klar. Du pinkelst dir ja noch in die Hose!" Soll jetzt auch für den Humor der schreckliche Satz gelten, dass man sich nie mit einem Idioten streiten soll, weil er einen auf sein Level herunterziehen wird und dann mit seiner Erfahrung besiegen? Nein, denn unser großer Bruder weiß sich auch dagegen zu helfen. Sein Humor ist vollständig und in jedem Bereich den anderen um Lüngen voraus – ihm fällt auch ein guter Konter auf dem Niveau des Schulschlägers ein.

 

Wer die schlauen Witze machen kann, der kann eben auch die dummen Witze genauso gut oder noch besser machen. Und das ist wichtig und gut, weil die Komik dem Schulschläger sonst hilflos ausgeliefert wäre. Wie diese Taktik funktioniert, hat die Titanic gerade im letzten Heft wieder par excellence vorgeführt, als sie sich an den deutschen Standardcomedians abarbeitete, indem sie deren Form von Komik einfach per Handstreich reproduzierte.

 

Wenn die Titanic auf ihrem Cover also einen albernen Inkontinenzwitz über den Papst macht, dann ist das hochrelevant: Weil sie damit auch den klugen Humor im Heft und überall auf der Welt rettet – davor, dass man sich einfach mit "Haha, Pipifleck" und "Hihi, Pimmel" über ihn erheben könnte. So weit – so weit unten – ist die Titanic nämlich auch schon lange.

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