Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben
Aus der ehemaligen jetzt-Community: Du liest einen Nutzertext aus unserem Archiv.

Papa ist krank.

Text: absurdia
Im Mai.
Die Diagnose ist hart. Ich hadere nicht mit dem Schicksal, es bringt nichts. Man kriegt im Leben nicht das, was man verdient. Es kommt, wie es kommen soll. Manchmal zieht man an der Losbude des Lebens einfach eine Niete. Ich erwarte eine schwere Zeit, aber schwer ist kein Ausdruck für das, was kommt.
***
Die erste Therapie steht an. Du sitzt am Küchentisch, weinst aus voller Seele und voller Angst. Deine Tränen erzählen von Verzweiflung, von der Furcht vor dem, was passieren wird und vor dem Sterben. Meine Kehle schnürt sich zusammen und mir zerreißt es fast das Herz, dich so zu sehen. Es soll nicht das letzte Mal sein.
***
Die Realität ist zu einem Albtraum geworden, aus dem man nicht mehr erwacht. Es ist fast unmöglich, das normale Leben weiterzuführen, da es kein normales Leben mehr gibt. Die heutige Normalität besteht aus Klinikbesuchen, weinen, Angst, weinen, Kopfkino, weinen, Magenschmerzen und weinen.
Immer wenn jemand smalltalkmäßig "Na, alles klar?" fragt, muss ich schlucken. Noch nie war alles weniger klar als jetzt. "Ja, alles klar".


Im Juni.
Dir geht es schlecht, du musst wieder ins Krankenhaus. Als der Notarzt dich abholt, denkt niemand daran, dass du nicht mehr nach Hause kommst.
***
Die Ärzte sagen, es gibt keine Hoffnung mehr, es wird nicht mehr lange dauern. Woran soll man sich festhalten, wenn das Einzige, an das man sich noch klammern konnte, aus den Händen gerissen wird?
Es heißt, die Hoffnung stirbt zuletzt. Was kommt, wenn sie gestorben ist?
***
Innerhalb weniger Wochen bist du pflegebedürftig geworden, wir wissen nicht, ob du uns noch erkennst, ob du noch weißt, wer wir sind. Aber wir sind immer an deiner Seite – egal was kommt.


Im Juli.

Das Krankenhaus ruft an, es sieht nicht gut aus. Wir kommen zu dir, halten deine Hand. Du bist nicht mehr ansprechbar, aber ich glaube, du spürst, dass wir da sind.
***
Du bist erlöst. Wo auch immer du jetzt bist, mach’s gut Papa. Ich liebe dich.






Quelle: http://weheartit.com/entry/32062140

Mehr lesen — Aktuelles aus der jetzt-Redaktion: