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Mädchen, warum habt ihr Ex-Freund-Kisten?

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Die Jungsfrage:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Ein Zeichen dafür, in einer festen Beziehung angekommen zu sein, sind eigene Klamotten im Schrank der Freundin. Spätestens wenn man zum dritten Mal aus Mangel an eigenen Sachen mit dem verschwitzen T-Shirt vom Vorabend oder einer hässlichen Jacke vom Mitbewohner eure Wohnung verlassen hat, ist es an der Zeit, beim nächsten Mal vorzusorgen und nach und nach seine Klamotten auszulagern. Jeder macht ein bisschen Platz im Schrank und schon erübrigt sich das nervige Hin- und Herfahren aus Klamottenmangel.

Diese an sich recht harmonische Vermischung der Lebenswelten zweier Menschen wird dann leider getrübt durch die nun folgende Szene, die sich so oder ähnlich in jeder (jeder!) unserer Beziehungen irgendwann abspielt:

Die Herzdame ist gerade nicht im Zimmer, sagen wir mal, sie duscht. Man steht auf, um sich anzuziehen und ruft zur Freundin „Wo hast du denn meine Shirts hin?“ Antwort aus der Dusche: „Schau im Schrank, rechts oben!“. Die Beschreibung stimmt dann leider nicht genau und man sieht sich gezwungen, ein bisschen im Kleiderschrank zu wühlen. Doch anstatt das Shirt zu finden, stößt die Hand auf etwas Hartes, Eckiges. Aus Pappe. Ein Schuhkarton, im schlimmsten Fall auch noch beklebt mit dämlichen Fotostickern und Glitzerkram. Im noch schlimmeren Fall noch weitere Kisten daneben. Wir müssen gar nicht erst reinschauen (tun wir natürlich auch nicht!) um sofort zu wissen, worauf wir da gestoßen sind: Die gottverdammten Ex-Freund-Nostalgie-Kisten, vollgepackt mit in unseren Augen absolut widerlichen Erinnerungen an eure ehemaligen Beziehungen.  

Diese seltsamen Angewohnheit der weiblichen Spezies gibt uns gleich mehrere Rätsel auf. Erstens finden wir es komisch, dass ihr trotz ständigen Beteuerns, wie schrecklich eure Ex-Freunde waren, anscheinend doch das Bedürfnis habt, die Erinnerung an sie in hübsch gestalteten Kisten zu konservieren. Das misst ihm nach unserem Empfinden immer noch eine gewisse Bedeutung in eurem Leben zu, die Kisten haben ja irgendwie auch so etwas spirituell Altarmäßiges, als könnte man mit ihnen die Geister der Vergangenheit wecken. Klar, nicht jeder Ex war ein Arschloch und selbst die, die es waren, müssen es ja nicht 24 Stunden am Tag gewesen sein. Aber was habt ihr davon, Briefe, irgendwelche Kleingegenstände und Fotos (alles reine Vermutung, Privatsphäre ahoi!) so akribisch zu sammeln und zu archivieren? Was fühlt ihr wenn ihr die Kisten aufmacht? Gibt euch das irgendwas, so eine Art wohlige Melancholie? Und warum könnt ihr die Kisten nicht wenigstens an irgendeinem Ort verstecken, an dem wir sie garantiert nicht finden? Ist das vielleicht sogar Absicht?  

Außerdem ist es auch kein schöner Gedanke, dass auch die Erinnerungen an uns eines Tages in so einer bescheuerten Kiste im Kleiderschrank-Archiv landen. Die Boxen machen uns nebenbei nämlich auch bewusst, dass wir in eurem Leben vielleicht doch nicht so einzigartig sind wie wir es gerne wären.


Die Mädchenantwort:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Da unsere Kleiderschränke, völlig klischeehaft, schon allein durch Klamotten leider chronisch überfüllt sind, wundert es mich ein wenig, dass du bisher immer dort fündig wurdest. Meine Ex-Kiste, ein alter Schuhkarton, übrigens weder mit Seidenpapier ausgelegt noch mit Glitzerfolie beklebt, stattdessen ein bisschen verbeult, befindet sich im hinterletzten Winkel eines Kruschregals. Der Karton ist unter einem Berg aus Bildbänden, einem Diercke-Weltatlas und mehreren Abi-Zeitungen begraben und jedes Mal, wenn ich ihn öffne, bereits ein wenig eingestaubt. Er ist nicht mal konsequent für Exfreunde-Kram reserviert, auch ein paar alte Fotos aus Schulzeiten und von einem Finnland-Urlaub mit Freunden haben sich irgendwann mal in die Kiste verirrt. Ich finde, das zeigt eigentlich bereits ganz gut die Bedeutung, die wir dem Exfreund-Inhalt in ihr beimessen: Würden wir zwar niemals wegwerfen und kramen wir beizeiten gerne hervor, spielt aber in unserem Leben heute, in unserem Leben mit euch, auch keine wesentlich wichtigere Rolle als der veraltete Schulatlas.    

Von einem Altar kann also keine Rede sein und bei all der Unordnung auch nicht von einem Archiv. Was die Ex-Kiste uns wirklich bedeutet, erzähle ich dir gleich noch, aber zuerst geschwind eine Inhaltsbeschreibung des Kartons - da du ja laut Selbstauskunft bisher so anständig warst, ihn nicht zu öffnen. Damit überhaupt geklärt ist, worüber wir eigentlich reden: Du liegst mit deinen Vermutungen (hast du wirklich nicht reingeguckt?) über den Inhalt ziemlich richtig. In meinem Karton beispielsweise lagern ein Brief, den mir mein erster richtiger Freund geschrieben, Zettelchen, die er mir unter den Fahrradgepäckträger geklemmt und Comics, die er für mich gemalt hat. Dazu noch Knutschfotos, mit der ersten Digitalkamera aufgenommen, damals. Von meiner zweiten langen Beziehung sind Fotos von uns beiden zusammen und Postkarten, die er mir geschrieben hat, im Karton gelandet. Aus einem gemeinsamen Urlaub mit ihm fliegen noch ein paar Eintrittskarten und U-Bahn-Tickets herum.

Diese beiden Herren haben mir mal sehr viel bedeutet, wir haben einige Jahre zusammen verbracht, durch die gemeinsame Zeit haben sie mich mit zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin. Alle anderen Männer, die mal in mein Leben getreten sind, haben sich nicht für den Karton qualifiziert. Deine Sorge, nicht einzigartig genug für uns zu sein, wenn deine Überbleibsel in der Box landen, ist also völlig ungerechtfertigt: Gerade wenn ihr ein ganz besonderer Mensch für uns gewesen seid, sollt ihr auch dinglich in unserem Leben bleiben.

Die Kiste hat dabei gegenüber anderen Formen des Aufbewahrens einen entscheidenden Vorteil: Erinnerungen, die nur zwischen den Hirnwindungen hin- und her geschoben werden, verblassen irgendwann – genau aus dem Grund machen wir und ihr doch auch ja so gerne Fotos. Deshalb wollen wir schon etwas Materielles bewahren. Allerdings möchten wir diesen Dingen nicht ständig begegnen, besonders natürlich nicht, wenn wir frisch von euch getrennt sind, aber auch später nicht, wenn eure Bedeutung in unserem Leben auf Geburtstagsanrufe und An-Weihnachten-in-der-Heimat-Treffen geschrumpft ist. Deshalb kommt ein Deckel drauf und die Kiste mit dem Ex-Material ins Kruschregal, auf den Dachboden oder meinetwegen auch in den Kleiderschrank.

Meistens kramen wir nur darin, wenn wir diese Aufbewahrungsorte aus einem anderen Grund aufgesucht haben und zufällig über sie stolpern. Und dann ist es tatsächlich ein wohliges Gefühl, nochmal die alten Briefe zu lesen, die Fotos anzuschauen und sich an das zu erinnern, weswegen wir gerne mit euch zusammen waren. Mehr aber auch nicht. Dann kommt erneut der Deckel drauf. Ohne jede Wehmut. Die Gründe, aus denen wir nicht mehr mit euch zusammen sind, an die können wir uns nämlich auch noch sehr genau erinnern.

juliane-frisse

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