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Die Band, die nie probt

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Im Proberaum schlägt das Herz einer Band. Hier entstehen die Songs, die eines Tages vielleicht jeder mitsingen kann. Deshalb besuchen wir regelmäßig junge Münchner Musiker in ihren Proberäumen. Diesmal erzählen die „Moving City Lights“ von ihren Proben im Wohnzimmer von Bandmitglied Dominik. Zusammen mit Sänger Felix hat er die Band 2009 gegründet, die aktuell als Trio besteht. Ihre Mischung aus Folk, Postrock und Indie spielen die „Moving City Lights“ jedoch auch häufiger mit einem Musiker-Kollektiv:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



„Es gab nie diesen Zeitpunkt, wo wir gesagt haben: Wir sind jetzt eine Band, wir brauchen jetzt einen Bandraum. Da Domi seiner Freundin und sich schon lange im Wohnzimmer ein kleines Aufnahme-Equipment aufgebaut hatte, nimmt er hier auch manchmal mit befreundeten Bands Platten auf. Als vor etwa drei Jahren Felix mit seiner anderen Band, einer Metal-Band, da war, brachte er fünf selbstgeschriebene Akustik-Lieder mit. Bei einem Song spielte Domi spontan das Schlagzeug ein, schließlich bei mehreren. Wir schrieben dann ab und an Songs zusammen, nahmen zusammen auf und spielten ein paar Konzerte. Wir haben uns aber nicht oft genug getroffen, um es „proben“ zu nennen, aber wenn, dann hier im Wohnzimmer. Eine Zeit lang waren wir deshalb bekannt als die Band, die nie probt.

Mittlerweile gehört noch ein Gitarrist zu uns. Allerdings sind wir auf Konzerten manchmal sogar zu acht auf der Bühne, weil wir uns spontan Gastmusiker dazu holen. Einmal hatten wir ein paar Couchsurfer aus Amerika dabei, mit ihnen haben wir ein Konzert in der Glockenbachwerkstatt gespielt. Egal ob Sänger, Streicher, Trompeter – jeder, der nett ist und Ideen hat, ist willkommen. Wir haben kein großes Ego, wir wollen bloß im Kollektiv mit Leuten, die wir mögen, Musik machen.

Trotz – oder vielleicht gerade wegen dieser offenen Struktur, treffen wir uns heute immer noch in diesem Wohnzimmer zum Spielen. Denn ein Bandraum ist ja ein Ort, an dem auch viel abgehangen und viel diskutiert wird. Und er ist ein Ort, an dem nicht nur Musik gemacht, sondern an dem auch mal in Ruhe Musik gehört wird. Wir wollen dabei gemütlich Espresso trinken können und auch mal ein Bierchen. Denn unsere Musik entsteht spielerisch, Gemütlichkeit ist dafür essenziell. Und wenn einmal nichts entsteht, haben wir keinen Stress. Wir zahlen ja schließlich keine horrende Proberaum-Miete.

An der Wand hinter dem Schlagzeug hängen alte Fotos von Freunden, ein Sammelsurium kleiner Erinnerungen an Bands, in denen Domi mal gespielt hat, und natürlich stehen überall seine Aufnahmegeräte herum. An der Decke hängt eine alte Lampe seines Vaters, für die Domis erste Freundin einen Lampenschirm gehäkelt hat. Die Brettspiele im Regal gehören nur zum Teil Domi, ein paar haben Nachbarn hier vergessen, als wir mal einen Brettspielabend gemacht haben. Man sieht: Wenn wir hier nicht Musik machen, hängen wir hier gemeinsam rum, gucken fern, lernen oder lesen, typische Wohnzimmersachen.

Die Nachbarn stört die Musik nicht. Einige von ihnen machen selbst Musik, andere sind Studienkollegen. Und Siggi, der alte Mann über unserer Wohnung, lebt hier seit 35 Jahren, ist ein super Typ und sehr tolerant. Außerdem ist unsere Akustik-Folk-Musik nicht besonders laut, wir besitzen fast nur akustische und keine verstärkten Instrumente: Banjo, Mandoline, die Drums sind abgespeckt, Akustik-Gitarren. Nach zehn Uhr abends geht probemäßig natürlich trotzdem nichts, aber es spricht ja nichts dagegen, sich vorher ein, zwei Stunden hinzusetzen.

Wenn man so will, ist dieses Wohnzimmer also so etwas wie die Gesamtwerkstatt unserer Band: Wir hängen hier rum, wir spielen hier, wir nehmen hier auf und einmal ist es zu unserer privaten Packstation geworden, nämlich für unsere aktuelle CD und LP Every city is a little like home. Ein paar Tage lang hatten wir dafür eine Nähmaschine und eine kleine Siebdruckwerkstatt aufgebaut. Wir haben die Platten in Pappe eingenäht, bedruckt und handnummeriert.“


Text: mercedes-lauenstein - Foto: Juri Gottschall

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