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Aufforderung zum Liegenbleiben

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Der menschliche Organismus weiß vieles von Natur aus, lange bevor wir unser erstes Wort über die Lippen bringen. Zum Beispiel, wann es am besten ist, zu schlafen. In unseren Augen befinden sich Rezeptoren, die der inneren Uhr des Körpers signalisieren, ob es Tag oder Nacht ist, weshalb wir naturgemäß mit Einbruch der Dunkelheit müde werden. Seit der Erfindung der Glühbirne aber fingert der Mensch immer mehr selbst an den Zeigern dieser Uhr herum.

Es ist freilich nicht ungewöhnlich, bis nach Mitternacht wach zu sein, egal ob man Student, Schüler oder Angestellter ist. Denn mit seinen Seminararbeiten wird man, trotz aller guten Vorsätze, meist erst in den frühen Morgenstunden fertig. Dass man für Mathe- und Chemieklausuren die Nacht durchlernt, ist völlig normal. Und wer sowieso nie vor 22 Uhr aus dem Büro kommt, hat nicht einmal die Chance, früh ins Bett zu kommen. Aber solange einen der Wecker rechtzeitig wieder wach läutet, ist das Schlafpensum für viele eine dehnbare Variable. Schleift sich ein solcher Rhythmus jedoch über einen längeren Zeitraum ein, machen sich schnell Symptome wie Müdigkeit, Niedergeschlagenheit und Unwohlsein bemerkbar. Eigentlich sind dies Anzeichen eines klassischen Jetlags, der bei Reisen durch unterschiedliche Zeitzonen eintritt.  Mit dem Unterschied, dass sich der Körper binnen weniger Tage an die neue Zeitzone gewöhnt, die Symptome also verschwinden. Nicht so beim Social Jetlag: Tickt die soziale Uhr dauerhaft gegen die biologische, so ist die Gefahr groß, dass Müdigkeit und Niedergeschlagenheit zu chronischen Begleitern im Alltag werden.

Berechnet wird der Social Jetlag, indem man die Zahl der Schlafstunden an Arbeitstagen von der Zahl der Schlafstunden an freien Tagen subtrahiert. Wer also am Wochenende zehn Stunden schläft, unter der Woche aber schon nach sechs Stunden aufsteht, handelt sich einen Social Jetlag von vier Stunden ein.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Müdigkeit und Erschöpfung zählen zu den Symptomen des Social Jetlags.

Till Roenneberg ist Professor am Zentrum für Chronobiologie in München und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Schlafverhalten von Menschen. Er warnt vor den gesundheitlichen Auswirkungen, die chronischer Schlafmangel auf den Körper hat. So werde, laut einer Studie aus dem Jahre 2006, nicht nur die tägliche Leistungsfähigkeit eingeschränkt; auch Langzeitschäden wie Herzkreislaufbeschwerden, Diabetes und Übergewicht können die Folge sein. Denn Schlafmangel befördert neben Niedergeschlagenheit und Leistungsabfall auch den Heißhunger auf Zwischenmahlzeiten. Dass viele Betroffene zudem versuchen, ihrem Körper mit Kaffee und Zigaretten auf die Sprünge zu helfen, macht die Sache nicht gesünder. „Je stärker der soziale Jetlag, desto mehr greifen Individuen nach Stimulanzien,“ so Roenneberg. Betroffen sind dabei Menschen aller Altersgruppen, sowohl berufstätige Erwachsene als auch pubertierende Jugendliche. Schließlich kann ein sechzehnstündiger Arbeitstag genauso Grund sein, sich die Nacht um die Ohren zu schlagen, wie eine bevorstehende Klausur.

Es wird einem aber auch nicht leicht gemacht. Überall lauern Smartphones, das Internet ist sowieso ständig verfügbar, und wem geht es nicht manchmal so, dass er vorm Einschlafen noch etwas wahnsinnig Wichtiges wikipedieren muss? Das Fernsehen scheint zumindest noch insofern schlafkompatibel, als dass die meisten Programme spätestens um 23 Uhr fad werden. YouTube, Facebook und andere Internetplattformen hingegen locken rund um die Uhr mit Hochinteressantem.

Doch davon mal abgesehen, scheint es generell schwierig, dem Social Jetlag gänzlich zu entgehen, denn dazu wären grundlegende soziale Veränderungen notwendig. So müssten für Kinder und Jugendliche beispielsweise die Schulzeiten angepasst werden, während im Berufsalltag eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten notwendig wäre. Man kann seinem Körper aber dennoch entgegenkommen. Etwa, indem man ihm so viel Tageslicht wie möglich zukommen lässt und darüber hinaus darauf achtet, zu später Stunde keine allzu großen Mahlzeiten mehr einzunehmen.

Text: josef-wirnshofer - Foto: Alex / photocase

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