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„Facebook will Munition im Patronengürtel“

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jetzt.de: Kurz vor dem Börsengang kauft Facebook für 550 Millionen Dollar 650 Patente und Anwendungen von Microsoft, vorher schon hunderte von IBM. Um was für Patente geht es da? Joachim Henkel: Es geht um Patente, die im weiteren Sinne mit Facebooks Aktivitäten zu tun haben. Was für Patente es genau sind, spielt aber gar keine Rolle. Facebook will ja keine eigenen Erfindungen vor Imitationen schützen. Darum geht es überhaupt nicht. Patente sind in diesen und ähnlichen Fällen so etwas wie Waffen und die Patentkäufe sind Teil eines Wettrüstens.  

Inwiefern?
Wenn Facebook zum Beispiel von Google verklagt würde, dann öffnet Facebook in die Kiste mit den gekauften Patenten und schaut, womit man Google ärgern könnte. Natürlich müssen die Patente in dem Bereich liegen, wo die Wettbewerber und man selbst  als Unternehmen tätig ist. Aber bei solchen Käufen geht es nicht um konkrete Erfindungen, die man sich vorher aussucht. Facebook möchte Munition im Patronengürtel haben.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Die Käufe sind also eine Art Vorsorge, um einen Rechtsstreit wie den zu vermeiden, den Facebook seit einer Weile mit Yahoo führt. Da werfen sich ja auch beide Verletzungen von Patenten vor.
Ja, wobei Yahoo das auch deshalb macht, weil es dem Unternehmen gerade nicht besonders gut geht. Facebook ist der Star zurzeit, Yahoo nicht. Gerade solche Unternehmen, denen es nicht so gut geht, versuchen oft, mit Patentklagen am Gewinn der erfolgreichen Unternehmen finanziell teilzuhaben.

Wie habe ich mir das konkret vorzustellen? Schaut bei Yahoo dann jemand, ob der Chat bei Facebook genauso funktioniert wie der eigene?
Es ist ja so: Patente gibt es sehr viele. Wenn man sich zum Beispiel den UMTS-Standard anschaut, gibt es am Europäischen Patentamt etwa 4000 Patente darauf. Und in den vielen, vielen Patenten, die irgendwie mit Chat zu tun haben, gibt es bestimmt Erfindungen, die sich im Chat von Facebook und Yahoo finden. Das kann man ja oft erst sehen, wenn man genau in die Software reinguckt. Aber ein begründeter Verdacht reich, um rechtlich korrekt Druck aufbauen. Und das ist etwas, was ein Unternehmen wie Facebook kurz vor dem Börsengang überhaupt nicht gebrauchen kann. Der Zeitpunkt der Yahoo-Klage war ja auch nicht zufällig. Facebook ist momentan erpressbar.

Hätte es für die Facebook-Nutzer konkrete Folgen, wenn Yahoo den Rechtsstreit gewinnen würde? Gäbe es dann plötzlich bestimmte Funktionen nicht mehr?
So etwas könnte passieren. Denken Sie beispielsweise an Handys: Apple hat Samsung verklagt, weil die Galaxy-Handys eine ähnliche Funktion hatten wie das iPhone. Man konnte da den Bildschirmschoner auch mit einem Fingerwischen aufheben. Samsung hat reagiert, indem sie die Funktion leicht abgeändert haben. Gleichzeitig versuchen sie vor Gericht nachzuweisen, dass die Apple-Erfindung ihrerseits nicht neu war und nicht hätte patentiert werden dürfen.

Im Prinzip war das also kein so großes Problem.
Naja, bei Software – also auch bei Plattformen wie Facebook – ist das noch relativ einfach. Da passieren solche Änderungen oft quasi unter der Haube: Die Funktionen bleiben dieselben, aber die Lösung dahinter ist eine andere. Theoretisch ist es aber denkbar, dass sich bei facebook durch die Klagen was ändert.

Wie viel Geld lässt sich mit den Klagen gegen Patentverletzungen verdienen?
Das kann für Facebook durchaus unangenehm werden. Genaue Zahlen werden meist nicht bekannt, da die Einigungen nicht öffentlich gemacht werden. Aber um ein Beispiel zu nennen: Research in Motion, die Firma, die Blackberrys herstellt, hatte vor ein paar Jahren eine Verletzungsklage von einem Unternehmen, das selbst nichts anderes macht als Patente zu kaufen oder zu entwickeln und die dann gegen andere durchzusetzen. Solche Unternehmen nennt man auch Patentverwertungsgesellschaften – oder etwas böswilliger Patenttrolle. In diesem Fall war zu befürchten, dass das Gericht eine Unterlassungsverfügung ausspricht; Research in Motion hätte dann seinen Verdienst zumindest zeitweise einstellen müssen und die Nutzer wären wahrscheinlich abgewandert. Unter dem Druck haben sie 612 Millionen Dollar für eine Einigung bezahlt – obwohl die fraglichen Patente eigentlich ziemlich schwächlich waren.

Der Wert eines Patents ermisst sich also in der Erpressbarkeit anderer?
In solchen Fällen ja. Man hat eben eine viel größere Verhandlungsmacht, wenn der andere die patentierte Erfindung schon verwendet und ich ihm androhen kann, den Laden dicht zu machen. Diese Macht ist eigentlich unangemessen hoch und hat mit dem wirklichen Wert der Technologie oft überhaupt nichts mehr zu tun. Im Prinzip ist das Geschacher mit Patenten also eine Art Wettrüsten.

Kommt so etwas eigentlich nur in der IT-Branche vor?
Nicht nur, aber vor allem. IT, Software und Telekommunikation sind sehr schnelle Branchen, außerdem sind die Produkte sehr komplex. Sie bestehen aus vielen kleinen Einzelerfindungen, im Kontrast zu Pharmaprodukten beispielsweise, wo es einen Wirkstoff gibt, der, wenn es hoch kommt, durch ein paar Dutzend Patente geschützt ist. Wenn sie sich so ein Smartphone anschauen, finden sie da zehntausende Patente. Um jemand anderem das Leben schwer zu machen, kann aber schon ein einziges Patent ausreichen.

Wenn die Zahl der Patente so hoch ist – lässt sich für kleine, neue Unternehmen bei der Entwicklung überhaupt vermeiden, dass man Patentrechte verletzt?
Nein. Aber bei den kleinen ist ja auch nicht viel zu holen. Wenn ein kleines Start-Up ein paar Patente verletzt, stört das kaum jemanden, weil da nicht so viel Geld dahinter steckt. Bei den Großen wird dagegen genau hingeschaut, ob sie ein Patent verletzen. Die sind zwar viel professioneller darin, Verletzungen zu vermeiden. Aber perfekt sind die auch nicht. Da kann es sich lohnen, nach Patentverletzungen zu suchen.

Text: christian-helten - Foto: dpa

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