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Was sagen High-Heels über ihre Trägerin?

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Es ist etwas sehr Intuitives: Ich kann eine Frau noch so stark finden, in dem Moment, in dem sie in zehn-Zentimeter-Heels an mir vorbeiwackelt, zweifle ich an ihrem Selbstbewusstsein und gerate in eine Grübelei über den Sinn und Unsinn von Absätzen. Für wen trägt sie diese Schuhe, die sichtlich unbequem sind und sie in ihrem freien Bewegungsvermögen einschränken? Hinzu kommt, dass ich Heels mit ihren dünnen Stängelabsätzen selbst an den schlankesten Beinen proportional unstimmig finde. Sie haben etwas Prothesenhaftes und Frauen, die sie sich anziehen, laufen darin als hätten sie sich die Beine verstaucht und bräuchten Hilfe. Von besonderer Eleganz keine Spur, ganz zu schweigen von Standfestigkeit und Weitsicht.
Über die Symbolik von High-Heels zu diskutieren, ist aber ungefähr so schwer, wie über Schönheitsoperationen oder Nacktfotos im Playboy zu streiten: Wer darauf steht, verteidigt sich gern mit dem unantastbaren Argument, es nur für sich selbst und seine eigene Würde zu tun.

Weil ich mich selbst oft genug in Design-Gegenstände oder Kleidungsstücke verknalle, die nicht besonders zweckmäßig sind, habe ich großes Verständnis für absurde Modeleidenschaften. Ich stoße mich nur deshalb an Heels, weil es in meinen Augen das Mindeste ist, sich trotz aller Faszination für Schmuck und Schönheit noch so wohl und frei zu fühlen, dass man stets losrennen und zur Not auch auf einen Baum klettern könnte. In Heels sieht aber niemand so aus als sei er besonders startklar. Ich werde deshalb das Gefühl nicht los, dass es beim Tragen von Heels um alles andere geht als um die Trägerin selbst. Denn die hat ja meist vor allem Schmerzen. Immerhin gibt es in vielen Clubs bereits Automaten, die Ballerina-Schläppchen für den akuten Heels-Überdruss anbieten. Abnehmbare Absätze werden erfunden und aus eigener Erfahrung weiß ich, dass Frauen, wenn sie unter sich sind, ihrer Stöckelschuhe so schnell wie möglich ausziehen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Trotzdem wird immer wieder das Bild propagiert, Heels zu tragen sei ein besonderer Ausdruck weiblicher Stärke. Ausgerechnet Christian Louboutin, ein Mann, der mit Schuhen sein Geld verdient, die er selbst nicht trägt, sagt Sätze wie: „Man trägt High Heels heute nicht, um zu einer Gruppe zu gehören, sondern weil es Individualität bedeutet."
Verhält es sich nicht genau umgekehrt?
Außerdem ist es ja nicht so, dass es nicht auch stabile Absätze gäbe, die sich gut anfühlen. Frauen, die keine Lust haben, in Heels herumzuwanken, aber trotzdem gern ein Stück größer wären, können Pistol Boots, Blockabsätze oder Plateauschuhe anziehen.

Natürlich bleibt da die Frage, wieso es so wichtig ist, größer zu sein als man ist. Wie wenig viele Modeliebhaberinnen zu ihrer Körpergröße stehen, erkennt man an einem derzeit sehr begehrten Schuh: Dem Isabel-Marant Sneaker, ein als gemütlich aussehender High-Top-Sneaker getarnter Plateauschuh, der ausverkauft ist und für den es mittlerweile sehr lange Wartelisten gibt. Lässigkeit kommt gut rüber, Mut zur angeborenen Größe offensichtlich nicht so.

Einmal war ich auf einer Hochzeit, auf der die Braut zu ihrem weißen Kleid schmale, flache Männerschuhe trug. Ihre selbstverständliche Art sich darin zu bewegen strahlte so viel Leichtfüßigkeit und Stil aus, dass sie wie von selbst ein sehr umwerfender Sexappeal umgab, den ihr kein Heel der Welt hätte verleihen können. Sie wirkte wie eine Frau, zu der man eigentlich genau deshalb richtig hinaufschauen konnte, weil sie sich nicht künstlich in die Höhe gestelzt hatte. 

Text: mercedes-lauenstein - Illustration: Katharina Bitzl

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