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Schön, schön, schön sind alle meine Münder

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Dass Schönheit etwas Gutes ist, das wird wohl keiner abstreiten. Dafür wird über Schönheitsideale umso häufiger und heftiger gestritten. Gerade erst verkündeten CDU und CSU, dass sie Schönheitsoperationen für Minderjährige verbieten wollen, sofern sie nicht medizinisch notwendig sind. Wie nötig ein solches Verbot ist, lässt sich zwar diskutieren, aber dass es überhaupt in Betracht gezogen wird, ist wohl eine weitere Landmarke auf dem Weg zur Normalität von Schönheits-OPs. Denn sie versprechen, dass man eine fein geformte Nase oder hohe Wangenknochen haben kann, auch wenn die Natur sie einem nicht geschenkt hat. Sie versprechen, das Ideal zu erreichen.

Die Designerin Meike Harde (24) spielt mit den Schönheitsidealen, die einem allerorten vorgeführt werden. Sie hat Masken entwickelt, mit denen man die Augen- oder Mundpartie bedecken kann. Als Vorlage dienten ihr Bilder von Models und Prominenten aus dem Internet. Mit Photoshop hat sie die Augen und Münder ausgeschnitten und dann jeweils einen halben Mund und ein Auge gespiegelt. „Durch die Spiegelung sieht es noch perfekter aus", begründet Meike ihr Vorgehen. Die Masken sind sehr simpel und werden einfach mit einem Gummiband um den Kopf getragen. Im Rahmen einer Ausstellung in Saarbrücken hat sie sie unter dem Namen „Zu schön um wahr zu sein" präsentiert. Die Ausstellung war eigentlich ein Tag der offenen Werkstätten. Jeder Teilnehmer konnte seine Werkstatt, sein Atelier oder seine Wohnung öffnen und seine Werke zeigen. Meike hat in ihrer Wohnung eine kleine Szene aufgebaut, mit Kommode und Spiegel und zehn verschiedenen Münder- und Augenmasken. Jeder konnte sie anprobieren und mitnehmen. Nun wurde ihre Idee auch vom Design-Magazin „dezeen" aufgegriffen.

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Die Fotos, die man auf Meikes Homepage und bei „dezeen" sieht, entstanden im Studio. Die Gesichter der Frauen, die eines der perfekten Lächeln, einen Kussmund oder ein Paar verführerische Augen mit langen Wimpern aufgesetzt haben, wirken seltsam verzerrt und starr, fast ein bisschen unheimlich. „This would be the scariest Halloween mask ever made", kommentiert ein Leser des dezeen-Blogs. Das ist kein neuer Effekt einer Maske. Das Unbewegte und dadurch Unnatürliche ist ihr immer eigen und verursacht stets ein unangenehmes, befremdliches Gefühl, sei es nun beim Karneval oder im Horrorfilm. Ebenso könnte man kritisieren, dass sich die künstlichen Partien gar nicht angenehm in die Gesichter der Frauen fügen können – immerhin sind es die Augen und Münder fremder Personen und verzerren darum die Proportionen, egal, ob sie schön oder hässlich sind.

Aber die Installation ist wohl weniger als Enttarnung, sondern vielmehr als überspitzter Hinweis auf Schönheitsideale, Photoshop-Praktiken und Schönheits-OPs zu verstehen. „Mir ging es darum, klarzustellen, dass man mit künstlich hervorgerufener Schönheit oft das Gegenteil erreicht. Sie ist nicht mehr authentisch. Dafür musste ich die Darstellung natürlich überspitzen", erklärt Meike. Der tote Blick, den die Masken erzeugten, spiele auch auf die starre Mimik an, die man nach Schönheits-OPs oft habe. Ein Besucher interpretierte die Masken als Bild dafür, dass manch einer sich hinter seiner perfekten Fassade versteckt. „Alle Deutungen sind zulässig, es geht ja gerade darum, dass man selbst etwas interpretiert", sagt Meike. Wichtig ist ihr vor allem, dass die Masken viele Besucher zum Lachen brachten: „Dass sie jetzt oft gebloggt werden, liegt sicher auch daran, dass sie so lustig sind. Man erreicht oft mehr, wenn man ein kritisches Thema lustig umsetzt, anstatt es kritisch umzusetzen."

Die Masken sind aber nicht nur eine schöne Idee, weil sie bizarr und komisch sind. Sie sind es vor allem auch durch ihre Einfachheit. Es dürfte nicht allzu schwer sein, sich mithilfe einer Zeitschrift oder Google und Photoshop etwas Ähnliches selbst zu basteln. Und wer das Cover eines Magazins zerschneidet oder halbe Münder spiegelt, um daraus eine Verkleidung zu machen, mit der er lachhaft bis gruselig aussieht, wäre ja auch schon wieder einen Schritt weiter darin, mediale Schönheitsideale nicht allzu ernst zu nehmen. 

Text: nadja-schlueter - Fotos: Meike Harde (meikeharde.com)

 

Gegen den Schönheitswahn: 

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