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"Wir gegen den Rest der Welt"

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jetzt.de: In den letzten Jahren hat Brighton viele Indie-Größen wie die Kooks, The Maccabees oder The Go!-Team ausgespuckt. Wie sieht die Szene dort heute aus?  
Steven Ansell: Das Coole hier ist immer noch, dass sich Musiker aus den verschiedensten Musikrichtungen der Underground-Szene treffen und Ideen austauschen. Jeder kennt hier jeden. Dieser Austausch ist glaube ich einzigartig und sehr wichtig für die Musikszene. Deswegen hat Brighton keinen speziellen Sound. Jede Band kreiert einen eigenen, neuen Sound. Das macht sie auch so interessant.  

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Steven Ansell und Laura-Mary Carter sind die Blood Red Shoes - seit acht Jahren.

Habt ihr von diesem kreativen Austausch auch für euer neuestes Album „In Time To Voices“ Gebrauch gemacht? 
Wir haben als Band in Brighton angefangen. Ich bin auch immer noch ein Brighton-Kid. Für dieses Album haben wir aber eher versucht an uns selbst zu wachsen, uns zu kritisieren, uns ständig zu fragen: Geht das nicht noch besser? Wir wollten auch nicht, dass das Album wie seine zwei Vorgänger nach einer Live-Performance klingt. All diese Verbote haben unsere Kreativität nicht gehemmt, sondern in eine andere Richtung gelenkt. Wir haben Songs mit Akustik-Gitarre oder Klavier geschrieben. Mit konventionellen Songstrukturen gebrochen. Ich finde wir kommen unserem eigenen einzigartigen Sound immer näher. 

Was inspirierte euch denn für den Sound auf diesem Album? 
Laura-Mary interessiert sich für Kunst, Fotografie und Filme. Wir sehen sehr gerne Filme, aber nicht diesen kommerziellen Mist, sondern eher Arthouse-Produktionen. „Paris, Texas!“ hat uns zuletzt sehr beeindruckt. Generell geht es im Album um das Gefühl des Verlorenseins. Um Wut. Die Krawalle in London und in ganz England letzten Sommer haben mich teilweise auch zu Songtexten inspiriert. Uns geht es wirtschaftlich zwar nicht so schlecht wie manchen Randalierern, aber im ganzen Land hat man diese Atmosphäre der Verzweiflung und Anspannung gefühlt. Damit konnten wir uns identifizieren. 

Ihr bringt alle zwei Jahre ein Album raus und seid ständig auf Tour. Wäre es bei der ganzen Arbeit nicht manchmal praktisch, ein drittes Bandmitglied zu haben?
Wir machen das schon seit acht Jahren. Wir sind ein eingespieltes Team. Natürlich gibt es Höhen und Tiefen. Das viele Arbeiten, Touren, Reisen und auch Trinken ist manchmal nicht ganz förderlich für die persönliche Bestleistung. Die Band kann aber nur als Einheit funktionieren, da sind wir uns einig. Wir gegen den Rest der Welt. Die Chemie zwischen Laura-Mary und mir macht Blood Red Shoes zu der Band, die sie ist. Ein Dritter wäre da komplett fehl am Platz. 

Und wie meistert ihr das dann zu zweit?
Wir geben uns der Musik komplett hin und machen niemals Pause. Manchmal wird man verrückt, weil man nicht weiß, wann man aufhören soll. Die Leute würden uns aber vergessen, wenn wir nicht ständig spielen oder ein Album herausbringen. Für dieses Album haben wir schon während der letzten Tour angefangen Songs zu schreiben. Wir lieben es zu spielen und dabei manchmal auch neue Songs auszuprobieren, um zu sehen wie sie ankommen. Das Tourleben ist eigentlich eine ständige Abfolge von verrückten Ereignissen.  

Zum Beispiel?
Jeder will immer verrückte Tourgeschichten hören, dabei ist es so schwer sich eine herauszupicken. Wir wurden letztes Jahr dazu eingeladen auf einem Festival in Jakarta zu spielen. Es war unglaublich aufregend in diesem Teil der Welt mal spielen zu dürfen. Als wir dort ankamen, konnten wir es kaum glauben, wie viele Leute uns durch das Internet kannten. Jeden Tag warteten Fans unten in der Hotellobby oder folgten uns nach der Show zum Hotel. Es waren meistens Mädchen. Indonesien ist ein sehr muslimisches Land, also hatten die meisten von ihnen Kopftücher oder Burkas an. Während der ganzen Show konnte ich nur die Augen der Mädchen sehen. Das ist keine verrückte Geschichte, aber es war für uns sehr beeindruckend, dass unsere Musik in einer ganz anderen Welt, mit einer ganz anderen Religion und Kultur, Anklang fand.  

Was sind eure Ziele als Band? Würdet ihr gerne durch die ganze Welt touren? 
Wir werden dieses Jahr schon so etwas wie eine Welttour machen. Großbritannien, Europa, Australien, Japan, Südamerika...  Unser Ziel ist es aber große Bühnen und Festivals zu headlinen – Hell, yeah! Unsere Single „Cold“ wird derzeit auf Radio 1 in Großbritannien, dem Mainstream Radio schlechthin, rauf und runter gespielt. Das fühlt sich gar nicht so unangenehm an. Ich will, dass das Mainstream-Publikum uns hört, aber nicht, dass wir wie Mainstream klingen. So wie die Foo Fighters. Im Herzen sind wir Punkrock-Kids.      

Das heißt, ihr zerschlagt Stühle im Backstage und trinkt Whiskey wie Wasser? 
Nicht ganz. Wir sind schon ziemliche Chaoten und oft richtig bescheuert. Die Band aber nehmen wir todernst. Sie ist unser ganzes Leben, sie bedeutet uns alles. Wir sind besessen von ihr. Das unterscheidet uns von vielen Bands die ich so kenne. Wir wollen eine wichtige und große Band werden, da gibt es keine andere Möglichkeit als hart zu arbeiten. Das ist das D.I.Y.-Erbe der Punkszene: Get in the van and fucking do it. Auch wenn das bedeutet, den längeren Weg zu nehmen. Natürlich ist das eine sehr romantische Vorstellung, weil wir uns darauf verlassen, dass die Musik immer siegt. Wir wollen kein Geld in Werbung pumpen oder uns mit einem bestimmten Image verkaufen. Das wäre eine Abkürzung, ein Trick der Pop-Welt. Wir sind Rock’n’Roll.

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