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"Jetzt erst recht"

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Jetzt.de: Erzähl mal, wie ist die Stimmung bei den Jungen Liberalen in NRW kurz vor der Wahl?
Henning Höne: Wir sind natürlich noch überrascht von dem, was in den letzten Tagen passiert ist, und wir müssen den Hebel jetzt schnell in Richtung Wahlkampf umlenken. Ich nehme die Stimmung bei uns aber sehr motiviert wahr, und auch positiv. Wir hatten erst Anfang des Jahres eine sehr erfolgreiche Kampagne zum Thema Verbotskultur. Das war ein wunderbarer Testlauf für die Kampagnenfähigkeit und gibt den Leuten auch noch mal einen ordentlichen Schubs Selbstvertrauen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Der Landesvorsitzende der Jungen Liberalen NRW Henning Höne

Worum ging es da?
Wir hatten die Kampagne als Reaktion auf die Verbotskultur der rot-grünen Minderheitsregierung aufgenommen. Wir haben die Diskussionen zu Ladenschlussgesetzen und der Verschärfung des Raucherverbots als Aufhänger genommen, um den Unterschied zwischen Parteien aufzuzeigen, die sich über Einschränkungen definieren – und solche, die sich für die größtmögliche Freiheit des Einzelnen einsetzen. Denn wir meinen, dass die Leute sehr viel besser für sich selbst entscheiden können, wie sie sich im Alltag verhalten. Auf die Kampagne haben wir viel positives Feedback erhalten.  
http://www.youtube.com/watch?v=dqKLF6N-g0o    

Weniger positiv verliefen die letzten Monate für eure Mutterpartei, die FDP. Wie habt ihr die Talfahrt erlebt?
Ein Stück weit natürlich mit großer Sorge, weil es nicht schön ist, wenn die Partei, in der man Mitglied ist, und mit deren Idealen man sich identifiziert, so leidet und so wenig Zuspruch in der Öffentlichkeit erhält. Wobei ich hier in NRW feststellen konnte, dass im direkten Vergleich zur Partei die Stimmung bei den JuLis immer ein bisschen besser war.  

Wie kommt das?
Wahrscheinlich, weil die JuLis nicht so sehr in der Alltagspolitik stecken. Die jungen Leute sind aus Spaß am Engagement und aus Begeisterung für eine politische Idee dabei. Wir lassen uns von phasenweisen Tiefs nicht so sehr runterreißen. Vielmehr macht sich die Mentalität „Jetzt erst recht!“ breit, weil die meisten keine Lust haben, sich ständig Negatives vorwerfen zu lassen und immer nur zu hören, wie schlecht alles ist. Wir wissen, dass Dinge besser hätten laufen können. Aber wir wissen auch um die Erfolge, die es gab, um unsere Überzeugungen, unsere guten Ideen. Dafür sind wir bereit, uns einzusetzen, zu kämpfen. Egal, ob es gerade gut läuft oder nicht.

Hat die Beliebtheit der FDP eigentlich Auswirkungen auf die Mitgliederzahlen der Jungen Liberalen?
Die Mitgliederzahlen haben kaum etwas mit dem Wahlanteil zu tun. Wir hatten in den letzten Monaten trotzdem keine positive Mitgliederentwicklung, sondern haben ungefähr 3% der Mitglieder verloren. Wobei der Großteil davon automatisch ausgeschieden ist, weil die Leute entweder die Altersgrenze von 35 Jahren erreicht haben oder umgezogen sind. So gesehen ist unser Problem nicht wie man von den Medien meinen könnte, dass Leute austreten, sondern dass sich wenig neue Interessenten finden.

Ist das ein generelles Problem oder trifft es euch durch die Tagespolitik umso härter?
Eine Mischung aus beiden. Die Shell Studie zeigt seit Jahren, dass Jugendliche nicht unpolitischer werden, sondern sich lieber projektbezogen engagieren. Wir möchten mehr Transparenz und unverbindliche Mitmachmöglichkeiten schaffen, um auf die Angst vor festen Verbandsstrukturen zu reagieren. Aber klar, wenn die FDP bei den Umfragen nur bei drei Prozent liegt, trauen sich auch weniger Leute zu uns zu kommen, als wenn die Werte bei 15 Prozent liegen. Das merkt man natürlich.  

Was erzählt ihr jungen Leuten, die aufgrund der niedrigen Umfragewerte skeptisch sind?
Es ist natürlich angenehmer, sich bei den Gewinnern oder den aktuell vermeintlichen Gewinnern zu engagieren. Wenn man vor zwei, drei Jahren in seinem Freundeskreis erzählt hat, man engagiert sich bei den jungen Liberalen, dann gab’s ein Schulterklopfen. Wenn man das heute erzählt, ist die Bewegung dieselbe, aber nicht mehr auf die Schulter, sondern auf den Hinterkopf. Aber man ist ja nicht wegen dem Ruf bei einer Partei, sondern weil man eigene, lebensnahe Anliegen umsetzen will. Und dann sucht man sich die Partei, deren Inhalte einen am meisten ansprechen.

Heute ging die Meldung raus, dass Christian Lindner die krisengeplagte FDP aus ihrem Tief holen soll. In eigenen Reihen findet er viel Zuspruch, obwohl es auch handfeste Argumente gegen ihn gibt. Wie stehst du zu ihm?
Der Wahlkampf im NRW, das braucht man gar nicht beschönigen, ist eine riesen Herausforderung. Wegen der kurzen Vorbereitungszeit, aber auch inhaltlich wegen der aktuellen Lage. Das wird extrem schwierig. Ich glaube aber zum Beispiel nicht, dass Linder nach einem Wahlerfolg möglichst schnell nach Berlin verschwinden würde. Ich sehe die Chancen bei seiner Kandidatur: Er ist sehr kampagnenerfahren, hat zehn Jahre Landtagserfahrungen in Nordrheinwestfahlen und ist hier auch sehr beliebt. Er ist ein super Wahlkämpfer, Rhetoriker und Stratege. Das sind alles Gründe, die für ihn sprechen.

Vorhin meintest du, dass man sich besonders an politischen Tiefpunkten auf seine Inhalte konzentrieren musst. Welche zum Beispiel?
Für mich gibt’s drei wesentliche Schlagworte, die auch wir JuLis im kommenden Landtagswahlkampf als Oberthemen nehmen werden: Der Bereich Bürgerrechte und Innenpolitik, Generationengerechtigkeit bzw. Nachhaltigkeit, und offene Gesellschaft. Diese abstrakten Punkte wollen wir dann runter brechen, näher an die Leute bringen und greifbar machen. Das war vielleicht der Fehler der FDP, weil sie ihre eigentlichen Ziele vernachlässigt hat und sich immer mehr in anderen Themen verheddert hat. Die FDP insbesondere hat oft das Problem, Themen zu verkopft rüber zu bringen, und nicht auf einer emotionalen Ebene.

Kann der Fall der Partei nur auf „Verheddern“ zurückgeführt werden?
Bei der FDP sieht es halt besonders krass aus, weil man ihr immer die Fünf-Prozent-Hürde vorhält. Dabei haben wir, verglichen mit der SPD beispielsweise, auch nicht mehr Prozentpunkte verloren. Zum Fall: Ich glaube, dass bei der FDP auf Bundesebene vieles schief lief, weil man manches bei Regierungsantritt unterschätzt hat und ins kalte Wasser geworfen wurde. Natürlich hat man in manchen Bereichen Fehler gemacht: In der Kommunikation und wie ich finde auch inhaltlich. Aber wenn man erstmal in eine Abwärtsspirale gerät, ist es auch selbsterfüllende Prophezeiung und unheimlich schwer, wieder rauszukommen. Ich vergleiche das gern mit der Ölkatastrophe: Wenn man das Vertrauen wie BP erstmal verloren hat, dauert es unglaublich lange, bis man es wieder gewinnt. Das wird bei uns auch nicht anders sein.

Glaubst du an einen Wiederaufstieg?
Ja. Wenn man sich mit Leuten unterhält und ihnen in Ruhe die Inhalte erklärt, findet man Zuspruch. Und das in vielen Bereichen. Ich habe auch weiterhin eine große Hoffnung in Rösler, aber auch in Lindner, weil die beiden noch viel mehr in der Lage sind, die abstrakte Idee von größtmöglicher Entscheidungsfreiheit und größtmöglicher Individualität rüberzubringen.

Was ist mit dir, verfolgst du eine Karriere bei der FDP?
Ich verfolge erstmal meinen Studienabschluss. Derzeit mache ich den Master in BWL. Politik ist nur ein Hobby, auch wenn sie unverhältnismäßig viel Zeit einnimmt. Und ich bin derzeit auch ganz froh darüber, dass ich mich nicht entscheiden muss, entweder in die Politik zu gehen oder zu arbeiten. Mir macht beides viel Spaß.  

Hattest du – gerade angesichts der Abwärtsspirale - manchmal das Bedürfnis, dich von der Partei abzuwenden?
Ich hatte nie den Wunsch, alles hinzuschmeißen oder auszutreten. Unabhängig von den Umfragewerten konnte mich noch niemand überzeugen, dass meine Ansichten oder die der FDP völlig falsch sind. Insofern bleibt man dabei, auch wenn es manchmal frustrierend ist und es deutlich angenehmer war, 2008 und 2009 am Wahlkampfstand zu stehen. Aber wenn man das mit anderen Hobbys vergleicht, Fußball zum Beispiel, gibt es auch da Phasen, wo man Meister ist oder mal eine schlechte Saison hinlegt. Das gehört dazu. Außerdem zeigt sich gerade wenn es schlecht läuft, wer wirklich überzeugt ist. Unterm großen Doppelstrich habe ich Spaß dabei, und das ist das Wichtigste. Erst wenn der Spaß nicht mehr da ist, müsste ich mich ernsthaft fragen, ob es nicht besser wäre, auszutreten.

Text: vanessa-vu - Cover: dpa; Foto: julimagazin.

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